Freitag, 25. Oktober 2019, 16:16 Uhr
Franzosenzeit / Zöllner / Kirchenbücher

Kaiserliche Zöllner und ein Barßeler Napoleon

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Kleine Spurensuche in katholischen Taufregistern der Franzosenzeit.

Westerstede / Oldenburg / Barßel Im frühen 19. Jahrhundert brachte der französische Kaiser große Teile Europas unter seine Kontrolle - einschließlich des Oldenburger Landes und Ostfrieslands. Um den Gegner England in die Knie zu zwingen, wollte er den Handel mit den britischen Inseln durch die so genannte Kontinentalsperre unterbinden. Freilich blühte auch in unserer Region dadurch das Schmuggelwesen auf.
In letzter Zeit erfreut sich unter Geschichtsfreunden der Schmuggel in der Franzosenzeit durchaus einigen Interesses. So erschien z.B. im letzten Jahr zu dem Thema im Isensee Verlag ein Buch von Dieter Meiners. Und vor ein paar Jahren stellte man bei Vreschen-Bokel eine Infotafel über den dortigen historischen „Schmuggelpadd“ auf (vgl. Mein-Westerstede-Beitrag vom 1. Juni 2015).

Zur Bekämpfung des Schmuggels waren die Franzosen gezwungen, verstärkt Zöllner, auf Französisch „douaniers“ einzusetzen. Die kamen, so sollte man annehmen, vielfach aus dem französischen Mutterland und waren wohl häufig von Hause aus von römisch-katholischer Konfession. Das sollte sich auch in Kirchenbüchern der damals schon existierenden katholischen Gemeinden widerspiegeln – z.B wenn sie ein Kind bekamen und es taufen lassen wollten.
Nun sind seit kurzem auch die Kirchenbücher des Offizialatsbezirks Vechta eingescannt und online verfügbar, so dass man dort recht einfach einmal einen Blick hineinwerfen kann.

Wenn man sich nun z.B. in den Taufregistern der Kirche St. Peter in Oldenburg umschaut, wird man tatsächlich fündig:
Am 16. August 1813 ließ dort Louis Joseph Brodin seine Tochter Marianne Josepha taufen. Er war Unterleutnant beim Zoll („souslieutenant duanier“) und in Westerstede ansässig. Damals war St. Peter in Oldenburg von Westerstede aus eines der nächstgelegenen katholischen Gotteshäuser. Als Kindsmutter wird im Taufregister Angelique geb. La Porte angegeben. Narcissus Josephus Brodin, der Bruder des Kindsvaters und ebenfalls Zöllner, war einer des Taufpaten.

Im Internet (z.B auf www.openarch.nl) erfährt in diesem Fall sogar noch mehr über die kleine Familie. Offensichtlich hatten sie, bevor sie nach Westerstede kamen, u.a. in dem Ort Woudrichem in der niederländischen Provinz Brabant gelebt. Dort ist auch die Heirat von Louis Joseph Brodin und Angelique Joseph de la Porte, so anscheinend ihr vollständiger Name, am 16. Juli 1811 verzeichnet. Geboren wurde der Bräutigam 1783 in der heute belgischen Stadt Genk und die Braut 1788 im nordfranzösischen Pérenchies nahe Lille. Auch die Namen der Eltern der beiden sind angegeben, u.a. ein Antoine de la Porte als Brautvater.
Circa 4 ½ Monate später am 3. Dezember des Jahres erblickte ebenfalls in Woudrichem eine Tochter der Jungvermählten mit Namen Sophie das Licht der Welt. Auch die beiden verzeichneten Zeugen für die Geburt trugen französisch klingende Namen: Antoine de la Porte (vermutlich der Großvater oder ein Onkel des Neugeborenen) und Nicolas Dardenne. Bei beiden Männern ist als Beruf Zoll-Leutnant angegeben.

Der erwähnte Narcissus Joseph Brodin taucht im Oldenburger Taufregister noch einmal als Pate auf, und zwar am 23.12.1811 bei der Taufe des Mädchens Marie Louise, Tochter des Zöllners Jean Louis Thouille.

Am 6. November 1813, weniger als drei Monate nach der Taufe der kleinen Marianne Josepha, nahmen übrigens Kosaken nach einem Gefecht die auf dem Westersteder Kirchhof lagernden französischen Soldaten gefangen. Damit endete in Westerstede die Franzosenzeit.

Wenn man von Westerstede aus sein Kind katholisch taufen lassen wollte, konnte man das damals, wie berichtet, in Oldenburg tun. Doch auch Barßel war offenbar eine Option:
So ließen dort am 31. März 1812 Johann Benneng, „Douanier zu Westerstäde“, und Ehefrau ihr Kind Barbara taufen. Ähnlich machten es (jeweils mit Frau) Jean Baptiste Berthe, Zoll-Unterleutnant in Apen, am 4.12.1812 und der Zöllner Adrian Joseph Peters Laurettin aus Stickhausen am 5.9.1813.
Am 19. Mai 1812 fand sogar ein kleiner Napoleon den Weg in die Barßeler Kirche, genauer Napoleon Silvester Dominicus, jüngst geborener Sohn des Zöllners Jean Desiré Gratenoy und seiner Frau Marguerite Veronique. Diese Familie war offenbar ihrem Kaiser besonders zugetan.

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