Sonntag, 04. Dezember 2016, 11:27 Uhr
Elternhaus und Heimat

Die Herrenschneiderei Harms an der Poststraße in Ocholt

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Ocholter Handwerksgeschichte

Ocholt
Die Schneiderei Harms in Ocholt hat es lange Zeit gegeben und war weithin bekannt.  Mein Vater, Erich Harms, hat die Schneiderei von meinem Großvater – Gerhard Harms -  übernommen. Der Großvater hatte nach der Familiengründung bereits in Lindernerfeld  eine Schneiderei . Vater war 1914 geboren und konnte sich noch genau an die damaligen Verhältnisse erinnern. Als Kinder spielten sie immer in der Heide am Hochkamp – etwa dort wo jetzt das Haus von Erika Kruse steht –  Es war damals eine sandige Heidefläche mit Birken und Bentgras. Er meinte  , damals waren wir arm, aber glücklich. Sie hatten noch  viel Freiheit und Wiesen und Felder zum Spielen. Als mein Vater  acht Jahre alt war, baute mein Großvater das  Haus an der Poststraße in Ocholt.

Es war ein einfaches Haus. Die Kinder mussten schon gut mit anfassen. Die Baumaterialien mussten vom Bahnhof mit Pferd und Wagen zum Baugelände gebracht werden.  Das Baugrundstück hatte mein Großvater von der Familie Luks gekauft.

1926 baute dann auch als Nachbar die Familie Klausing, dort war das Postamt untergebracht.  Ich selber bin 1942  geboren und  habe noch gute Erinnerungen  an meine Kinderzeit. Im Jahre 1946 bekam ich einen Bruder (Gerold)und dann 1948 den zweiten Bruder (Erich).Im Elternhaus war eine ganz schlichte Wohnung eingerichtet. Wichtig war die Werkstatt für die Herrenschneiderei. Ich kann mich auch noch genau an die kalten Winter erinnern, denn dann saßen wir in der Wohnküche am Küchenherd .Das Herdfeuer  summte vor sich hin, es war urgemütlich. Mit meiner Großmutter und meiner Mutter spielten wir im Winter oft Mensch-ärgere Dich nicht oder Karten.  Bei uns in der Werkstatt haben immer zwei Gesellen und Lehrlinge  gearbeitet, sie wohnten auch bei uns, allerdings war alles sehr beengt. Mein Vater erzählte, daß er gleich nach dem Weltkrieg  wohl Arbeit hatte, aber  für alle Gesellen nicht genug. So holte er  ständig Arbeit heran. In der Werkstatt wurden Polizei- und Grenzschutzuniformen genäht.  So hat man sich über Wasser gehalten. Mein Großvater ist 1949 verstorben, die Schneiderei wurde dann von meinem Vater betrieben. 1954 wurde der erste Umbau vorgenommen. Ein Schaufenster sollte her, denn im Ort  Ocholt war wieder Leben und es ging aufwärts, alle Handwerksbetriebe hatten wieder mehr Arbeit. So wurde  in den 50er Jahren auch eine neue Straße gebaut, der Ole Kamp. Er geht ja heute noch von der Poststraße – heute am Brunneneck zum Berliner Platz.  Ocholt  vergrößerte sich, und so wurde das Geschäft immer weiter ausgebaut. Sonntags  wurden mit dem Motorrad Kunden in Karlshof und Torsholt aufgesucht, denn das Leben war damals hart. 1959 kam dann das 2. Schaufenster hinzu und auch eine Ladenvergrößerung wurde vorgenommen. Es wurden sämtliche Textilien angeboten. Meine Eltern hatten sich somit langsam eine gute Existenz geschaffen. Das Ladengeschäft lief gut, in der Herrenschneiderei ging es dann aber  langsam bergab, denn die Anzüge konnten billiger von der Stange erworben werden. Aber trotzdem, Anzüge aufbügeln und Änderungsarbeiten waren immer noch an der Tagesordnung. Viele Konfirmationsanzüge haben damals Vaters Schneiderei verlassen. Auch Anzüge für Hochzeiten usw.. Heute wird noch in geselliger Runde oft darüber gesprochen. Ab Januar 1983  wurde dann die Geschäftsaufgabe vorbereitet. Der Totalausverkauf ging vonstatten, denn meine Eltern setzten sich zur Ruhe. Ab Mai 1983 haben meine Eltern den Laden dann an Gertrud Henning verpachtet. Der Papier und Geschenkeladen war weithin bekannt. Nach dem Tode meines Vaters haben wir Brüder dann gemeinsam das Anwesen verkauft. Allerdings, so muß ich sagen, ist und bleibt dieses Haus unser Elternhaus, denn es sind viele Erinnerungen damit verknüpft. Ja, so geht das  Leben immer weiter, viele Handwerksbetriebe und Geschäfte, die es in Ocholt einmal gab, sind von der Bildfläche verschwunden.

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