Samstag, 28. September 2013, 16:05 Uhr
Auswanderung / Amerika

Auswanderung nach Amerika

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Ursachen die alte Welt zu verlassen und Einblick in das Leben in der neuen Welt am Beispiel des Hollwegers Diedrich Willers (1871-1967)

Hollwege Ursachen die alte Welt zu verlassen und Einblick in das Leben in der neuen Welt am Beispiel des Hollwegers Diedrich Willers (1871-1967).
Etwa 1830 begannen, durch Erleichterung der Einwanderungsbedingungen, im größeren Maße die Auswanderungen in die USA.  Als Diedr. Willers 1888 auswanderte, herrschten in der Landwirtschaft schwere Zeiten, da Getreide- und Viehpreise sehr niedrig waren. Die stetige Zunahme der Bevölkerung auch im Ammerland führte zu einer Verarmung und Vermehrung der bäuerlichen Unterschicht. Durch das vorherrschende Grunderbrecht, nach dem der älteste Sohn die Stelle erbte, war die Zahl der Hofstellen festgelegt. Die Eltern von Willers hatten sieben Kinder und die Familie mußte hart arbeiten.

Hierzu Erinnerungen des Bruders Georg Willers (1884-1977): „In’n Sömmer harrn Vader un Moder dat noch drocker as in’n Winter. Dat slimmste weer, dat us Köteree so wiet utnanner leeg. De Feldkamp weer ungefähr ‘n Stunn weg. Twee bent dree Föhr Rogg in de Aarnt kunn Vader bloot haalen. De sgoll’n jo uck up- un afladen weern. Ossen gung’n langsam, un de Wäg weern slech. Awerlang keem dor noch’n Sguur twüschen. Dat Läben weer vör mien Moder nich lich. Säben Kinner hett se hatt. Een bleew doot. Twee gung’n mit sösstein Joar na Amerika. So froh mössen se weg, naher wurden se militärpflichtig. Moder ween, wenn se an ähr Kinner dach. Sesstein Stunn hett se arbeit jeden Dag. In’n Sömmer up’n Feld, in de Wisch un in’n Hoff. In’n Huus reet de Arbeit nich af. Tähndoktor geew dat noch nich in Westerstär. Dorüm harr’n mien Öllern dat ganse Läben, un wi Kinner toeers uck, us Not mit de Tähn. „Ick möt’t all mit Kält äten, un nachs kann ich van Kält nich slapen”, sä mien Moder.“

Von Nachbarhöfen ist auch bekannt, daß das Reetdach der Häuser undicht war und die Schlafstellen mit Planen abgedeckt werden mußten. Die Fassade war in einem solch schlechten Zustand, daß man ohne die Tür zu benutzen, durch das offene Fachwerk vorne und hinten hindurchkriechen konnte. Wachstumsfehler der Kinder sind auch bekannt durch Unterernährung. Alles in allem also sehr schlechte Aussichten, insbesondere für „abgehende“ Kinder. Die Auswanderung wurde in den Zeitungen von Reedereien und Agenten stark beworben, man hörte von Erfolgsgeschichten von drüben wie einen eigenen Hof und Familie haben zu können. Später bremste man die Auswanderung u.a. durch Anlegung großer Moor- und Fehnsiedlungen.

1888 nun wanderte Diedrich Willers 16jährig nach Nebraska aus. Sein Urenkel Lyndon Irwin hat einen Text über sein Leben in Amerika verfaßt. Nachfolgend eine ergänzte und übersetzte Zusammenfassung:

„Im Alter von 16 Jahren wanderte Johann Diedrich Willers 1888 in die Vereinigten Staaten aus. Er wohnte zuerst bei einer Familie in der Nähe von Cambridge, Nebraska.
Er hat in den ersten 10 Jahren als Knecht auf einer Farm gearbeitet sowie Hausmeisterarbeiten an einer Schule durchgeführt im Tausch für Englischunterricht in den Abendstunden. Er arbeitete hart, um Geld zu sparen. Er arbeitete auch hart, um Englisch zu lernen, damit er sich in Amerika einfügen konnte. Dann war er in der Lage, eine „homestead“ (Heimatstätte) zu erhalten. Aus Wikipedia folgt: „Der Homestead Act ist ein 1863 in den USA in Kraft getretenes Gesetz zum Landerwerb. Es erlaubte jeder Person über 21 Jahren, sich auf einem bis dahin unbesiedelten Stück Land niederzulassen, sich ein 160 acre (etwa 65 ha) großes Land abzustecken und zu bewirtschaften. Nach einer Dauer von fünf Jahren wurde der Siedler dann zum Eigentümer.“
Zehn Jahre arbeitete er hart, damit er in der Lage war, nach Deutschland zurückzukehren, um dort zu heiraten. Im November 1897 kehrte er nach Hollwege zurück. Seine Schwester Anna Willers arrangierte für ihn ein Treffen mit seiner zukünftigen Braut Helene Sophie Hagens. Sie war eine Nachbarstochter. Am 27. Januar 1898 heirateten Diedrich und Helene mit einer großen Hochzeitsfeier. Alle Hollweger besuchten das Fest und blieben bis in die Nacht. Bald danach verließen Diedrich und seine 18jährige Braut Deutschland in Richtung ihres Hauses in Nebraska, USA. Dies war zweifellos eine erhebliche Veränderung für Helene aus Deutschland, in die Prärie von Nebraska zu ziehen. Diedrich und Helene blieben in Nebraska über 20 Jahre und zogen ihre vier Kinder dort auf.
1920 verkauften sie ihre Farm in Nebraska und die ganze Familie zog nach Bronaugh, wohl weil Verwandte dort lebten. Bronaugh ist ein kleiner Ort im Grenzbereich im Staat Missouri. Im Jahr 2000 lebten dort 245 Einwohner in 93 Haushalten. Unter 5 Kilometer entfernt wohnten hier der Vetter Johann Hupens aus Moorburg, sowie Anna Saathof geb. Brunken, aus Kielburg, deren Mutter wiederum aus Hollwege kam. Für amerikanische Verhältnisse lebten die Familien Willers, Hupens und Saathoff damit schon nahe beieinander. Eine Tochter Willers heiratete dann auch einen Sohn der Familie Saathoff.
Diedrich Willers lebte eine Meile nördlich von Bronaugh auf dem Hügel einer rund 65 ha großen Farm. Dies war ein typischer Bauernhof in Amerika der 1920er bis 1940er Jahre, um eine Familie zu ernähren. Ihr weißes Holzhaus lag auf der Spitze des Hügels, so daß sie eine gute Drainage hatten. Das Haus war von Bäumen umgeben, hauptsächlich standen große Zedernbäume nördlich des Hauses. Der Rasen war sorgfältig gemäht. Sie hatten einen Weg von einer viertel Meile zur Hauptstraße. Sie liefen jeden Tag hinunter, um die Post abzuholen. Das Haus hatte eine Küche, die getrennt vom Rest des Hauses war. Sie wurde von einer Veranda, die die beiden Teile verband, getrennt. Es war ein Holzofen in der Küche. Die Küche hatte kein fließendes Wasser, aber eine Handpumpe, die Wasser aus der Zisterne beförderte.
Jenseits der Veranda war das Haupthaus. Es standen Stühle auf der Veranda, um bei schönem Wetter draußen zu sitzen. Wenn man in das Haupthaus ging, gab es ein Wohnzimmer mit Stühlen und einem Heizofen. Die Stühle waren meist aus Holz. An der Wand hingen religiöse Bilder. Dies war der Raum, der von den meisten Familienangehörigen besucht wurde. Diedrich Willers hat fast immer Englisch gesprochen, aber Helene sprach gewöhnlich häufiger Deutsch.
Neben dem Wohnzimmer war ein Flur, der zu zwei Räumen führte. Ein Zimmer war ein schönes Wohnzimmer, das nur für ganz besondere Anlässe verwendet wurde. Hier war eine große Orgel und eine schöne Couch.
In der nordwestlichen Ecke des Hauses war ein Schlafzimmer, von Tochter Martha Willers, die nie heiratete. In der südwestlichen Ecke des Hauses war Diedrich und Helenes Schlafzimmer. Sie hatten ein großes Eichenbett mit hohem Kopfteil und einer Gravur darauf. Es gab auch eine Walnuß-Kommode mit einem großen Spiegel und einem Waschbecken, die zueinander paßten.
Auf der Nordseite des Hügels gab es Reihen mit Apfel- und Pfirsichbäumen. Diedrich mähte unter den Bäumen und beschnitt sie jedes Jahr, auch noch als er 90 Jahre alt war. Er baute immer genug Obst und Gemüse für den Familienverbrauch an, sowie den Bedarf der Familien seiner Kinder. Diedrich besaß mehrere Reihen von Weintrauben, weiße und rote Trauben. Sie wuchsen auf Zäunen östlich im Garten.
Er hatte auch mehrere Bienenstöcke, so dass die Familie den ganzen Winter Honig hatte. Er bewegte die Bienenstöcke in verschiedene Bereiche, wo unterschiedliche Kulturen blühten, so dass er Honig mit verschiedenen Geschmacksrichtungen erhielt. Sie schlachteten jedes Jahr Schweine und manchmal auch ein Rind, so konnten sie das ganze Jahr hindurch viel essen. Fleisch wurde geräuchert in einem Räucherhaus, welches südwestlich von ihrem Haus war. Sie hielten auch eine große Herde von etwa 50 Hühnern. Küken wurden ausgebrütet und überzählige männliche Jungtiere schlachtete man zum Essen.
Diedrich hatte eine große Scheune östlich des Hauses mit großem Dachboden, wo Heu gelagert werden konnte. Getreidesilos wurden gebraucht, um Mais und Hafer, die auf dem Hof angebaut wurden zu lagern. Diedrich verwendete mehrere Pferde für die Landwirtschaft. Die Scheune hatte auch Ställe für Kühe. Er molk mindestens eine Kuh pro Tag, so daß die Familie viel Milch und Sahne hatte. Diedrich bemerkte einmal, daß er gerne auf einem Hügel leben würde, aber ein Nachteil sei, daß er die Eimer mit Milch bergauf tragen müsse, um sie in das Haus zu bekommen. Das Haus hatte keine Toilette. Die Toilette war ein kleines Nebengebäude südlich des Hauses beim Hühnerstall.
Nevada in 15 Meilen Entfernung in Missouri war die größte Stadt in der Nähe, und sie fuhren jede Woche zum Einkaufen dorthin. Sie fuhren einen Ford mit dem Baujahr 1928. Diedrich fuhr aber auch Tochter Martha. Damals war es sehr ungewöhnlich für eine Frau, ein Auto zu fahren. Ich bin mir sicher, sie wären gerne wieder zurück nach Deutschland zu Besuch gekommen, aber sie taten es nie. Sie waren dafür nicht reich genug, der größte Teil ihres Geldes floß zurück in den Hof.
Sie hatten Besuch. Bruder Georg Willers aus Deutschland kam einmal zu Besuch, als ich in der sechsten Klasse war. Auch kam Schwester Marie Koopmann, geb. Willers einmal - ich erinnere mich an einen Besuch mit zwei ihrer Enkelkinder in Bronaugh. Neffe Georg Oltmanns Familie besuchte Willers fast jedes Jahr. Es war für meine Eltern und Großeltern nicht ungewöhnlich, Willers Haus am Sonntagnachmittag zu besuchen. Die Erwachsenen spielten dann oft Karten. Andere Familienmitglieder kamen dann auch zu Besuch. Helene hatte zwei Halbbrüder aus Illinois, die auch ein- oder zweimal zu Besuch kamen.
Sie lebten auf ihrer Farm für den Rest ihres Lebens. Diedrich Willers erreichte ein hohes Alter von über 96 Jahren. Als Diedrich und Helene starben, wurde die 160 Acre große Farm auf die vier Kinder zu je 40 Acre aufgeteilt.“

Somit kann man feststellen, obwohl tausende Kilometer von der Heimat entfernt, schuf sich Diedrich Willers eine neue Heimat, mit ähnlichem Wohn- und Arbeitsumfeld, seine Frau noch direkt aus dem altem Heimatdorf geholt, eine Tochter noch in den alten Verwandten- und Bekanntenkreis verheiratet. Dies läßt sich häufig noch bei der ersten Generation feststellen, die zwar ihres „Reichtums“ in der neuen Welt bewußt, aber der alten Welt noch stark verbunden, teils auch mit starkem Rückkehrwunsch. In den Folgegenerationen gab es diese Bindung kaum noch, man fühlt sich wohl in Amerika und viele Bindungen nach hier brachen ab.

Urenkel Lyndon Irwin, Prof. Dr. für Agrarwissenschaften, besuchte Deutschland 2011 und konnte hierbei Verwandte besuchen und das Geburtshaus seiner Urgroßmutter, ein altes Reetdachhaus, besichtigen.

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