Montag, 24. Juli 2017, 19:07 Uhr
Mein Sommer

Sommer 1958.........Soviel war ganz anders

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Alles was wir vom Sommer wissen ist, daß er in jedem Jahr wieder anders ist. Auch im Jahre 1958 war er mit seiner Wärme da, aber ganz anders als heute.Wenn ich heute die Augen schließe, dann fliegt er manchmal noch mal vorbei, der Sommer aus tausend Kinderträumen.

Apen / Oldenburg / Ammerland In meinem Leben war es wohl der 13. Sommer, den ich damals noch in meinem Geburtsort Klauhörn erlebte.
Es war besonders heiß, wie ich mich recht erinnere, und viele Kinder aus unserem Dorf (es waren größtenteils Jungen), machten sich auf, um die Badeanstalt beim ehemaligen Kult-Lokal „Leuchtturm“ in Apen an der Kaje zu nutzen. Es gab sogar schon Umkleidekabinen dort, im Anbau zur Gaststätte. Der Geruch hatte schon irgendwie einen unangenehmen Touch, ……nein, das erzähle ich hier aber mal nicht so genau.
Wie überall in den Jahren des Aufbaues nach dem Kriege gab es wenig Zeit und wahrscheinlich noch weniger Geld. Mit anderen Worten, es passierte so gut wie nichts, es gab also nicht allzuviel zum "Erleben können".
Außerdem gab es auf dem Land soviel Arbeit, daß andere Dinge bedeutungslos wurden oder das Privileg „besonders wertvoll“ erhielten, weil sie eben nur selten vorkamen.
Durchaus gab es auch Kinder, die in den großen Ferien Reisen und Ausflüge unternahmen, aber dazu gehörte ich eher nicht.
Manche machten sich auf, um weit entfernt wohnende Verwandte in anderen Städten zu besuchen und einige kamen sogar zu uns ins Dorf. Ich freute mich jedes Mal wenn unsere Nachbarn ihre Angehörigen aus dem Rheinland begrüßten, so hatte ich eine Weile neue Spielgefährten; sie brachten eine Menge an lustigen Ideen mit.
Meine Freude aber war fast nicht mehr zu toppen, als mein Onkel und meine Tante aus Apen uns mit ihrem Auto zu einem Ausflug nach Groningen abholten.
Ungefähr 30 km nach der Grenze konnten wir bereits die hohen Schornsteine des dort ansässigen Energiezentrums (gibt es heute nicht mehr) vor der Stadt ausmachen, die mir damals einen Hauch von „großer Welt“ vermittelten. Groningen war neben Bremerhaven die erste große Stadt, die ich bewußt erlebte.
Von diesem Ausflug blieb noch Jahre später das bunte Sommerkleid mit den bedruckten gelben Teerosen als Andenken erhalten, obwohl ich die Farbe Gelb so gar nicht mochte, das Kleid habe ich trotzdem geliebt.
In der Restaurant-Etage eines namentlich schon damals bekannten Kaufhauses sollte ein Imbiß eingenommen werden. Mir fiel auf, daß sich in der ganzen Stadt soviel Menschen verschiedener Nationalitäten tummelten. Sehr viel mehr als bei uns, was ich heute stückweise vielleicht auf die niederländische Kolonialzeit zurückführen möchte, hier waren Angehörige vieler Länder zu Hause.
Nicht der Imbiß interessierte mich an diesem Restaurant, in dem Kaufhaus in der Innenstadt, es war die prächtige Juke-Box, in die man ein paar Münzen warf, damit das gewünschte Lied gespielt werden konnte. Das wollte ich auch selbst ausprobieren und stand unschlüssig davor, weil ich nicht wußte, welchen Titel ich wählen sollte.In der Schule hatte ich die ersten Jahre Englisch, aber „Fragen“, nein, dafür reichte es dann doch wohl noch nicht.
Inmitten meiner Überlegungen riß mich eine Stimme aus meinen Gedanken, zwei große Kulleraugen sahen mich aus einem ziemlich dunklen Gesicht an. „Ramona," lächelten die Augen, "press B 3“.
Ramona kannte ich, es wurde von den Blue Diamonds gesungen.Ich folgte seinem Rat, lauschte dem Klang aus der Juke-Box und behielt die Episode noch lange in Erinnerung, sogar auf einen der besten Merk-Plätze, sonst hätte ich es heute nicht mehr gewußt.
Wir besuchten auch noch das Paterswolder Meer, bezaubernd gelegen, etwas südlich von Groningen und vielleicht die Hälfte des Zwischenahner Meeres ausmachend, wenn man vergleichen möchte.
Groningen sollte später sogar die Partnerstadt von Oldenburg werden und die ehemals angespannte Beziehung zu Deutschland ist längst in einem freundschaftlichen Licht zu sehen.
Auch die Stadt Groningen hat sich verändert, Damsterdiep war bekannt als Platz zum Parken, jetzt soll das größte und schönste Parkhaus für alle da sein, die in der Stadt ihre Besorgungen machen.
Die Sommer sind heute nicht mehr ganz so durchgehend sommerlich wie früher, die Nationalitäten auf der ganzen Welt sind nicht mehr nur auf ihre Geburtsländer ausgerichtet und die Reisefreudigkeit ist immens gewachsen.
Eine Juke-Box gibt es kaum noch in den Restaurants und das riesengroße Eis für 50 Pfennig kostet schon leicht mal 5 Euro.
Trotz aller Entbehrungen, trotz vieler Dinge, die man alle nicht machen durfte oder aus Geldmangel auch nicht machen konnte: Der Reiz der Besonderheit ist eher in der Seltenheit solcher Unternehmungen zu sehen. Deshalb habe ich diesen Augenblick an der Juke-Box wohl auch nie vergessen.
Was man immer haben kann wird irgendwann zur Gewohnheit und man vergißt zu schnell wie wertvoll Dinge, Momente und Gesten sein können, wenn man sie nicht permanent jeden Tag erleben kann.

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