Freitag, 03. Februar 2023, 15:04 Uhr
Bahnhof / Personenverkehr / Eisenbahn

Das Ende des regulären Personenverkehrs im Bahnhof Westerstede

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Außerplanmäßige Passagierfahren: Betriebsausflug zur Bundesgartenschau, winterliche Busersatzfahrten auf der Schiene, Stadtjubiläum, Museumseisenbahn.

Westerstede / Augustfehn / Ellenserdamm Vor einer Weile kam in einer Unterhaltung die Frage auf, wann eigentlich der reguläre Personenverkehr im Bahnhof Westerstede eingestellt wurde. Eine Möglichkeit, dem auf den Grund zu gehen, ist es, im Online-Archiv der NWZ nach entsprechenden Berichten zu suchen. Dabei stellt sich heraus, dass das Ende des Eisenbahn-Personenverkehrs eher schleichend kam, indem offenbar schrittweise der Zugfahrplan ausgedünnt wurde.

So erschien am 20. Mai 1952 in den „Ammerländer Nachrichten“ ein Bericht, laut dem nun, wie es in der Überschrift heißt, die „Holzklasse“ mit dem Polstersitz vertauscht würde. Genauer geht es darum dass nun auf der Strecke zwischen Ocholt und Ellenserdamm, an der Westerstede lag, statt neun in Zukunft nur noch drei ganz durchfahrende Züge auf dem Fahrplan standen. Ansonsten verkehrten ab sofort neue rotlackierte Omnibusse der Bundesbahn zwischen Moorwinkelsdamm, Eggeloge, Linswege, Westerstede, Südholt und Ocholt.
Etwa eineinhalb Monate später am 5.7.1952 beschäftigte sich die NWZ noch einmal mit dem Westersteder Bahnhof. Insbesondere geht es in dem Bericht es um dessen „Sonntagsschlaf“. Denn an diesem Wochentag war das Bahnhofsgebäude nun ganz geschlossen. Es gab also keinerlei Möglichkeit, Fahrkarten zu kaufen, eine Fahrplanauskunft zu erfragen oder Gepäck aufzugeben. Das galt auch für Sonntage mit großen Veranstaltungen und vielen auswärtigen Besuchern im Ort. Sie konnten auch Westerstede nicht mit dem Zug verlassen, da am Sonntag überhaupt keiner mehr fuhr. Der Bahnhof sei „im Personenverkehr – keineswegs jedoch im Güterverkehr! – zur Bedeutungslosigkeit verurteilt“. Der Verfasser empfindet das ingesamt als einen „seltsamen Zustand in einer Kreisstadt“ und beklagt außerdem, dass selbst an Werktagen der Bahnhof schon um 18 Uhr schloss.
Am 27.4.1954 konnten dann die Zeitungsleser einer recht kurzen Notiz unter der Überschrift „Gleisumbau mit Kränen“ entnehmen, dass es nun wirklich Schluss war mit dem regulären Personenverkehr im Westersteder Bahnhof - oder wie es im Artikel heißt: „Nach dem Fahrplanwechsel wird der Bahnhof Westerstede in erster Linie dem Güterverkehr dienen“. Es sollten noch hohe Signale entfernt werden, und eine doppelte Weiche wurde bereits durch eine einfache ersetzt, wodurch offenbar leichter Waggons an den Güterschuppen herangefahren werden konnten.

Das hieß aber nicht, dass fortan überhaupt keine Passagierzüge mehr verkehrten. So ging im Juni 1955 eine außerplanmäßige Fahrt mit 450 Gartenexperten vom Westersteder Bahnhof aus nach Kassel zur Bundesgartenschau. Eingesetzt wurde „ein Verwaltungssonderzug mit Gesellschaftswagen, Speisewagen, Radio- und Schallplattenübertragung“. Die „Ammerländer Nachrichten“ berichteten am 21.6. in einem reich bebilderten fast ganzseitigen Artikel über diesen „Betriebsausflug“ Zu Beginn heißt es dort: „Der seit Jahren vom Personenverkehr verwaiste Bahnhof Westerstede schien am frühen Morgen des 17. Juni aus seinem Dornröschenschlaf erwacht“. Abfahrt war 5 Uhr morgens, die Wiederankunft um 2.30 Uhr in der Nacht.

Mein Vater erinnert sich, dass während seiner Schulzeit auch er noch einmal in den Genuss von außerplanmäßigen Zugfahrten von und nach Westerstede kam. Er besucht zwischen 1955 und 1959 in Augustfehn die Realschule. Eine solche gab es damals in Westerstede noch nicht. Normal fuhren die Schüler mit Bussen dorthin oder im Sommer auch mit dem Fahrrad. In einem der Winter jedoch waren die Straßenverhältnisse durch Schnee- oder Eisglätte so gefährlich, dass man den Busverkehr einstellte. Stattdessen organisierte man für die Schüler eine Art Busersatzverkehr auf der Schiene zwischen Westerstede und Ocholt. Von dort ging es dann mit einer regulären Zugverbindung weiter. Zunächst kam eine so genannte „Köf“ zum Einsatz, an die ein Passagierwaggon gehängt wurde. Diese Art Lokomotive ist aber eigentlich für den Güterverkehr bzw. Rangierdienst gedacht und nicht für Passagierzüge, und es gab offenbar keine Möglichkeit, den Waggon zu heizen. Dagegen protestierten die Schüler allerdings! Der wichtigste Grund war eigentlich, dass man in der Kälte während der Fahrt nicht mehr ordentlich seine „Hausaufgaben“ erledigen konnte. So kam schließlich stattdessen ein (beheizbarer)Triebwagen bzw. Schienenbus zum Einsatz, von ähnlicher Art, wie sie später auf der Strecke von der Museumseisenbahn Ammerland-Saterland gefahren wurden.

Auch danach noch - bis schließlich der Westersteder Bahnhof gänzlich vom Bahnverkehr abgeschnitten und dann die übrige Bahnstrecke nach Ocholt nur noch für den Draisinenverkehr genutzt wurde - kam es immer wieder zu Sonderfahrten mit Passagieren. Ein der Abbildungen zu diesem Artikel zeigt drei Fahrkarten, die beispielhaft von solchen Fahrten Zeugnis ablegen.
Da sind zum einen zwei Tickets für eine Oldtimerfahrt am 2.6.1973 von Westerstede nach Oldenburg. Das war also vor etwa 50 Jahren und wurde veranstaltet im Rahmen der Feierlichkeiten zum 850-jährigen Stadtjubiläum. Zum jetzt anstehenden 900-jährigen Jubliläum wird das so sicherlich nicht wieder geschehen. Der Verfasser dieses Beitrags war übrigens bei dieser Fahrt schon mit dabei. Er benötigte aber keine eigene Fahrkarte, da er noch nicht geboren war. Einige alte Aufnahmen im Oldenburger Medienarchiv (bitte dem Link und folgen und Suchwort "Westerstede" eingeben) zeigen zum einen die damals eingesetzte Dampflok und einen Waggon im Oldenburger Bahnhof im Mai 1973 bei der offiziellen Vorstellung der Sonderfahrten anlässlich des Westersteder Jubiläum. Zum anderen gibt es dort Bilder von dem Dampfzug am 2.6. im Oldenburger Bahnhof und während der Fahrt.
Und schließlich wissen wohl noch viele, dass die Museumseisenbahn Ammerland-Saterland einige Jahre, solange sie es durfte, auf der Strecke von Westerstede nach Ocholt verkehrte. Dabei fuhren, wie gesagt, Schienenbusse von ähnlicher Art, wie sie damals schon bei dem winterlichen Busersatzverkehr für Schüler eingesetzt wurden. Das Ticket stammt von einer solchen Veranstaltung am 19. Juni 1999. Als damals im Ocholter Bahnhof die Museumseisenbahn einen Zwischenhalt machte und ihre Passagiere zwischen durch ausstiegen und gleichzeitig auch reguläre Züge ankamen und abfuhren,war es dort so belebt wie selten.

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