Varel - meine Heimat
So, wenn man schon einmal hier ist, dann kann man ja auch was schreiben. Und da sollte doch der erste Artikel eines jeden N@chbarn in die Kategorie „Darum lebe ich gerne hier“ stehen.
Varel / Thüringen - Apolda
So, wenn man schon einmal hier ist, dann kann man ja auch was schreiben. Und da sollte doch der erste Artikel eines jeden N@chbarn in der Kategorie „Darum lebe ich gerne hier“ stehen.
Dabei lauert dort schon das erste Problem. Denn dieser Text müsste in die Kategorie „Darum lebe ich gerne da“, weil ich im Moment gar nicht da, sondern hier wohne. Aber ja nicht das Hier, das in „Darum lebe ich gerne hier“ gemeint ist, sondern das Hier hier in Thüringen. Ich müsste jetzt also in der Kategorie „Darum lebe ich gerne hier“ über Thüringen schreiben, dann wäre der Artikel aber ziemlich kurz und dürfte nicht bei „Mein Varel“ stehen. Deshalb tun wir mal so, als wäre ich da und nicht hier, damit alle denken, mein Da wäre gerade hier und nicht mein Hier da, damit ich schreiben kann, warum ich gerne da (für Vareler: hier) lebe. Sonst kommt man noch durcheinander.
Meine im Moment knapp 20 Jahre habe ich größtenteils in Varel und dessen Umgebung verbracht. In meiner Kindheit wohnte ich in Diekmannshausen. Ein Drei-Mann-Dorf, wie einige meiner Freunde zu sagen pflegten, als ich dort noch wohnte, was aber gar nicht sein kann, da meine Familie schon aus vier Leuten bestand. Trotz der weiten Entfernung war ich häufig in Varel. Großeltern, Sportverein, einkaufen und später dann auch die Schule.
Varel ist zwar als kleine Mittelstadt im Vergleich zu größeren Städten ziemlich klein, besonders gegen Riesenstädte, im Vergleich mit Kleinstädten oder Dörfern wie Diekmannshausen hingegen recht groß. Varel ist damit nicht nur sehr relativ, sondern aus den Augen eines Dorfkindes natürlich auch DER Ort, an den man ziehen möchte. Glücklicherweise geschah dies dann auch irgendwann, während ich um die 15 Jahre alt war.
Ab da konnte ich ganz bequem mit dem Rad ganz schnell irgendwo hinfahren, zum Beispiel … zu einem oder zwei Freunden. Den Rest hatte ich mir natürlich ungeschickterweise so ausgesucht, dass sie mit Zetel und Schweiburg alle nicht mehr in meinem tolerierten Fahrradbereich lagen. Spätestens im ersten Winter war die Umstellung von Bus- auf Radkind auch nicht so dolle. Aber man soll sich nicht beklagen. Im Urlaub, den ich mit meiner Familie immer in den Bergen verbrachte, war man froh, dass man zu Hause alles schön eben hat, jedenfalls angenähert. Und Gegenwind gibt es sogar in den Alpen!
Es kamen Führerschein, Abitur und der Brief vom Kreiswehrersatzamt. Habe ich den eigentlich aufgehoben? Einer der letzten, die verschickt wurden! Da ich so oder so ein FSJ machen wollte war mir das auch egal. Die Musterung hätte man nur nicht unbedingt in die lernintensive Phase vor den Abivorklausuren legen müssen. Einen Beweggründebrief verfasst, Bestätigung erhalten und FSJ-Platz gesucht. Ein interessantes Jahr im Heilpädagogischen Zentrum Friesland-Süd verbracht (Details lasse ich jetzt mal weg, ich will auch mal zum Kern kommen).
Dann kam die nächste Hürde: Studium! Lehrer zu werden war immer schon mein Traumberuf, jedenfalls seit ich davon gehört habe, dass man das auch beruflich machen kann. Die Fächer wechselten zwar immer wieder, doch sowas liegt auch mal am Lehrer oder einem kleinen Tief. Die Fächer von Interesse, die es dann wurden, sind Chemie und Physik. Eigentlich wollte ich ein Studium in Oldenburg beginnen, um auch weiterhin der Heimat treu zu bleiben. Doch die dreist hohen Studiengebühren scheuchten mich aus dem Bundesland. Studiengebühren zerstören Familien!
Nun habe ich mich in Jena an der Friedrich-Schiller-Universität eingefunden. Das kann ich sogar ohne Abgucken schreiben, Carl von Ossietzky kann ich nicht einmal aussprechen. Aus der Ferne hat man einen guten Blick darauf, was einem an der Heimat gefällt. Und nun kann ich die Vorgeschichte beenden und zum Hauptthema kommen:
Darum lebe ich gerne hier (Begriffserklärung siehe oben):
In Varel (und Umgebung) leben die Personen, die mir wichtig sind. Und bei Personen schließe ich jetzt auch ganz klar meine Katze mit ein, die sonst sicher gekränkt ist.
In Varel gibt es keine Steigung. Wie ich den Weg hoch zur physikalischen Fakultät oder den von meiner Wohnung zum Busbahnhof hasse! Und wer mir jetzt sagt, dass es in Varel wohl Steigung gibt, dem erwidere ich: Ich darf idealisieren. Das haben wir in Physik gelernt. Ätsch! In Varel gibt es auch keine Reibung und nur Massepunkte. Kann man prima mit rechnen.
Varel hat das Meer vor der Haustür. Und sowas ist viel nützlicher als Berge. Es speichert Wärme für den Winter und heizt im Sommer nicht so schnell auf. Dadurch ergibt sich ein angenehm mildes Klima. Außerdem ist die Luft so iodhaltig, dass man sich die Sorgen sparen kann, ob man seinen Tagesbedarf gedeckt hat.
Varel hat eine Spielkultur. Der Spieleladen in Varel ist ein ganz besonderer. Spieleabende, Spieleveranstaltungen und ein großes Sortiment, welches die Mitarbeiter kompetent erklären können. Ich kenne es nicht anders, aber dies ist bei weitem kein Standard. Wissen Sie, wo hier (da) in der Umgebung der nächste richtige Spieleladen ist? Ich nicht! Jedenfalls keiner mit schönen Erwachsenenspielen.
In Varel isst man Grünkohl mit Pinkel. Wir verschließen die Augen immer wieder davor, doch es gibt sie: Regionen, in denen kein Grünkohl gegessen wird, geschweige denn Pinkel. Von letzterer haben die meisten Menschen hier (da) bisher nicht mal was gehört. Für die beiden ersten Sonntage der Grünkohlsaison musste ich mir Grünkohl und Pinkel per Päckchen schicken lassen. Man kommt sich wie über eine Luftbrücke versorgt vor.
In Varel sagt man "Moin!" Diese Art der Begrüßung, die ich sehr schätze, ist der kleine kulturelle Faden, an den ich mich hier (da) klammern kann. Komische Blicke am Abend ignoriert man schnell. Doch wenn der Busfahrer "Jaha (halbherziges Lachen), zur Schlafenszeit!" sagt, dann muss man doch ein wenig Aufklärung betreiben. 'Moin und 'Morgen' klingen doch nicht so ähnlich, dass man sie bei klarer Aussprache verwechselt.
Varel hat auch dunkle Seiten. Zum Beispiel wenn nachts das Straßenlicht ausgeht. Aber so ist man schneller zu Hause, wenn man den letzten Gruselfilm noch einmal gedanklich Revue passieren und der Paranoia freies Spiel lässt.
Varel ist mein zu Hause.
Darum lebe ich gerne hier oder da. Hauptsache in Varel!
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