Freitag, 12. Mai 2017, 21:06 Uhr
Deutscher Mühlentag

Eine der „Dorfältesten“ aus Scheps erzählt

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- Meine Jugendjahre bis zum 1. Weltkrieg -

Westerscheps Jetzt bin ich schon 129 Jahre alt, stehe noch immer auf meinem Erdwall und gehöre wohl zu den „Ältesten“ in Scheps. Wegen der guten Pflege habe ich die vielen Jahre auch gut überstanden. Erbauen ließ mich im Jahre 1888 Hermann Frerichs. Dieses Jahr ging auch als „Drei-Kaiser-Jahr“ in die Geschichte ein. Wilhelm I., Friedrich III. (beide starben 1888) und dann Wilhelm II. waren damals Kaiser in Deutschland.
Im Jahre 1900 bin ich dann an die Familie Oltmanns gekommen. Müllermeister Georg Oltmanns, der aus der Querensteder Müllerfamilie stammte, pachtete mich zunächst, kaufte mich dann aber 1904.
Zu der Zeit fuhren hier noch keine Autos, Lkws oder Traktoren. Die Straßen waren selten befestigt, Sandwege prägten die Landschaft. Die Bauern brachten ihr Getreide mit Pferd und Wagen, manch einer kam auch mit dem Handwagen zu mir, um Futter für seine Schweine, Kühe oder Hühner zu holen.
Gemahlen wurde nur mit Windkraft. Da musste ich mich richtig anstrengen und meine Flügel immer dem Wind entgegenhalten. Es war eine arbeitsreiche Zeit für mich, aber natürlich auch für den Müller und seine Familie. Alle mussten mit „anpacken“, auch die Kinder, wenn es nötig war. Wenn der Wind tagsüber nicht kräftig genug blies, musste ich bei Bedarf auch oft genug nachts das Getreide mahlen. Es musste schließlich verarbeitet werden. Natürlich gab es nicht nur mich, den Westerschepser Wallholländer. In fast jeder Ortschaft drehte sich damals eine Windmühle. Ich konnte von meinem Standort aus sogar die Galeriemühle Richtung Westen sehen. Nach einem Brand wurde diese 1880 von Johann Heinrich Barklage wieder aufgebaut. Auch in Wittenberge gab es in meiner „Jugend“ eine Mühle, ebenso zwei in Osterscheps. Edewecht war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer noch die mühlenreichste Gemeinde im Oldenburger Land.
Zu der Zeit wurde die Schweinehaltung immer bedeutsamer und es konnte gar nicht genug Wind wehen, den ich für meine Flügel brauchte, um mit der Arbeit hinterherzukommen.
Etwas Erleichterung bekam ich 1908 durch die Anschaffung eines Heißdampf-Lokomobils. Lokomobile waren transportable Dampfmaschinen und fanden auch als Mühlenantrieb ihre Bedeutung. Mein Lokomobil wurde mit Torf beheizt. Diesen Torf gewann meine Müllerfamilie im nahe gelegenen Moor. Nun konnte ich auch windunabhängig mahlen. 1913 wurde dann als weitere Erneuerung eine elektrische Anlage angeschafft. So hielt die damals moderne Technik mehr und mehr auch bei mir Einzug. Und wenn ich mal nichts zu tun und somit Ruhe hatte, genoss ich den Ausblick übers Fintlandsmoor. Die umliegende Landschaft bestand nämlich noch überwiegend aus Heideflächen, ohne Baumbewuchs, und ich konnte bei klarer Sicht sogar bis nach Karlshof blicken.
1914 begann der erste Weltkrieg. Die jungen Männer aus dem Dorf wurden vom Militär eingezogen. Einige von ihnen habe ich nie wiedergesehen. Sie kehrten nicht aus dem Krieg zurück. Ich selbst wurde durch Kriegseinwirkung nicht beschädigt. Dafür zerstörte ein gewaltiger Sturm im Jahre 1917 meine Flügel.

Wie es mir dann weiter erging, will ich gerne beim nächsten Mal erzählen.

Vorher - so hoffe ich – sehen wir uns noch beim Mühlentag am 5. Juni (Pfingstmontag).
Ich freue mich schon jetzt auf Euch.
Alle Besucher können nämlich dazu beitragen, dass es mich noch möglichst viele Jahre gibt, denn die Einnahmen dieses Tages dienen ausschließlich meiner Erhaltung.

Familie Kaptein

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