Dienstag, 02. Dezember 2014, 19:28 Uhr
Kindheitserinnerungen

Erinnerungen als Wegbegleiter

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Ein Bild das meine Seele berührt.Gedanken, mit denen man "einfach früher" verbindet - und "Früher" das ist nicht nur ein Wort, es ist eine ganz andere Welt.

Apen / Westerstede Der Weg führte mich durch einige Straßen, die meinem Anschein nach wohl die belebtesten in der kleinen Braker Innenstadt waren. Ich war noch etwas zeitig dran mit meiner Verabredung und so ergab sich dieser Weg für mich, der mir eine ganz eigene Geschichte zu Füßen legte.Ganz unverhofft und unerwartet begann eine Zeitreise in meinem Kopf.

Den monströsen Rollwagen, der Anfang der 50er Jahre den Heimkehrern bei der Fortbewegung sehr hilfreich war, den sah ich eigentlich erst auf den 2. Blick, förmlich aus den Augenwinkeln, denn ich wollte mich ursprünglich auf die Neuerungen in Form von aufgestellten Ehrentafeln und Skulpturen konzentrieren und warf eher einen etwas gelangweilten Blick in die Auslage eines Sanitätsgeschäftes, wo ich diesen Nachkriegs-Sitzwagen sichtete. Der Sitzwagen war die eine Sache, mit dem ich unendlich viele Erinnerungen verband und die ich einfach nur abrufen mußte, sie waren alle noch da.
Was meine Fröhlichkeit trübte, das waren hauptsächhlich die Holzkrücken, die sich ebenfalls in der Ausstellung befanden. In ihnen sah ich die Menschen dahinter, die damit umgehen mußten, sie vermittelten mir auch heute noch die Worte wie Hunger und Elend, verwundete Heimkehrer und zerstörte Leben.
So ein Gefährt von früher stand Mitte der 50er Jahre bei uns auf dem Dachboden. Er hatte meinem Onkel gehört, der aus dem Krieg zurückgekehrt war und dort seine Beine verloren hatte. Die ersten Jahre hatte er diesen Wagen benutzt, bevor er dann später ein Spezial-Auto bekam, bei dem er alle Funktionen vom Lenkrad aus verwalten konnte.
Mein Onkel kam oft mit seinen beiden Söhnen zu Besuch, denn auch unsere Oma lebte mit uns im Haus in Klauhörn, und wir waren ein gutes Team, meine beiden Cousins und ich.
Derweil die Erwachsenen sich unterhielten waren wir, alle so um die 10 Jahre alt, uns sehr einig über die „unerlaubten Unternehmungen“. Garantiert kam irgendwann der Spruch von den Jungs: „Wir gehen ganz leise auf den Boden und fahren mit Papas Sitzwagen“, das war auch für mich total spannend.

Mir blieb als einzigstes Kind und von allen behütet, keine Chance irgendwelche unerlaubten Wege zu gehen.Mit den beiden Cousins brachte der Tag dann Abwechslung, zuerst Spaß , aber auch viel Ärger mit den Erwachsenen, die ja so „uneinsichtig“ waren.

Mein Onkel und meine Tante wohnten mit den Jungens Werner und Horst Wehmeyer und weiteren Kindern in Apen und wann-immer wir uns trafen hatten wir uns auch eine Menge zu erzählen.
Mein Cousin Werner war gerade von der Bundeswehr entlassen als er eines Tages einen Abschiedsbesuch machte, um für eine Weile, d. h. für die Zeit eines 4-wöchigen Urlaubs ins amerikanische Chicago nach Illinois zu gehen, wo wir Verwandte hatten. Im Jahr 1967 muß es gewesen sein.
Seitdem sind fast 50 Jahre vergangen, aus dem sogenannten Urlaub wurde ein ganzes Leben.
Die gegenseitigen Besuche mit der ganzen Familie fanden mindestens einmal im Jahr statt und bald hatte die damals 18-jährige Schwester von Werner, Sonja, nach der Berufsausbildung ebenfalls die USA als ihre neue Heimat ausgewählt. Ihr Weg führte sie 1973 vorerst auch nach Chicago , später nach Seattle in Washington und Arizona.
Wir alle haben uns immer noch viel zu erzählen, heute hilft das Internet sehr dabei, über Skype ist man wieder näher zusammengerückt und die ganze Welt ist erreichbarer geworden.So manches Mal reden wir auch "in der Konferenz-Variante zusammen", zwei hier in Deutschland und zwei in den USA, und natürlich wollen dann alle auf einmal zu Wort kommen, genau wie früher.
Inzwischen gehen die Gespräche und Briefe zwischen Deutschland und Florida hin und her, denn dort hat Werner seit einigen Jahren seinen Wohnort. Seine Schwester Sonja ist in Seattle und Arizona zu Hause.

Mein Cousin Werner erinnerte sich sofort wieder an alle Anekdoten von früher als ich ihm das Bild mit dem Fortbewegungs-Gerät aus dem Schaufenster, das dem seines Vaters so ähnlich war, rüberschickte.

Dem Cousin Horst konnte ich es nicht mehr zeigen, er hat die Familie in diesem Frühjahr verlassen müssen.
Sonja hatte die Zeit nicht mehr mitbekommen, sie ist über 10 Jahre jünger als wir.
Wenn alles nach Plan läuft, dann wird Werner seinen 70. Geburtstag im nächsten Jahr in der Heimat feiern, aber bis dahin wird er von seiner ganzen Familie weiterhin fast täglich mit Informationen und Bildern aus Deutschland versorgt.
Irgendwann ist dann wieder mal ein Gegenstand, ein Bild oder vielleicht auch ein Lied von früher dabei und ich schreibe dann erneut: "Schau mal, kennst Du das noch?"


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