"Ein Schlüssel-Erlebnis"
Kühlhäuser waren Mitte der 50er / Anfang der 60er Jahre vielleicht auch noch, eine gute Alternative zum herkömmlichen "Einwecken", was doch sehr viel mehr Arbeitseinsatz erforderte. So war es bei uns in der Gemeinde Apen und wie ich aus Erzählungen weiß, in vielen anderen Ammerland-Gemeinden auch.
Apen / Oldenburg / Westerstede
Man kann sich kaum noch vorstellen, daß man einmal ohne Gefrierschrank, Kühlschrank oder Fernseher überleben konnte. Wie soll das gehen, wenn man ohne diese Dinge, vielleicht sogar ohne Waschmaschine, die täglichen Arbeiten verrichten muß?
Mit der Zeit werden die Zeitzeugen schon rar, aber einige haben auch ihre Erinnerungen aufgeschrieben und uns daran teilhaben lassen, an dem, was noch vor einigen überschaubaren Jahren an der Tagesordnung war. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da wurden die ersten Elektroherde mit viel finanziellem Aufwand in die Küchen der Landbevölkerung integriert, ca. Mitte der 50er Jahre. Zu der Zeit muß es auch gewesen sein als das erste Kühlhaus in unserer Region, an der Ecke Post/Mühlenstraße in Augustfehn , eingeweiht wurde. (Geschäftshaus Hinrichs, später Apener Bank usw.). Zuvor war überall in der Gemeinde Apen, sowie auch bei uns in Klauhörn, alles was es zu bevorraten gab, in Weckgläsern haltbar gemacht worden. Beim Schweineschlachten, was damals noch in jedem Haus üblich war, wurden dann die Schinken herausgetrennt und in die Räucherei Meyer nach Apen gebracht. Ich war einmal mit meinem Großvater in diesem Räuchereibetrieb dabei. Irgendwie kann ich mich an eine Treppe nach oben erinnern, wo es sehr sehr „verräuchert“ war, unheimlich zwar, und..... obwohl man durch die dunstige und rauchgeschwängerte Luft kaum hindurchsehen konnte, gerochen hat es trotzdem gut.
Das übrige Fleisch wurde angebraten und in Weckgläser eingekocht. Auch „gewurstet“ wurde damals noch. Dabei kam es wohl auf ein exaktes, gleichmäßiges Drehen der Maschine an, damit keine Unebenheiten die Wurst fehlerhaft machten.
Das Einkochen bezog sich auch auf Obst und Gemüse. Alles mußte geputzt und vorbereitet werden, damit es im großen Bottich eingekocht werden konnte .Ich habe Bilder im Kopf von ganz vielen roten Weckringen und Klammern, mit denen die Gläser luftdicht abgeschlossen wurden.
Es war für jede Hausfrau eine Ehre,wenn man ihre vielen sauber aufgereihten Weckgläser auf der Kellerborte lobte.
Nachdem nun aber ein Kühlhaus eröffnet hatte, war jeder bestrebt, dort ein Fach anzumieten, so mußte das Gefriergut nur in Plastiktüten eingeschweißt werden und ab ging es ins Gefrierhaus. Man konnte Fächer in Varianten um 25, 50, oder auch größere Liter-Volumen mieten und bekam einen Schlüssel mit nach Hause.(So ganz exakt kann ich mich an die Größen der Fächer nicht mehr erinnern).
Wir mieteten auch so ein Fach an, es stellte damit auch für uns eine ungemeine Vereinfachung im Alltag dar.
Da Augustfehn immerhin 7 bis 8 km von Klauhörn entfernt ist, bot es sich an, daß ich auf dem Heinweg von der Schule , immer mal etwas aus dem Fach mitbrachte. Es lag ja auf dem Weg.
Meistens begleitete mich eine Mitschülerin , die den gleichen Heimweg hatte, oder auch schon mal mein Schulfreund Walter. Die Gefrier-Ware wurde in Zeitungspapier eingewickelt nach Hause getragen. In den Vorraum kam man ohne Schlüssel und der eigentliche Gefrierbereich mit den Fächern war durch eine dicke Hebel-Tür geschützt,allerdings auch ohne Schlüssel zu begehen, der galt nur für das einzelne Fach. Es war schon arg kalt in dem Haus , zumal wenn draußen Sommerwetter angesagt war. Dann spürte man die Kälte besonders heftig.
Zu Hause wurde das Ganze dann möglichst schnell verarbeitet und das Zeitungspapier wanderte in die Tonne. Oma benötigte es zum Anzünden des Kachelofens, der im Winter eine wohlige Wärme auf viele Räume des Hauses verteilte.
Meine Großmutter war nicht mehr ganz so fit, und ihre Augen sahen nur noch Umrisse; sie ließ es sich aber nicht nehmen sich an der täglich zu verrichtenden Arbeit zu beteiligen. Also überließ man ihr das Feuer-anmachen, worin sie wirklich sehr geschickt war und es auch schneller konnte als alle anderen.
Und da komme ich wieder zum Kühlhaus, vielmehr zum Schlüssel, der wie schon erwähnt nur in einer Ausführung in unserem Besitz war.
Er war verschwunden, eines Tages, wie vom Erdboden verschluckt und einfach nicht aufzufinden.
Bis meine Mutter den Kachelofen säuberte und die Asche wegtrug. Im letzten Moment sah sie einen Gegenstand aus der Asche ragen und fand den total ruinierten, verbrannten Schlüssel, der wohl nie mehr zum Einsatz kommen würde, wie ich aus der Entfernung zu wissen glaubte.
Oma hatte ihn mit dem Zeitungspapier aus der Tonne erwischt, so war er in der Glut verkohlt.
Meine Mutter schmirgelte und versuchte alles, es nutzte nichts, er war nicht wirklich als Schlüssel zu erkennen.
Warum sie nicht einfach hinging, um das Mißgeschick aus der Welt zu schaffen, ich weiß es nicht. Vielleicht war ihr das Ganze auch nur hochgradig peinlich, vielleicht der von früher bekannte übertriebene Respekt?
Was ich aber noch genau weiß , das ist die Tatsache, daß der Schlüssel noch funktionierte, war also keine Eile mit dem „beichten“ beim Kühlfach-Vermieter.
Den schwarzen Peter aber hatte ich an der Backe und mußte mit diesem peinlichen Schlüssel weiterhin hantieren. Ich achtete fortan strikt darauf daß keiner mit mir zusammen den Kühlraum betrat, obwohl ich das immer liebend gerne in Gemeinschaft gemacht hatte. Darüber wunderte man sich, aber ich habe wohl immer eine gute Ausrede gefunden. Im Geschichten erzählen war ich schon immer gut.
Wie das Ganze zu Ende ging, daran kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich weiß, daß auch wir eines Tages eine eigene Kühl-Truhe bekamen und somit das Kühlfach nicht mehr benötigten. Wie ich weiß, gab es auch noch ein Kühlhaus in Apen und auch in anderen Orten in unserer Gemeinde, sowie auch in den Nachbargemeinden.
Weil j e d e r Haushalt inzwischen eigene Gefriermöglichkeiten hatte, waren die Kühlhäuser nicht sehr lange in ihrer eigentlichen Funktion gefragt.Daß diese Art der Haltbarmachung sich so schnell für die normalen Haushalte mit finanzierbaren Möglichkeiten durchgesetzt hatte, das hatte man beim Bau der Kühlhäuser noch nicht vorausahnen können.
Jetzt galt es andere Nutzungsmöglichkeiten zu finden. Und man war flexibel, die ehemaligen Kühlhäuser haben eine wirtschaftlichere Verwendung in den einzelnen Gemeinden gefunden.
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