Sonntag, 31. Januar 2016, 18:24 Uhr
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Jürgen Schmidt (geb. 1963): August Bebel. Kaiser der Arbeiter (2013)

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Geschichte der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung/Geschichte der Sozialdemokratie

Varel / Oldenburg / Rastede An Biographien über Otto von Bismarck (1815 - 1898) herrscht kein Mangel, wohl aber an Lebensbeschreibungen über August Bebel (1840 - 1913). Sein Lebenswerk, die deutsche Sozialdemokratie, besteht seit über 150 Jahren.

Seine politischen Erbinnen und Erben übernehmen Verantwortung für die Weimarer Republik und für die Bundesrepublik Deutschland. Viele Wählerinnen und Wähler der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) kennen den Namen Bismarck, aber nicht den Namen Bebel. Sie wissen nicht (mehr), dass Bebel für die Arbeiterinnen und Arbeiter des Deutschen Kaiserreiches (1871 - 1918) ihr Kaiser gewesen ist. Darin spiegelt sich das große Vertrauen, dass Bebel unter den Arbeiterinnen und Arbeitern genoss.

In seiner Biographie "August Bebel. Kaiser der Arbeiter" erinnert Jürgen Schmidt zunächst an dessen politische Anfänge im liberalen Vereinswesen der Arbeiter und Handwerker. Durch Bildung sollen dort Arbeiter und Gesellen befähigt werden, eigene handwerkliche Betriebe zu gründen und zu führen. Doch schon bald erkennt Bebel, dass dieser Weg viele Arbeiterinnen und Arbeiter vor Armut, Ausbeutung und gesellschaftlicher Ausgrenzung nicht bewahren kann.

So bricht Bebel mit dem Liberalismus und wendet sich der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung zu. Mit Hilfe des allgemeinen Wahlrechts und verbesserten politischen Mitbestimmungsrechten will er nun Armut, Ausbeutung und gesellschaftliche Ausgrenzung der Arbeiterinnen und Arbeiter bekämpfen sowie deren soziale und wirtschaftliche Situation verbessern.

Als theoretische Grundlage für diese Politik dient Bebel das Werk von Karl Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 - 1895). Schmidt weist allerdings zu Recht darauf hin, dass Bebel diese Grundlage nicht verabsolutiert hat. In der praktischen politischen Arbeit nahm sich Bebel immer wieder die Freiheit, im Interesse der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie der politischen Strategie von der Theorie abzuweichen.

Bebel agiert als Organisator, Parteivorsitzender (1892 - 1913), Redner, Reichstagsabgeordneter (1867/1871 - 1881 und 1883 - 1913), Schriftsteller und Unternehmer. Er ist charakterlich integer und sammelt in sich im Laufe der Jahre viele politische Erfahrungen. Aufgrund seiner Aktivitäten verbringt Bebel in der Summe vier Jahre und sechs Monate seines Lebens wegen "aufsässiger Äußerungen" in politischer Haft.

Bebel hält die Partei in den großen innerparteilichen Kontroversen um Revisionismus und Massenstreik zusammen. Diese Auseinandersetzungen verursachen Streit und eine teilweise Entfremdung zwischen SPD und Gewerkschaften. Ein programmatisches Zugehen auf die Landbevölkerung und den Agrarsektor kann Bebel innerparteilich nicht durchsetzen. Leider findet dessen lebenslanger Einsatz gegen Antisemitismus, auch in der demokratischen Linken, bei Schmidt keine Erwähnung.

Als Parlamentarier kritisiert Bebel unter anderem das "Sozialistengesetz" (1878 - 1890), die deutsche Polen- und Weltpolitik sowie die Kolonialpolitik in den deutschen Kolonien. Er wirkt für demokratische und soziale Verbesserungen. Aber, so Schmidt, trotz pragmatischem Vorgehen in Einzelfragen, bleibt Bebel hinsichtlich der Grundwerte der sozialen Demokratie fest.

Schmidt porträtiert Bebel differenziert und abgewogen, also nicht als Ikone. Dieser wird mit all seinen Widersprüchen dargestellt. Diese Biographie verspricht informativen Lesegenuss und kann allen an der Geschichte der Sozialdemokratie Interessierten empfohlen werden.


Darüber müssen wir reden: Thomas.Suckow61@gmx.de.


(Jürgen Schmidt, August Bebel. Kaiser der Arbeiter, 287 Seiten, 22,00 EURO, Rotpunktverlag, ISBN 978-3-85869-538-3)


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