Sonntag, 25. Januar 2015, 19:11 Uhr
Erinnerungen

Mauerfall machte es möglich

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Soviel Jahre, soviel Begegnungen, solange ist es her. Durch den Mauerfall oder besser gesagt, durch den Wegfall der Deutsch-Deutschen Grenze sind die Nachbarländer wieder erreichbarer geworden, man hört wieder voneinander.

Oldenburg / Oldenburger Land Das Jahr 2014 war ein Jahr mit ganz viel „Mauer-Fall-Gedanken“; von der Mauer ist die Rede, die Mauer, die Deutschland teilte und über deren Wegfall man bereits 25 Jahre glücklich ist. 2014 war also aufgrund dieses schicksalhaften Ereignisses im Jahr 1989 ein Jubiläumsjahr, somit das 25., seitdem im November 1989 alles Schlag auf Schlag gegangen war. Ebenso der Tag der Deutschen Einheit wird am 03. Oktober diesen Jahres mit dem nächsten Jubiläum nachkommen, denn den gibt es dann auch bereits seit 25 Jahren an diesem Tag. Es hat sich sehr viel verändert im alten und im neuen Deutschland. Die desolaten Straßen sind komplett erneuert und im „neuen Deutschland“ ist der damals so begehrte Traby so gut wie nie mehr zu sehen. Über Ost und West- Beziehungen gibt es wunderbare Geschichten zu erzählen, viele davon konnten erst ihr Happy End finden nachdem die Mauer nicht mehr im Wege war.
Im Zuge der Wiedervereinigung waren auch ab sofort wieder Reisen möglich geworden, die vorher sehr beschwerlich und fast nicht durchführbar waren.
Der weitreichende positive Einfluß der Grenzöffnung betraf auch diejenigen noch, die 1945 als Vertriebene ihre Heimat verlassen mußten, auch die aus dem damaligen Königsberg an der Oder, das praktisch über Nacht Choijna genannt und somit polnisch wurde. Es war seitdem nur noch unter größten Schwierigkeiten zu erreichen. Solche Reisen in die alte Heimat waren seit der Grenzöffung alle relativ problemlos wieder möglich geworden.
Damals waren die Menschen aus ihrer Heimat geflüchtet. Dort, wo sie ihre Wurzeln hatten, ließen sie Verwandte und Freunde zurück. Selbst das Eingemachte vom Sommer auf der Kellerborte mußte man stehenlassen und die eilig fliehenden Menschen dachten nur ans Überleben . Manch wichtige Urkunden und Unterlagen, die später auch nicht mehr beschafft werden konnten, ließen sie zurück.
So erging es auch meinem Ehemann in Begleitung seiner Mutter auf der Flucht im Winter 1945.Im Bubenalter war er an Entscheidungen was mitgenommen werden sollte, nicht beteiligt gewesen. Wahrscheinlich wußte er damals nicht einmal welchen Sinn dieser spontane Aufbruch hatte. Sein ganzes Leben hatte er mit einer Bescheinigung des Vaters, anstelle einer Urkunde, bei den Behörden seine Identität nachweisen müssen.
Als uns 1990 die Durchfahrt durch Ostdeutschland möglich wurde, beschlossen wir zumindest den Versuch zu machen, um eine „richtige“ Geburtsurkunde zu bekommen. Meine mühevoll angelegte Ahnenreihe zeigte noch viele Lücken bei den Vorfahren aus den polnischen Gebieten und ich wünschte mir, sie durch eine richtige Urkunde noch vervollständigen zu können. Mir war sehr daran gelegen die Urkunde als konkrete Beweiskopie zu erhalten. Mein Mann war mit seiner Bescheinigung vom Vater auch immer gut durchgekommen, aber die Beschaffung interessiere ihn jetzt auch, etwas weniger als mich vielleicht, aber er war auch dafür.
Allerdings stellten sich uns dann mehr Probleme in den Weg als wir geglaubt hatten. Es sprach absolut kein Mensch Deutsch noch Englisch. Alle, die ich ansprach schauten mich ungläubig und verständnislos an . I c h suchte das Standesamt oder jedenfalls eine Meldebehörde, aber das bekam sprachlich keiner so richtig mit. Mein Mann wartete vorsichtshalber draußen beim Auto. Wir waren uns nicht sicher, ob der Parkplatz auch für uns bestimmt war und ein Abschleppen wollten wir hier absolut nicht riskieren.
In einer Bibliothek brachte man mich auf den richtigen Weg. Irgendjemand hielt mir einen Telefonhörer ans Ohr und auf der anderen Seite meldete sich ein leidlich deutsch – sprechender Bürger aus Chojna, der mich an eine Dame verwies, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf uns wartete, er habe sie informiert, meinte mein Gesprächspartner.
So war es dann auch und die Dame, die übrigens auch kein Deutsch sprach, befahl uns durch Gesten an ihrer Seite den Weg bis zum Lyzeum zu gehen.
Dort trafen wir auf den deutschsprechenden Leiter der Lyzeums-Bibliothek.ein Professor übrigens. Er versprach uns die Beschaffung der Geburtsurkunde aus Stettin. Er wollte uns zu Hause informieren.
Und so wurde es dann auch gehandhabt.Nach ein paar Tagen gab es die Mitteilung, daß eine Kopie der Geburtsurkunde für meinen Mann in Arbeit sei. Wir überwiesen die entstandenen Kosten und bekamen schon bald die Urkunde zugeschickt. Nach fast 50 Jahren hatte mein Mann endlich seine erste rechtmäßige Geburtsurkunde in den Händen.
So haben auch wir von der Wiedervereinigung profitiert. Auch wenn das Leben ohne Urkunde wahrscheinlich weiterhin nicht schlechter geworden wäre, aber trotzdem ein gutes Gefühl eine zu besitzen, lacht mein Mann, und der Profit infolge der Wiedervereinigung kommt noch mal als persönlicher Beteiligungs-Bonus dazu.
Inzwischen haben wir viel erfahren über den Geburtsort meines Mannes, von Straßenkarten bis zu Namenslisten aus der damaligen Zeit um 1945 ist viel zusammengekommen. Selbst das ehemalige elterliche Wohnhaus wurde in der betreffenden Straße gefunden. Man kann es zwar kaum glauben, aber an die Straße erinnerte sich mein Mann. Nach so vielen Jahren konnte er den Weg noch beschreiben, den er als Vierjähriger zum letzten Mal gegangen war.

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