Mittwoch, 17. Juni 2020, 17:35 Uhr
TuS Varel - Waldstadion - Modern

Tradition trifft auf Moderne? - Wider eine falsche Alternative -

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Der TuS Varel 09 nimmt Stellung zum Kommentar von Olaf Ulbrich zur bevorstehenden Fusion dreier Sportvereine.

Varel Wer Alternativen hat, kann sich entscheiden. Aber richtig müssen sie sein. Falsche Alternativen führen aufs Glatteis. Auf sehr dünnes Eis scheint mir die Alternative zu führen, die am 17. Juni im Kommentar von Olaf Ulbrich zur offensichtlich bevorstehenden Fusion dreier Vareler Sportvereine angeboten wird. Bei der Entscheidung des TuS Varel 09, selbständig bleiben zu wollen, ging es mitnichten um das Festhalten lieb gewordener Traditionen. Beim TuS Varel ist man ganz im Gegenteil der Ansicht, dass man mit der Selbständigkeit den moderneren Weg geht.

Für die Entscheidung der Vereine aus Obenstrohe, Büppel und Dangastermoor gibt es in der Tat Gründe. Kräfte bündeln und Strukturen leistungsfähiger gestalten zu können sind Ziele, die ein moderner Verein sich setzen muss. Die Mitglieder des TuS Varel 09 haben Pro und Kontra auf zwei Diskussionsforen in einem sehr offenen und transparenten Prozess diskutiert und gewichtet.

Lange Zeit schien auch vielen Mitgliedern des TuS Varel 09 allein die Größe des neuen Vereins eine angemessene Antwort auf die strukturellen Herausforderungen zu sein. Im Laufe des Diskussionsprozesses setzte sich allerdings eine Erkenntnis durch, die sich auch auf anderen gesellschaftlichen Ebenen beobachten lässt: Die Vorstellung, Wachstum allein böte die Lösung struktureller Probleme, wird zunehmend misstrauisch beäugt.

Es mag wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen geben, denen man mit einem Wachstumskonzept begegnen muss. Fakt ist aber auch, dass Wachstumsideologien seit langem in einer Krise sind. Schon in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es eine gesellschaftliche Diskussion über die sozialen und die ökologischen Kosten einer Wachstumsfixierung. Was damals und seitdem Spielwiese linker Systemtheoretiker zu sein schien, wird während der Corona-Pandemie für jeden greifbar, der offenen Auges durch diese Welt geht, selbst wenn er in Quarantäne verharren muss: Groß ist nicht unbedingt besser. Entschleunigung kostet, scheint aber die Chance auf eine Lebensqualität anderer Art zu bieten. Die Not und die Bedürfnisse des Nachbarn auf der anderen Straßenseite werden plötzlich zum eigenen Thema. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Der TuS Varel 09 hat sich vor dem Lockdown für die Selbständigkeit entschieden. Heute scheint sich die Richtigkeit seiner Entscheidung zu bestätigen:

Es scheint uns moderner zu sein, mit den Möglichkeiten eines kleinen Vereins besser aufeinander zu achten und Bedürfnisse wahrzunehmen.

Es scheint uns moderner zu sein, mit engagierten und kompetenten Mitarbeitern Talente zu entdecken und zu fördern.

Es scheint uns moderner zu sein, mit der Nähe, die ein kleiner Verein schaffen kann, in einer unübersichtlichen Welt ein Stück Heimat zu bieten.

Es scheint uns moderner zu sein, gemeinsam mit den zuständigen Behörden und Institutionen junge Menschen zu verantwortungsbewussten Jugendleitern auszubilden.

Es scheint uns auch moderner zu sein, in dieser Phase der Neuorientierung auf pseudo-profihaftes Getue und Gewese zu verzichten. Wer zum TuS Varel 09 kommt, muss wissen: Wir sind ein Breitensportverein. Unsere Erste Mannschaft spielt zurzeit in der Kreisklasse: Wir zahlen für Spieler keinen Pfennig.

In seinem Kommentar vom 17. Juni wertet Olaf Ulbrich den Bau des Sportparks in Langendamm als gute Aussicht für die Sportler der Stadt, während das Waldstadion für Tradition stehe. Um der Zukunft willen müsse das Neue gewagt werden.

Uns scheint es moderner zu sein, die Ressourcen zu nutzen, die das Gelände an der Windallee immer noch bietet.

Uns scheint es moderner zu sein, nach der Corona-Pandemie mit einem mutigen Schritt das teure Luftschloss im Dunstkreis der Papierfabrik zugunsten einer wirklich nachhalten Lösung im Stadtzentrum aufzugeben.

Ein Blick in die Geschichte sei gestattet: Kein Vareler Sportverein hat jemals den Bau eines neuen Stadions gefordert. Am Anfang stand lediglich der Wunsch nach einem ganzjährig bespielbaren Platz, der den Fußballern die winterlichen Trainings- und Spielausfälle erspart. Ganz Verwegene träumten gar von zwei solchen Plätzen.

Die Idee eines Sportparks vor den Toren der Stadt ist nicht unter Sportlern entstanden. Sie wurde entwickelt, weil die Verlagerung des Sports aus der Stadt endlich die Möglichkeit zu eröffnen schien, das Gelände an der Windallee zu verkaufen und einer Wohnbebauung zuführen zu können. Und deshalb geht es bei der Entscheidung für den Bau eines neuen Sportparks mitnichten darum, den Sportlern etwas Gutes zu tun. Beim TuS Varel 09 jedenfalls gibt es niemanden, der dieses Märchen glaubt. Hier hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr die Erkenntnis und die Erfahrung durchgesetzt: Weil die Stadt das Gelände ohnehin verscherbeln will, investiert sie auch nichts mehr in die Entwicklung des Stadions und der angrenzenden Plätze. Lange Zeit hat der dort Verein stillgehalten. Jetzt tut er das nicht mehr.

Tradition trifft auf Moderne, schreibt Olaf Ulbrich. Vielleicht ist die Alternative doch nicht so falsch. Allerdings: Modern scheint mir nicht der Fusionsgedanke zu sein. Der macht doch einen ziemlich traditionellen Eindruck.

Uwe Cassens

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