Dienstag, 28. Juli 2015, 23:07 Uhr
Bräuche

„Bräuche, Traditionen und eine große Dorf-Familie“ - Bräuche sind im Ammerland besonders beliebt -

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Die Brauchtumspflege und Anwendung kommt oft und gerne bei Veranstaltungen um die Familiengeschichte zum Tragen. Da werden bei Hochzeiten Sprüche angewandt und Handlungen getätigt, über deren Sinn man eigentlich schon im Vorfeld gelesen haben müßte um sie richtig begreifen zu können.Eine große Dorf-Familie in Klauhörn.

Apen / Oldenburg Land Überall auf der Welt gibt es eingefahrene Rituale, Gewohnheiten, die als Bräuche und Traditionen ihren Lauf nehmen. Sie werden von der Bevölkerung gehegt und gepflegt und nur ganz selten verliert sich so ein Brauch gänzlich. In irgendeiner Variante bleiben Gewohnheiten, wenn auch in abgeänderter Form, bestehen. Auf dem Land gelten die Rituale wohl ein klein wenig mehr als in der Stadt und dort sind sie auch etwas mehr verbreitet und in den Tagesablauf integriert, wobei die geheimnisvolle Ursprungs-Bedeutung nicht selten viele Fragen unbeantwortet läßt.
Die Brauchtumspflege und Anwendung kommt oft und gerne bei Veranstaltungen um die Familiengeschichte zum Tragen. Da werden bei Hochzeiten Sprüche angewandt und Handlungen getätigt, über deren Sinn man eigentlich schon im Vorfeld gelesen haben müßte um sie richtig begreifen zu können. Von Ort zu Ort ist die Auslegung verschieden und mehr oder minder gut verständlich.
Als Ergänzung bei der Hochzeitsfeier entsteht vor meinen Augen immer noch als festverankerter Aspekt ein Bild mit einer Straßensperre, die einer Kutsche mit dem Brautpaar den Weg versperrt. Das war zwar schon vor ca. 60 bis 65 Jahren, aber solche Bräuche sind heute immer noch, oder auch schon wieder, bei Gastgebern und Gästen extrem beliebt.

Die Straßensperre, wobei ein dickes Tau über die Straße gezogen wurde, konnte erst entfernt werden, wenn der Bräutigam die lustige Meute mit Getränken und Süßigkeiten versorgt wußte, erst dann wurde die Weiterfahrt barrierefrei durchgeführt ( damals noch mit dem Pferdegespann) .
Nach meinen heutigen Recherchen dient der Brauch dazu, dem Brautpaar den Weg zur Kirche und zu dem damit verbundenen Segen zu blockieren.
Ich glaube, bei uns im Dorf war es damals so, daß der Brauch auf dem Weg von der Kirche nach Hause angewandt wurde. Da bin ich mir relativ sicher.
Das spielt heute aber wohl eher eine untergeordnete Rolle, denn es war der Brauch , den man zelebrierte. Man gab dem Hochzeitspaar in der geschmückten Hochzeits-Kutsche damit einen besonderen Rahmen.
Zur festlichen Tradition gehörte jahrelang auch die Tatsache, daß alle die zur Hochzeitsgesellschaft gehörten, sich am Nachmittag für ein professionelles Hochzeitsfoto aufstellten, das der extra herbestellte Fotograf bei besten Lichtverhältnissen aufnahm. Das war immer ein besonderes Highlight in den Nachmittagsstunden und jeder im Dorf hatte später so ein Foto in seinem Besitz.
Als 1955 meine Großeltern ihre Goldene Hochzeit feierten, da war ich gerade 10 Jahre alt, aber meine Erinnerungen an das Foto und das ganze Fest sind mir bis heute erhalten geblieben.
Ein üppig gebundener Haustürkranz mit den Gold-Schleifen, den die Nachbarn schon Wochen vorher angefertigt hatten, glänzte für alle gut sichtbar an unserem Eingang. Das "Kranzbinden" zählt im ländlichen Bereich schon zum eigentlichen Fest. Während der Fertigung ist es üblich, daß das Jubiläumspaar die Getränke und etwas zu Essen spendiert und da das Ganze dann in irgendeinem Nachbarhaus stattfindet, macht sich das Hochzeitspaar schon ein paar Mal auf den Weg zu der lustigen Schar, um die Nahrungsmittel,  und vor allem Getränke , zu überbringen und die "Kranzbinder"  bei fröhlicher Laune zu halten.
Am offiziellen Hochzeitstag kamen neben vielen anderen Gästen ,auch Vertreter der Gemeindeverwaltung in unser Haus, um ein Präsent abzugeben. Meistens bestanden solche offiziellen Präsente hauptsächlich aus einer Urkunde.
Im Jahr unserer Feier hatte Apens Gemeindedirektor Karl Janssen die Pflicht, diese Amtshandlung vorzunehmen.
Durch Zufall stieß ich einige Jahrzehnte später auf eine kleine Chronik, die der inzwischen verstorbene Karl Janssen über seine Dienstjahre verfaßt hatte und darin fand ich diesen Eintrag:

„ Damenwahl
Entgegen der sonstigen Gewohnheit war ich Anfang
der 50er Jahre zusammen mit dem Bürgermeister statt
Vormittags am Nachmittag mit dem Fahrrad zu einer Goldenen Hochzeit in Klauhörn gefahren.
Immer wenn wir aufbrechen wollten, rief eine der anwesenden
Frauen „Damenwahl“ und man forderte uns zum Tanz auf.
Das führte dazu, daß wir gegen Mitternacht immer noch anwesend waren.
Es muß dazu gesagt werden, daß die Goldene Hochzeit im Oktober war und neblig-trübes Wetter herrschte.
Außerdem waren die Wege noch nicht befestigt und beim Hause Eilert Meyer in Roggenmoor befand sich im Weg ein Wasserloch, welches von der einen Wegeseite bis zur anderen reichte.
Ich fuhr also in angeheitertem Zustand mitten in dieses Wasserloch hinein, fiel um und hatte ein Wasserbad.
Der Anzug war völlig verschmutzt und zu Hause wurde ich mit dem entsprechenden Kommentar empfangen.“


(es handelt sich hier um die Feier meiner Großeltern)

Karl Janssen war in unserer Gemeinde Apen als Gemeindedirektor sehr beliebt und ich begegnete ihm auch danach noch oft im privaten Umfeld, damals immer noch seine Verdienste um die Belange der Gemeinde sehr zu schätzen wissend.

Was die großen dörflichen Feiern anbelangt, so hat sich auch auf diesem Gebiet eine Menge verändert.
Früher gehörten in der Woche der Vorbereitung der größeren Familienfeste alle aus dem Dorf "einfach zur Familie". Es wurde gebacken, gekocht und Unmengen von Kartoffeln geschält.Alle halfen mit, man kochte Kaffee, servierte und bot Getränke an. Die Nachbarschaftshilfe war an solchen Tagen ein besonderes Geschenk.
Die große Diele oder die Scheune des Hauses wurde als Festsaal geschmückt mit langen Sitzbänken, meistends aus einfachen Holzbrettern, die auf geschichteten Ziegelsteinen Halt fanden und viel Platz boten für diejenigen, die sich auf der Tanzfläche vergnügen wollten während die übliche Live Kapelle ihre Weisen spielte.
Die Tanzfläche, eigentlich ja nicht zum Tanzen geeignet, war vorsoglich mit Waschpulver geschmeidig gemacht worden (ich glaube, daß es Waschpulver war).
Andere ließen es sich in den leergeräumten Zimmern des Hauses gutgehen, denn um Platz zu schaffen waren die Räume nur noch bedarfsmäßig mit einer Bestuhlung und den dazugehörigen Tischen bestückt, damit möglichst viele Gäste untergebracht werden konnten.
Alle anderen Möbel wurden für eine Zeitlang in externen Räumen zusammengerückt.

Wer ein solches Fest auf dem Land einmal miterlebt hat, der wird Zeit seines Lebens die Erinnerung daran behalten und vor allem, .......die riesigen bunten Torten , die damals in der Speisekammer standen, sie bedeuteten Glück und unbeschwerte Kindheit. Ich habe sie oft gebacken, aber immer fehlte eine Zutat:  eine Prise Kindheit.


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