Mittwoch, 27. Juli 2016, 13:18 Uhr
Führerschein

"Mama, ich hab' ihn!"

1969
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Es gab, ich bin mir fast sicher, damals nur eine Fahrschule im Ort Augustfehn, erst kurz danach kam die zweite dazu. Man schrieb das Jahr 1963/64 und ich hatte mir die Fahrschule Gerdes ausgesucht.

Apen / Ammerland / Oldenburg Viele Berichte über Führerscheine, die sämtlich im „dezenten Grau“ auf den Markt kamen , habe ich in den vergangenen Wochen mit Interesse gelesen. War immer wieder erstaunt, wieviel Menschen doch an ihrem persönlichen Befreiungs-Requisit festgehalten und es aufbewahrt haben. Bei mir war es anders, ich habe diese alte Lizenz nicht mehr aufbewahrt, aber das Bild schnitt ich raus, bevor das gute Stück entsorgt wurde.

Gerade mal 18 Jahre war ich alt, als der Wunsch auf das Non-plus-ultra – Privileg der Wirtschaftsentwicklung aufkam: Man wollte ein Auto fahren und besitzen können.

Es waren nicht so viele, die damals in der Lage waren sich an diesem fortschrittlichen Trend zu beteiligen und die Geschlechteraufteilung bei den Führerscheinanwärtern war, was  während der Unterrrichtsstunden unschwer zu erkennen war,  auf das männliche Klientel fokussiert. Damals – behaupte ich jetzt mal  – waren die Kosten um die 300 DM gegenüber dem Einkommen in einem ähnlichen Verhältnis anzusetzen wie heute, aber vieles war eben noch ganz anders. Es gab noch keinen Erste-Hilfe-Lehrgang , keine Nachtfahrten und an einen Seh-Test kann ich mich auch nicht erinnern.

Aber…es gab soviel lustige Begebenheiten, die sich alle um meinen Führerschein ranken,  ich kann sie  an dieser Stelle nur kurz anschneiden.

Es wurden, so wird es sicher heute auch noch gehandhabt, der praktische Unterricht immer mit mehreren Fahrschülern gefahren, also holte man sie zu Hause ab und benutzte die Fahrten als Unterrichtsstunde.  Mir oblag es, die Strecke  bis nach Westerstede zu fahren und so fühlte ich mich schon richtig gut, mit zwei weiteren Frauen im Fond des Fahrschulwagens. Wir fuhren in Westerstede auf den Hermannsplatz, wo der Fahrschullehrer sich mit anderen austauschte, die ebenfalls diesen Platz mit ihren Schülern  angefahren hatten. Ich saß am Steuer, der Lehrer war draußen und ich fühlte mich förmlich aufgefordert das „Wow-Gefühl“ rauszulassen und eine Runde alleine und noch ohne Führerschein über den Platz zu drehen.

Ich hätte es lassen sollen, denn ich bekam Wochen später noch nicht das schlimme Gefühl aus meinem Kopf das ich bei dem wortreichen Schimpfattacken der beiden Frauen empfunden hatte. Zu Recht, habe ich damals schon vermutet, aber es war nun mal passiert.

Die eine war etwas aggressiver als die andere, aber sie behauptete, sie habe fünf Kinder zu Hause und i c h  hätte sie alle in Gefahr gebracht. Irgendwann vergißt man sowas dann auch wieder, nur als meine spätere Schwiegermutter mir eine Cousine vorstellte, die mich unbedingt kennenlernen wollte, da fiel mir (ihr sicher auch) die Kinnlade runter, meine Fahrschulsünde hatte mich wieder eingeholt.

Aber zurück zur Basis:

Bei uns im Dorf, (Klauhörn) gab es inzwischen schon eine Isetta, in der ich schon mal mitgefahren war , ansonsten waren Autos nur im Nachbardorf bekannt. Ich freute mich schon sehr auf meinen Führerschein, denn durch ein Auto (gebraucht natürlich) sollte auch meine Familie mobiler werden. – Die Nachbarschaft profitierte später auch davon - .

Ich war damals in Westerstede beschäftigt und einige Kollegen hatten mit der Ablegung der Führerscheinprüfung nicht so gute Erfahrungen gesammelt. Ein Name eines Prüfers kursierte, der mir nicht gerade Freude machte, „Unruh“, dieser nähme es besonders genau! Es war der 16. Juni 1964 und es war ein besonders heißer Tag, ich wurde schon vorzeitig zur Prüfung gerufen weil jemand ausgefallen war. Diejenigen, die bestanden hatten, sie standen schon profitierend mit dem grauen Schein auf dem Platz in Westerstede, denn in Westerstede wurde in den  genannten Jahren noch die Prüfung abgelegt.

Ich ging zielstrebig auf den Prüfer zu und wartete, daß er mich bat einzusteigen. Zuerst aber stellte er sich vor, zu meinem Entsetzen  war sein Name „ Unruh“.

Ich habe meinen Führerschein an diesem Tag auch bekommen, ein Stück Freiheit, das ab jetzt  mit ganz viel Ausgaben verbunden war.  Als ich zu Hause anrief, da mußte ich nicht viel erklären. „Mama, ich hab‘ ihn“ war Erklärung genug.

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