Freitag, 15. November 2013, 16:01 Uhr
Poesiealbum / Nijman / van der Putten

Was ein altes Poesiealbum zu erzählen vermag

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Eine kleine Familiengeschichte

Westerstede / Westerloy / Bremerhaven Mancheiner hat bei sich zu Hause wohl  noch ein altes Poesiealbum, etwa von seiner Großmutter. Auch wenn man sich für die niedergeschriebenen Verse eher weniger begeistern kann, lohnt es sich vielleicht doch, sich einmal näher damit zu beschäftigen. Da stehen nicht unbedingt nur die Namen derjenigen Personen, die Einträge geschrieben haben. Hinzukommen können auch Ortsangabe und Datum. Und eventuell liest man dazu noch, in welchem Verhältnis die Personen zur Besitzerin des Albums standen: Vater, Mutter, Bruder, Tante, Onkel, "Konfirmator"/Pfarrer, Mitkonfirmandin, Lehrer, Mitschülerin, Freundin etc. Somit spiegelt sich hier auch ein wenig die Geschichte der eigenen Familie wider.

Auch von meiner Großmutter Grietje geb. Nijman (1909-1972), die lange in Westerstede lebte, ist ein solches Büchlein erhalten. Geboren wurde sie in Bremerhaven als Kind niederländischer Schiffer. Die Eltern stammten aus der Provinz Groningen und hatten sich irgendwann in der deutschen Hafenstadt niedergelassen. Der 1885 geborene Vater Geert Nijman starb früh, Jahr 1909, dem Geburtsjahr dem Tochter. Die Mutter Janna geb. van der Putten (1890-1951) heiratete dann bald den aus Westerloy stammenden Friedrich ("Fritz") Lehmkuhl (1885-1966). Dieser habe seinen eigenen Erzählungen zufolge schon als etwa 10-jähriger in Moorburg auf einem Bauernhof gearbeitet. Später ging er dann nach Bremerhaven. Er betritt seinen Lebensunterhalt als Arbeiter im Hafen und schließlich dann als Schleusenwärter bei der Kaiserschleuse. Er und Janna bekamen noch einen Sohn namens Friedrich (1913-1978). Seiner Stieftochter, die es übrigens vorzog, Grete genannt zu werden, ersetzte er in der Tat den Vater.

Die meisten Einträge des Poesiealbums stammen aus dem Jahr 1924, als Grete konfirmiert wurde. Der Pfarrer ("dein Konfirmator") steht an erster Stelle. Dannn folgen natürlich der Vater, also Fritz Lehmkuhl, die Mutter und der kleine Bruder sowie sonstige Verwandte. Dazu gehören auch die Lehmkuhls aus Westerloy. Da ist die Oma Helene Lehmkuhl geb. Scholljegerdes, deren Mann Johann Friedrich, von Beruf "Arbeiter", schon länger verstorben war. Und auch zwei Brüder des Stiefvaters fehlen nicht: August Lehmkuhl gibt als Ort Oldenburg an; er hatte sich in Eversten angesiedelt. Der andere, Johann Lehmkuhl,  blieb dagegen in Westerloy ansässig. Grete wird wohl diese Einträge bei einem Verwandtenbesuch an dem angegebenen Datum, dem 7. April 1924, gesammelt haben. Das war ein Montag, der Tag nach ihrer Konfirmation. Die Lehmkuhls hatten ein Haus am Ortsausgang Richtung Mansie (Strohen). Gretes jüngerer Bruder Fritz erzählte, daß er dort als Kind des öfteren in den Ferien zu Besuch war. Der Besitz ging angeblich verloren während der finanziellen Krise der Westerloyer Genossenschaft um 1930. Wegen der großen Haftungsverpflichtungen mußte es offenbar verkauft werden. Ein Angehöriger soll sich deswegen das Leben genommen haben.
Nicht alle Einträge von Verwandten lassen sich schon eindeutig zuordnen. Manchmal erfährt man irgendwann mehr, wenn auch nicht unbedingt nur Fröhliches. Die Niederschriften von "Tante Johanna" und "Onkel Arent" stammen, wie sich beispielsweise dann herausstellte, von einem Bruder der Mutter Janna und dessen Ehefrau. Arent van der Putten lernte Bäcker, später arbeitete er als Bergmann und lebte in Dortmund, von wo auch die Frau stammte. In der Nazizeit wurde er als Kommunist verfolgt, er starb frühzeitig an den Folgen einer KZ-Gefangenschaft.

Grete heiratete später den gebürtig aus Goelriehenfeld stammenden Tischlermeister Gustav Rickels (vgl. den Artikel hier auf www.mein-westerstede.de vom 23.5.2012 unter Geschichte). Sie wohnten erst in Blexen gegenüber von Bremerhaven, danach in Westerstede. In der Norderstraße (alte Schweinemästerei) betrieb Grete Rickels eine Weile einen kleinen Getränke- und Eisverkauf mit Zigarettenautomat.
Herauszufinden gibt es zu diesem Poesiealbum sicher noch einiges. Falls jemand mehr über die Westerloyer Lehmkuhls weiß, würde ich mich freuen, von ihm zu hören.

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