Donnerstag, 04. Juni 2009, 20:47 Uhr
Brennerei / Kornbrennerei / Dampfkornbranntweinbrennerei

Mit Dampf zum Schnaps

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Im Jahr 1857 wurde die Dampfkornbranntweinbrennerei Kolloge gegründet. Heute ist das verwinkelte Gebäude ein Museum.

Wildeshausen Haben Sie Lust auf eine Zeitreise? Dann steigen Sie ein, kommen Sie mit auf eine kleine Tour durch das Dampfkornbranntweinbrennereimuseum in Wildeshausen. Unser Ziel: die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Zeit, in der die Dampfmaschine in den Industriebetrieben Deutschlands das Tempo vorgab. Auch beim Produzieren von Schnaps. Die Arbeit des Menschen hatte damals eine andere Qualität als heute: Sie war härter, erstreckte sich auf alle Wochentage - und war gefährlicher. Mit Bedacht hatte die Brennerfamilie Kolloge den größten Risikofaktor in einem Anbau zum unbesiedelten Huntebereich hin untergebracht: das Kesselhaus. Denn man wusste um die große Explosionsgefahr des Kessels. Weil unter den Heizern so viele Opfer zu beklagen waren, war in Deutschland 1866 ein Dampfkessel-Überwachungsverein gegründet worden (heute: der TÜV). Doch der Wildeshauser Kessel hielt. Zweimal wurde er erneuert (1887, 1913). Bis zu zwölf Atmosphären Überdruck (ATÜ) wurden aus dem angelieferten Koks gezogen. Der Druck des Kessels brachte das Herzstück des verwinkelten Hauses in Schwung - eine Einkolbendampfmaschine mit Fliehkraftregulator. Was ihr Alter angeht, tappen wir im Dunkeln. Sicher ist: Ab 1895 wurde die noch heute laufende Dampfmaschine von der Firma Wehrhahn (Delmenhorst) gewartet. Mit 15 PS trieb sie (über eine Transmission und eine zentrale Welle sowie Nebenwellen) einst die Maschinen auf allen fünf Etagen an. Heute läuft die "alte Dame" etwas langsamer - aus Rücksicht auf ihre Gelenke. Die meiste Kraft, nämlich bis zu 11 PS, schluckte die Getreidemühle. Das gute Stück schaffte mehr als 130 Umdrehungen pro Minute und mehr als 600 Kilogramm Feinschrot pro Stunde. Vorbei am knarrenden Mühlengalgen, am dampfbetriebenen Lastenfahrstuhl, am konischen Henzedämpfer, am breiten Maischebottich und an dampfbetriebenen Gerstequetschen erreichen wir zwei gedrungene Kammern mit ganz unterschiedlichem Nutzungszweck: Hinter der dicken Tür wurde hier Hefe gezüchtet -hinter der dünnen Tür mit neuen Geschmacksrichtungen experimentiert. Ein bisschen vom früheren Geruch ist unten bei den alten Eichenfässern im Gewölbekeller noch zu schnuppern. Hier reifte der Wildeshauser Korn "Wittekinds Burgbrand", hier wurden "Choleratropfen", Rum, Whisky oder "Halber Hund" für die Reise in die Gastwirtschaften vorbereitet. Mit Handdruck war Flasche für Flasche abzufüllen, dann per Muskelkraft mit der schweren "Original Hassia" zu verkorken und schließlich mit Hilfe des Anleimers zu etikettieren. Drei Geschosse weiter oben, auf dem gemütlichen Kornboden, sind wir wieder in der Gegenwart angekommen. In Ausstellungen erinnern Bilder an vergangene Ästhetik. Da ist sie wieder, die schnaufende, kraftvolle und doch so faszinierend schöne Dampfmaschine.

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