Samstag, 04. Februar 2023, 13:11 Uhr
Haushaltsdebatte / Innenstadt / Presse

Keine gute Woche für die Redaktion des "Gemeinnützigen"

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Haushalt der Stadt Varel und "Schnäppchenmeile" in der Innenstadt - wenn man Bericht und Kommentar nicht auseinanderhält und der Hinweis auf eine Marketingaktion zu plumper Werbung gerät, muss man sich endgültig Sorgen machen um die Presselandschaft in Varel.

Varel / Jaderberg / Zetel Das war keine gute Woche für die Redaktion des „Gemeinnützigen“. Zwei journalistische Fehlversuche an zwei aufeinander folgenden Tagen sind eindeutig zu viel. 
In der Ausgabe vom Freitag, 3. Februar, berichtete NWZ-Reporter Jan-Ole Smidt von seinem Ausflug in die Vareler Innenstadt. Sein Versuch, auf die „Aktion Schnäppchenmeile“ aufmerksam zu machen, geriet ihm zu einer veritablen Werbung für ein renommiertes Vareler Modehaus. Wir durften zur Kenntnis nehmen, wie es dem namentlich erwähnten Mitarbeiter in der Herrenabteilung gelang, dem Zeitungsmann für 100 Euro ein neues Outfit zu verpassen. Wir erfuhren vom Geschäftsführer des Unternehmens, dass Männer sich eher für gedeckte Farben entscheiden. Und wir sahen das Bild des neu eingekleideten Redaktionsmitarbeiters.

Die Firma dürfte sich über das Interesse der örtlichen Zeitung sehr gefreut haben. Wenn in den nächsten Ausgaben des „Gemeinnützigen“ ähnlich ausführlich über Angebot und Kompetenz der anderen teilnehmenden Firmen berichtet wird, ziehe ich meine kritische Anmerkung zurück. Damit rechne ich allerdings nicht, denn die „Aktion Schnäppchenmeile“ endet am 4. Februar.

Noch gravierender ist der zweite Fehlversuch: der Bericht vom 4. Februar über die Sitzung des Rates der Stadt Varel, der den Haushalt für das Jahr 2023 verabschiedet hat.
Der neu eingekleidete Redakteur Smidt verquirlte zu Beginn seines Artikels die journalistischen Genres und verwechselte Bericht mit Kommentar:
„Nun steht er fest (der Haushalt). Doch gibt es einige Ratsfrauen und -herren, die damit immer noch nicht zufrieden sind.“

Dem Angestellten einer Zeitung, die sich als unabhängig und überparteilich bezeichnet, steht es nicht zu, das Abstimmungsverhalten von Ratsmitgliedern mit Worten zu beschreiben, die an quengelnde, ungezogene Kinder erinnern.
Ein Stadtrat ist kein Bundestag. Aber auch die Haushaltsdebatte eines Kommunalparlamentes ist Möglichkeit zu einer Generaldebatte über die städtische Politik. Zu einem Haushalt „nein“ sagen zu dürfen, ist zum einen ein demokratisches Recht, und zum anderen soll es manchmal sogar inhaltliche Gründe für eine Ablehnung geben.

 Nun kann ein solcher Bericht – selbst wenn er gelingt – kein Wortprotokoll sein. Ich nehme trotzdem die Gelegenheit, eine Passage aus dem Text des Herrn Smidt zu korrigieren und zu ergänzen. Zitat aus dem „Gemeinnützigen“:
„Das über 100 Jahre alte Gasthaus (Tivoli) liegt auch der Fraktion Zukunft Varel/Klare Kante am Herzen. So ginge aus einem Finanzausschuss im letzten Jahr hervor, dass erst nach 2027 Gelder für die Sanierung locker gemacht werden könnten, resümiert Uwe Cassens (Klare Kante) ‚und in der Zwischenzeit bestellen wir die Abrissbirne.‘“

Richtig ist, dass ich aus dem Protokoll einer öffentlichen Sitzung des Haushaltsausschusses zitiert habe:
„Bürgermeister Wagner führt aus, dass die angesprochenen Bauvorhaben (Hallenbad, Tivoli), wenn überhaupt, erst weit nach Ende des aktuellen Finanzplanungszeitraumes greifen werden. Im Finanzplanungszeitrahmen ab 2027 kann darüber nachgedacht werden, mehr Geld in die Planung aufzunehmen.“
In meinem Redebeitrag hatte ich dann die Vermutung ausgesprochen, dass man nach 2027 dem Haus auch mit der Abrissbirne den Rest geben könne. Es hätte mit dem Haushalt 2023 die Chance gegeben, ein Gutachten auf den Weg zu bringen, das fundierte Informationen über den Zustand des Hauses liefert. Und es hätte im Vorfeld der Haushaltsverabschiedung ein Nutzungskonzept für dieses Haus erarbeitet werden können, das Grundlage für eine inhaltliche Entscheidung zur Zukunft des Hauses ist.

Nun bin ich davon überzeugt, dass Herr Smidt das Einmaleins seines Berufes gelernt hat. Ich bin sicher - er wird sich der Fragwürdigkeit seiner Texte bewußt gewesen sein. Die Klare Kante ist davon überzeugt: Die beiden journalistischen Fehlversuche transportieren ein politisches Interesse. Vor allem aber bestätigt sich ein alter Verdacht: Es gibt eine problematische Nähe zwischen Politik und örtlicher Presse, die sich in einer kleinen Stadt wie Varel kaum verbergen lässt. Dass frühere Akteure aus der Vareler Presselandschaft heute an einflussreichen Stellen der Vareler Politik schalten und walten können, war uns immer schon suspekt. Wir haben es auch früher schon kritisiert.

Diese Woche war keine gute Woche für die Redaktion des „Gemeinnützigen“. Mehr noch: Es war eine entlarvende Woche.

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