Freitag, 08. Januar 2016, 10:57 Uhr
Lebenserinnerungen / Dorfleben / Winter

Wintererinnerung

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Was früher gut war, ist heute nicht mehr so einfach.

Apen / Edewecht / Westerstede Ich kann mich trotz meines hohen Alters noch sehr gut an meine Kindheit erinnern. Im Winter warteten wir auf Schnee und Minustemperaturen, damit das Wintervergnügen endlich los gehen konnte. Der Schlitten wurde schon mal ganz nach vorne in die Garage gestellt, damit man bei Bedarf nicht erst lange suchen musste. Die Schlittschuhe, sofern man welche hatte, wurden entstaubt und entrostet. Mama kontrollierte nochmal Mütze, Schal, Handschuhe. Den besten Platz für den Schneemann kannten wir sowieso, aber war das nötige Equiqument auch zuhause? Möhre, Grillkohle und Plastikeimer? Letztes Jahr mussten wir doch improviesieren. Ein Bambusstock als Nase und die guten Knöpfe aus Mamas Nähkasten als Augen. Konnte man machen, aber richtig richtig sah das nicht aus und den Wischeimer brauchte Mama auch wieder.
Dann endlich war es irgendwann soweit. Nicht jedes Jahr, aber doch so dann und wann. 
Jetzt ging es los. Warm einpacken, die warme Unterwäsche sieht ja Gott sei dank keiner und dann erstmal alle Freunde einsammeln. Die erste Schneeballschlacht kam dann von selber. Nicht jeder hielt sich an die Regeln, aber dann war das so. So, jetzt eine Glitschbahn bauen. Irgendjemand wußte eine Weide, die ordentlich Überflutet war. Hin da. Reichten die Minustemperaturen schon aus, um die Horden von Kindern zu halten? Erstmal einen Stock suchen. Keiner da? Na gut, dann musste der Baum einen hergeben. Der Anführer, jede Gruppe braucht einen Chef, ging vorraus und testete wie haltbar und dick das Eis schon war. Perfekt! Alle Mann ihm nach. Jeder weiß, wie man Eis vorbereitet. Von Schnee befreien, möglichst glatt polieren und dann baut man die beste Glitschbahn weit und breit. Mit Schlitten Schlittschuhen, Winterstiefeln nicht so gut, und dem Hosenboden ging es dann von einer Seite der Eisfläche bis zur anderen Seite.  Stunden lang. Man wußte ja nicht wie lange die Pracht blieb. Am nächsten Tag konnte doch schon alles vorbei sein, oder irgendwelche fiesen Großen zerstörten das Eis am Abend, so daß wir am nächsten Tag eine Eisberglandschaft vorfanden. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. 
Unsere Eltern freuten sich für uns, wenn diese Zeit endlich gekommen war und wir, zwar dreckig, nass und völlig durchgefroren, abends nach hause kamen und viel zu erzählen hatten.
Keiner störte sich daran. Am Wochenende kamen oft genug auch Eltern mit. Mal gucken, wo die Gören die Woche über waren. 
Sollte es wirklich einmal zu wirklich schweren Verstößen gekommen sein, wurde es unter uns geregelt, oder unsere Eltern wurden informiert. Das gab dann einen Anschiess! Aber meistens sahen wir Fehler schon vorher ein und entschuldigten uns, oder brachten die Sache anders wieder in Ordnung. Besser so, als wenn Mama und Papa sich noch einmischen.
Heute ist das alles nicht mehr so einfach. Auch auf dem Dorf kann Kind nicht einfach so mehr auf Wiesen gehen und schlittern. Leider. Wir müssen unseren Kindern erklären, daß es Weiden gibt, auf denen sie ihre Bahnen bauen dürfen und Weiden, die sie nicht betreten dürfen. Nicht so leicht, wenn man nicht weiß, wem welche Weide gehört und wen man ansprechen muss. Es gibt ja auch noch Verwalter oder Pächter, die angesprochen werden wollen. Leider sind die Weiden, die benutzt werden dürfen, auch nicht immer im Revier. Jedes Dorfkind weiß, das es Reviere gibt, die respektiert werden müssen. 
Na ja! Jetzt ist das Vergnügen ja sowieso wieder vorbei. Jetzt freuen wir Mamas uns auf kalte, dreckige und völlig durchnässte Kinder, die hoffentlich nicht auf irgendeinem Grundstück Mist gebaut haben. Und wenn doch, kann man mit unseren Kindern reden, oder auch gerne mit uns Eltern. Wir vom Dorf kennen uns doch und können ordentlich miteinander sprechen. Wie es auch schon zu meiner Kindheit war.

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