Literatur an Bord zum Thema Auswanderung
Literaturplus Wesermarsch e. V. veranstaltete am 17. September 2011 mit der GROSSHERZOGIN ELISABETH seine siebte Schiffslesereise auf der Weser.
Nordenham / Schiff GROSSHERZOGIN ELISABETH
Da das Schiff wegen der vorübergehenden Schließung des Huntesperrwerks nicht an der Elsflether Kaje ablegen konnte, mußten sich die sechzig Teilnehmer in Brake einfinden. Pünktlich um neun Uhr nahm der Großsegler unter dem Kommando von Kapitän Uwe Meier Kurs auf Bremerhaven.
Thema des Lesetörns, der von der Oldenburgischen Landesbank gefördert wurde, war die Auswanderung. Der Historiker Dr. Diethelm Knauf, Leiter des Landesfilmarchivs Bremen, moderierte die Lesungen. Als ausgezeichneter Kenner der Materie berichtete er über die großen Migrationsbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert und ihre wirtschaftlichen, politischen und sozialen Ursachen. Der Traum von einem Leben in Freiheit und ohne materielle Not war von jeher ein starkes Motiv für Menschen, ihre Heimat zu verlassen. AMERIKA; DU HAST ES BESSER, die erste Zeile von Goethes Gedicht „Den Vereinigten Staaten“, brachte die Sehnsucht nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf den Punkt.
In Zusammenhang mit seiner geschichtlichen Einführung las Dr. Diethelm Knauf Auszüge aus Berichten von Zeitzeugen, aus Gedichten, Briefen und Romanen, beispielsweise aus Werken von Charles Dickens, John Dos Passos, Manfred Hausmann und Wolfgang Koeppen. Sie geben Einblick nicht nur in die Beschwerlichkeit der langen Fahrt über den Ozean, sondern auch in das oft ernüchternde Geschehen auf der Immigranten-Insel Ellis Island und in das bunte Leben im deutschen Viertel an New Yorks Lower Eastside.
Während der Rückfahrt von Bremerhaven kamen Marion Deike und Uwe Niewerth aus Bremen zu Wort. Sie lasen Kapitel aus dem bewegenden Harriersand-Roman WARTEN AUF DIE FLUT von Rolf Schmidt. Der Autor war wegen eines Aufenthaltes in den USA verhindert, selbst zu lesen, hatte aber die Texte mit den beiden Vortragenden ausgewählt. Der Roman, der auf historischen Fakten beruht, handelt von Auswanderern, die im Frühjahr 1834 auf der Weserinsel Harriersand gestrandet waren und dort wochenlang auf ein Schiff nach Amerika warteten. Sie hatten das Ziel, in der Neuen Welt eine deutsche Modellrepublik mit demokratischen Strukturen zu errichten. Marion Deike gab die Rolle der jungen Tagebuchschreiberin Bettina Münch. Sie schildert persönliche Eindrücke vom harten Alltag der Auswanderer, die auf der Insel auf engstem Raum in einem Kuhstall untergebracht waren. Uwe Niewerth las erzählende Passagen und akzentuierte bestimmte Stellen mit den wehmütigen Klängen einer Singenden Säge. In einem Streitgespräch über die politischen Verhältnisse in deutschen Landen trafen sich beide im szenischen Dialog.
Die Ammerländer Musikerinnen Barbara Andrae (Akkordeon, Dudelsack) und Hildegard Kluttig(Geige, Melodica) gingen mit ihren Musikstücken einfühlsam auf den Gehalt der Texte ein. Dabei beeindruckten vor allem das AVE MARIA von Astor Piazzolla, das Y ’DID NEFESH der jüdischen Komponisten S. und E. Zweig und die IRISCHEN IMPRESSIONEN des Bremer Komponisten Georg Espitalier.
Am späteren Nachmittag traf die GROSSHERZOGIN ELISABETH wieder in Brake ein. Das Auswanderungsthema aus literarischer Sicht war bei den Reiseteilnehmern offensichtlich auf großes Interesse gestoßen, und zum Gelingen des Tagestörns hatte das freundlich-milde Wetter beigetragen.
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