Mittwoch, 06. Juli 2011, 14:18 Uhr
Wer schreibt / der bleibt.

Der Glücksfall

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Erinnerungen

Rastede Was bedeutet Glück in unserer heutigen Zeit? Ich bin glücklich, weil ich noch gesund bin und dass das für meine 58 Jahre nicht unbedingt selbstverständlich ist. Ein Glück, dass ich eine gesunde Tochter, einen lieben Schwiegersohn und zwei fidele Enkelkinder habe, eben eine kleine glückliche Familie. Glücklich bin ich auch darüber, dass mein behinderter Sohn endlich ein Heim gefunden hat, in dem er vielleicht doch noch sein Glück findet. Meine Eltern, beide weit über 80 Jahre alt, genießen glücklich ihren Lebensabend und da gibt es noch meine sechs Jahre jüngere Schwester, die hoffentlich glücklich verheiratet ist. Ich denke, dass meine beiden Jack Russell Damen, Lissy und Lotte, bei mir glücklich sind und zu meinem vollkommenen Glück fehlte mir eigentlich nur noch eine dicke Freundin und da fängt meine Geschichte an. 
Das Studium meines verstorbenen Ehemannes hatte unsere kleine Familie, vor etwa zwanzig Jahren, in den hübschen Ort Rastede umziehen lassen. Immer auswärts berufstätig, fand ich so gar keinen Anschluss in meinem neuen Wohnort. Da gab es natürlich die Nachbarn, die immer hilfsbereit und uns freundlich zu getan waren und die netten Arbeitskolleginnen in Oldenburg. Die Kolleginnen kamen aber eben nicht aus Rastede. Es waren „Auswärtige“.  Mein Ehemann, eher ein Familienmensch, ließ auch, sicher nicht absichtlich, kaum neue Bekanntschaften zu und so lebten wir, miteinander und füreinander,  glücklich in Rastede. Bis mein Ehemann starb. Natürlich war das kein Glück für mich, aber nach ein paar Jahren auch kein Unglück mehr.
Da gab es  meine beiden Hundedamen, übrigens Geschwister, die ich ein viertel Jahr nach dem Tod meines Ehemannes in mein Haus holte und da gab es  auf einmal das „Internet“. In dieser Reihenfolge.
Was ich nie für möglich gehalten hatte, ich lernte allmählich die Rasteder kennen. Das lag aber mehr an Lissy und Lotte, als an mir.  Auf meinen vielen Hundespaziergängen knüpfte ich Bekanntschaften zu den Bürgern und fing an, meinen Wohnort mit anderen Augen zu sehen. Wir erkundeten zusammen die Ortsmitte mit seinen vielen kleinen Einkaufsmöglichkeiten, den Ellernteich, den Schlosspark und auch die regelmäßigen Veranstaltungen, wie das Mittelalterlich Spectaculum, diverse Flohmärkte, die Musiktage, das Landesturnier, das Sandbahnrennen, wieder ein Pferderennen und das Schlittenhunderennen in Rastede. Ungefähr auch in dieser Reihenfolge.
Die aufregenden Erlebnisse und die netten Gespräche mit den Bürgern, auf meinen täglichen Touren in Rastede, brachten mich auf die Idee, alle Abenteuer nieder zu schreiben. Das wurde nun, nach meinen Hunden, zu meiner zweiten Leidenschaft. Meine Homepage im weltweiten Internet.
Der gewünschte Erfolg, dass meine beiden Jack Russell Damen und ich in die Weltgeschichte eingehen sollten, blieb leider aus. Zwar erhielten wir nette Kommentare im Gästebuch, diese kamen aber hauptsächlich aus der Familie. Beim regelmäßigen Stöbern auf allen möglichen Internet Seiten, vielleicht hatte ich etwas übersehen, landete ich eines Tages auf der Seite einer Singlebörse. Ich hätte lieber auf die vorwurfsvollen Blicke meiner Hunde achten sollen, aber Tiere guckten doch immer so. Nach etlichen An- und Abmeldungen auf den verschiedensten Partnerbörsen, mehreren Verabredungen mit kleinen, großen, dicken und schlanken Männern zum Kaffee, in Begleitung meiner Jack Russell Damen,  kam ich endlich zu dem Entschluss, ich musste mich entscheiden. Das „Oh“ oder “Ah“ und die Frage, ob die Hunde zu mir gehörten und man täglich mindestens zweimal mit besagten Damen spazieren gehen müsste, machte mir die Wahl nicht schwer. Meine Hunde oder ein Mann. Da meine beiden Hundedamen immer gute Laune hatten, immer fraßen, was auf den Tisch kam, nie fragten, ob ein Mann ein- oder zweimal spazieren gehen möchte,  fiel mir meine Wahl nicht schwer. Um meinem Entschluss Nachdruck zu verleihen, lief ich an diesem Tag nicht die fünf Kilometer, sondern die zehn Kilometer Strecke durch den Schlosspark und wir „Drei“ konnten nach langer Zeit endlich wieder frei durch atmen.
Drei Tage und drei Nächte.
Nach drei langweiligen Abenden ohne Internet, Lissy und Lotte,  schliefen schon, schlich ich mich spät abends leise in das Wohnzimmer und drückte vorsichtig den Power Knopf.  Leises Surren verursachte eine leichte Gänsehaut auf meinem Körper, Windows öffnete sich. Nur mal eben schauen, was es Neues gibt Worldwide. Dabei lag die nicht gelesene Tageszeitung aus dem hiesigen Ammerland bei mir auf dem Küchentisch. Der Computer forderte mein Kennwort und die Sucherei ging los. Was war das noch gleich, vielleicht der Mädchenname meiner Mutter, irgendeine seltene Pflanze oder etwa ein Geburtsdatum? Ein kurzer Gedanke durchzuckte meinen Kopf, vielleicht doch lieber die Zeitung? Mein Ehrgeiz siegte und mein Gedächtnis ließ mich nicht im Stich, nach dem vierten Anlauf wurde ich eingeloggt. Ich wurde enttäuscht, nur Werbung im e Mail Postfach und mein Online Banking versprach auch nichts Gutes. Trotzdem googelte ich weiter, um eventuell Neues aus der Welt oder über Rastede zu finden und ich fand wirklich eine Seite, die mein Leben verändern sollte. 

Das Portal 
 

Werden Sie Autor, schreiben Sie über Ihre Erlebnisse am Urlaubsort, über Rastede, über Ihre Kinder oder Ihre Haustiere. Na, dachte am Anfang, wieder so ein Portal, wo Erlebnisse, Gedanken und erlebte Abenteuer im Nichts des weltweiten Internets verlaufen. Da diese Seite von der hiesigen Zeitung in´ s Leben gerufen worden war und für eine Anmeldung keine Kosten entstanden, wagte ich den Schritt. Ich hinterließ Adresse und Telefonnummer und konnte mich so, durch ein schon angemeldetes Mitglied, einem so genannten N@chbarn, frei schalten lassen. Endlich hatte ich meinen Arbeitsplatz gefunden und konnte frei nach Lust und Laune meine Erlebnisse anderen Bürgern aus Rastede mitteilen. Meine Hundedamen willigten schließlich in mein Vorhaben ein und tatsächlich wurde meine Schreiberei ein Erfolg. Ich bekam nette Kommentare, die Geschichten wurden in einer kleinen Zeitung abgedruckt und ich lernte andere Verfasser von Artikeln kennen. Noch rein virtuell  las ich die Interessen und Vorlieben anderer Autoren aus Rastede oder den umliegenden Ortschaften im Ammerland und ich stieß immer wieder auf die Kommentare einer gewissen Ingrid Schulz. 
Für mich war Frau Schulz am Anfang eine eher zurückhaltende und schüchternde Person, bis sie eines Tages auf besagtem Portal, mit einem Artikel zum „Woodstock Treffen“ in Rastede aufrief und mir die Kinnlade herunter fiel. Die vielen Kommentare, die große Resonanz und das folgende Durcheinander auf diesen Artikel verwunderten mich ein bisschen.  Auch ich bekam eine Einladung, doch nach Flower Power und Hippie Gedrängel stand mir nicht der Sinn. Nun war ich endlich den Singlebörsen entflohen und ich sah mich schon wieder nackend,  dicht bedrängt, mit Blumen im Haar auf dem Turnierplatz in Rastede, bei Gitarre und offenem Lagerfeuer, tanzend und singend als Hippie Oma.  Ein Plakat für die spontane Veranstaltung von Ingrid, war schnell von virtuell begeisterten Anhängern der Flower Power Zeit entworfen und die Beteilung schien groß.
Der Traum von Ingrid Schulz zerplatzte. Zu meiner Zufriedenheit und auf Grund einer anderen Veranstaltung auf dem Turnierplatz, wurde das spontane Fest, spontan abgesagt. Aber Frau Schulz ließ nicht locker. Man wollte sich nun ohne Zwang am nächsten Mittwoch vor der St.- Ulrichs- Kirche in Rastede treffen. Wer nicht kam, war Frau Schulz. Zu ihrer Verteidigung muss ich sagen, dass sie einen wichtigeren Termin hatte. Sie wurde spontan zum zweiten Male Oma.
Wir anderen Anhänger der Flower Power Zeit unterhielten uns angeregt über Ingrids Idee, Fotos wurden geschossen, wir wechselten die Straßenseite, nahmen Platz  im griechischen Lokal, gegenüber der Kirche und weitere Treffen wurden besiegelt. Fortan wollte sich die virtuelle N@chbarschaft auch im realen Leben treffen.
An besagtem Abend lernte ich Silke in der kleinen Hippie Runde kennen, die auch stolze Besitzerin einer Jack Russell Hündin war. Wir freundeten uns sofort an und Spaziergänge mit den Hunden, waren schnell geplant. Also widmete ich mich am nächsten Tag erst einmal wieder den beiden Hunde Geschwistern, Lissy und Lotte. Wie oft musste ich die Frage:" Sind das Zwillinge?" auf meinen Touren in Rastede beantworten und da gab es noch ein anderes Hindernis, das jeden Tag mindestens zwei Mal überwunden, bzw. überschritten werden musste. Der Bahnübergang an der Schlossstraße. Da ich an diesem Tag mehr Lust zum Schreiben, als zum Singen hatte, entstand ein neuer  Artikel für das Internet Portal der hiesigen Tageszeitung:
                     "Geschwister werden Zwillinge"
Seit diesem Artikel waren meine Hunde und ich ortsbekannt in Rastede. Wo wir auch liefen, hielten und verweilten, hörte ich wohlwollendes Lachen hinter meinem Rücken;“ Ach, da sind die Zwillinge!“
Meine Damen beruhigten sich allmählich wieder von dem Trubel, nicht so Frau Schulz. Als frischgebackene Oma lud sie zum nächsten Treffen, selber Tag, selbe Uhrzeit, uns, ihre Woodstock Fans ein. Nachdem einige Interessierte etwas planlos nach dem nötigen Kleingeld für den Griechen ihren Geldbeutel durchsuchten, hatte Ingrid die nächste grandiose Idee:“ Wir treffen uns bei mir, für Wasser und Kaffee wird gesorgt. So verwandelte sich „Woodstock“ nun, dank einer N@chbarin aus dem Internet Portal, langsam in „Rastock“ und Ingrids Wohnung über der Zahnarztpraxis wurde zum Rastocker Haus. Wenn auch immer wieder ein Mitglied der Rastocker absprang, so war beim nächsten Treffen ein neuer Neugieriger dabei. Woodstock  war out und Rastock in. Ingrid präsentierte uns ihre selbst geschriebenen Songtexte, zum Beispiel den Rasteder Blues.  Was fehlte, war die passende Melodie und diese sollte ein klein wenig anders klingen, als die vom Heimatverein gesungene Hymne an Rastede. Es brodelte gewaltig in unseren Köpfen und ungeahnte N@chbar Talente ließen Ingrids Vorhaben immer mehr Gestalt annehmen.

 Fortsetzung folgt.......

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