Lebendiger Kirchturm
St.-Ulrichskirche Rastede erhält die „Lebensraum Kirchturm“-Plakette vom Naturschutzbund (NABU)
Rastede / St.-Ulrichskirche / Lebensraum Kirchturm
Vor fast einem Jahr haben die Aktiven des NABU Rastede die vergitterten Gebälknischen am Kirchturm der St.-Ulrichskirche geöffnet und 8 Nistkästen für Dohlen im Kirchturminneren an die Öffnungen angebracht. Im Sommer wurde Aktion noch durch einen Turmfalkenkasten gut sichtbar an der Turmnordseite ergänzt.
Die Vergitterung ist hauptsächlich als ein Schutz gegen das Eindringen von Tauben und deren Hinterlassenschaften vorgesehen. Aber auch Dohlen als Höhlenbrüter dringen durch Öffnungen und Schlitze in das Innere und tragen solange Nistmaterial ein, bis ihr Nest vollständig ist. Das führt in der Regel zu großen Ansammlungen von kleinen Ästen in den oberen Etagen des Turmes, welches nur mit großem Aufwand entsorgt werden kann.
Nur wenige Tage nach dem Anbringen der Nisthilfen inspizierten die neugierigen geselligen Koloniebrüter ihre neuen Brutmöglichkeiten. Im Verlauf des Frühjahres konnten die eifrigen Altvögel bei der Herrichtung ihrer Nester beobachtet werden. Ob auch die Turmfalken in diesem Jahr das neue Zuhause annehmen werden, und ob dann die Dohlen ihre neuen Nachbarn dulden, bleibt zu hoffen übrig.
Die Nähe zum von alten Bäumen beherrschten Rasteder Schlosspark mit dem offenen Landschaftsbild ist nicht nur ein geeigneter Lebensraum für Dohlen, sondern auch für nächtliche Jäger wie Eulen und Fledermäuse. Wer an lauen Septemberabenden des letzten Jahres einen Spaziergang am Friedhof unternahm, konnte das klägliche Schnarren von Jungtieren der Schleiereule vernehmen. Hoch oben und tief im Laub der alten Friedhofsbäume versteckt bettelten sie aus mehreren Richtungen um Futter. Aber wo hatten sie nur ihr Nest? Mit dem Neubau des neuen Gemeindehausanbaus im Herbst haben NABU-Aktive in der Dachspitze einen Schleiereulenkasten angebracht, welcher durch eine Giebelöffnung zugänglich ist. Sollten die Schleiereulen diesen etwa schon während der Baustellentätigkeiten genutzt haben?
Zur Reinigung der Dohlenkästen im Spätherbst erwartete man mit Spannung, was die Naturschützer in den Kästen vorfinden würden. Von den acht Kästen waren sieben belegt. Der achte Kasten wurde nicht waagerecht, sondern hochkant aufgehängt und blieb vermutlich wegen der kleineren Grundfläche leer. Sechs von den übrigen Kästen waren mit viel Geäst und spärlich Moos ausgepolstert, was eindeutig auf Dohlennester schließen lässt. Das Nest eines weiteren Kastens war anders aufgebaut: Anscheinend hatten hier Dohlen mit Geäst begonnen. Der obere Teil war dann allerdings weitaus mehr gepolstert. Und dann fanden die Naturschützer etwas, was eigentlich unglaublich ist: Zwei Gewölle* von einer Größe, die eindeutig einer Schleiereule zuzuschreiben ist. Eine Schleiereulenfeder im Turminneren ist ein weiteres Indiz. Das Rätsel der schnarrenden jungen Eulen scheint gelöst. Sie haben sich also mit den Dohlen auf engem Raum auf eine Lebensgemeinschaft eingelassen. Ein toller Erfolg!
Im Herbst 2015 wurde die St.-Ulrichskirche - wie auch zuvor schon der St.-Marienkirche Rastede für ihr erfolgreiches Turmfalkenprojekt - mit der „Lebensraum Kirchturm“-Plakette ausgezeichnet.
*Als Gewölle oder Speiballen werden die von vielen Vogelarten (vor allem von Greifvögeln) ausgewürgten unverdaulichen Nahrungsreste (Knochen, Federn) bezeichnet.
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