Sonntag, 04. Mai 2014, 21:06 Uhr
Hollriede / Moor / Kolonisation

Moorkolonisation in Hollriede

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Regeln wie die Urbarmachung der Flächen zu erfolgen hatte.

Hollriede Dieses Jahr blickt Hollriede auf 100 Jahre Geschichte zurück. Die Entwässerung und Kolonisation der Moore, bot ähnlich wie die Auswanderung nach Amerika, Chancen für „abgehende“ Söhne , die nicht den elterlichen Hof erben konnten, eine eigene Hofstelle und Familie zu gründen.  Über die Anfänge der Siedlung berichtet ein Artikel im „Ammerländer“ vom April 1914: „Die Arbeiten an dem neuen Chausseekörper durchs Lengener Moor nehmen bei dem günstigen Wetter in der letzten Zeit einen guten Fortgang. An der Straße von hier bis Ihausen werden jetzt Gräben ausgehoben. Die Kolonate sind bereits sämtlich vergeben. Hier und da erheben sich Bretterbuden, die vorläufigen Behausungen der Kolonisten. Letztere sind eifrig tätig, ihren neu erworbenen Grund und Boden für die Kultur vorzubereiten. Einige haben schon den Anfang gemacht mit dem Anlegen eines Gartens, und das Auge des Besuchers wird entzückt, wenn es hier mitten im Hochmoor blühende Blumen und Obstbäume erblickt. Wie mag das Bild nach 10 Jahren sein?“

Wie in Amerika um 1860 gab es auch hier im Land Oldenburg Rahmenbedingungen, wonach bisher unbesiedeltes Land für eine Hofstelle ausgegeben und unter Bedingungen nach einer bestimmten Zeit in das Eigentum des neuen Siedlers ging. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß 1876 im Herzogtum Oldenburg noch 44% der Fläche unkultiviertes Ödland waren. Die Entwässerung und Kolonisation der Moore war daher auch im Interesse der Regierung, konnte sie so auf eigenem Boden expandieren, was künftige Steuern versprach und eine Alternative für die Auswanderung bot. In den meisten Fällen, ob in Amerika oder hier, war dies für die Neusiedler mit harter Arbeit und teils schlechten Lebensbedingungen verbunden.

Die Hofstellen wurden nach und nach vom Oldenburger Siedlungsamt ausgewiesen. Eine Einweisungsurkunde von 1929 soll nachfolgend in zusammengefaßten Auszügen beispielhaft die Bedingungen erläutern. (Quelle: Staatsarchiv Oldenburg Best. 230-2 Nr. 884).

Das Siedlungsamt bestätigte 1929, die Einweisung der Neusiedlerstelle für Landwirt Heinrich Brase in Hollriede. Das Grundstück in der Kulturart „unkultiviert“ war Teil der Flur 1 (Lengenermoor) mit der Größe von ca. 11 ha. Es wurde als „Rentengut“ zum Eigentum übertragen. Die Auflassung sollte im Monat Oktober 1929 erfolgen. Alle Lasten und Abgaben sollten vom Ende 1922, der vorläufigen Einweisung, auf den Ansiedler übergehen. Die vorläufige Einweisung war damit in diesem Fall wohl 1922 und die endgültige mit der vorliegenden Urkunde 1929.

Der Eigentümer der Ansiedlerstelle war verpflichtet, die Stelle selbst dauernd zu bewohnen und ganz zu bewirtschaften, sowie vor der Auflassung Wohn- und Stallraum zu errichten. Die unkultivierten Flächen waren mit Beginn der vorläufigen Einweisung innerhalb von sieben Jahren, und zwar jährlich zu 1/7 in landwirtschaftliche Kultur zu nehmen, d.h. so zu bearbeiten, zu düngen und zu bestellen, wie es für eine ordnungsgemäße Kultivierung erforderlich ist. Das Moorbrennen galt dabei nicht als Kultivierung, sondern als Raubbau. Wurden Moore abgetorft, so mußte die oberste Moorschicht in 50 cm Stärke auf dem Untergrund verschlichtet werden. Die Flächen durften nur so tief abgetorft werden, daß nach den bestehenden Vorflutverhältnissen die Flächen noch für eine dauerhafte landwirtschaftliche Nutzung gut geeignet waren. Als Einfriedungen mußten Gräben im Moorgrunde von 1,5 m Breite und 1,5 m Tiefe ausgehoben werden.

Die Übertragung der Grundstücke erfolgte mit Wiederkaufsrecht des Siedlungsamtes. Für die Ausübung des Rechts gab es zahlreiche Bedingungen und damit Auflagen an den Käufer. Beispielsweise durfte die Ansiedlerstelle nicht ganz oder teilweise verkauft werden oder es wurden genannte Bedingungen, wie Wohn- und Stallraum zu errichten, nicht eingehalten.

Die Übertragung des Rentengutes geschah gegen eine jährliche Rentenzahlung an das Siedlungsamt. Hierzu wurde eine „Naturalwertrente“ festgelegt. Die jährliche Rente bestand je Hektar aus 25 kg Roggen, 186 kg Kartoffeln, 68 kg Milch, 9 kg Schlachtrinder und 30 Stück Eier. Aufgrund der Landgröße war dann die 11fache Menge abzuliefern. Die Güterqualität definierte man detailliert. Meist mußten die Naturalien mittlerer Art und Güte sein, dabei wo zutreffend gut gereinigt, gesund und getrocknet sein.

Die Rente mußte in Geldform an die Amtskasse in Westerstede geleistet werden. Aufgrund der kürzlich stattgefundenen Inflation führte das Amt sehr viel über die Umrechnung in einen Geldwert aus. Sofern keine wertbeständige Währung im Landesteil Oldenburg vorhanden wäre, würde der Wert im bestimmten Verhältnis zum nordamerikanischen Dollar gerechnet. Das Siedlungsamt behielt sich aber auch vor, die Rente tatsächlich als Naturalien abzufordern. In diesem Fall konnten auch andere wertgleiche Naturalien geliefert werden.

Unter der Bedingung, daß der Ansiedler die Grundstücke in den Fristen ordentlich kultivierte, ermäßigte sich für ihn die Rente in den ersten 13 Jahre (gerechnet vom 1. Mai 1923). Innerhalb der ersten sieben Jahre wurde die Rente erlassen, drei weitere Jahre zu 1/3 erhoben und weitere drei Jahre zu 2/3. Außerdem war der Eigentümer zur Zahlung eines Torfgeldes verpflichtet, wenn er die Grundstücke zur Torfgewinnung nutzte. Vom Durchschnittspreis mußte er 4% an das Siedlungsamt abführen. In das Grundbuch konnten allgemein diverse Hypotheken eingetragen werden. Erstens wurde eine Sicherungshypothek über 1000 Goldmark für das Siedlungsamt zur Sicherung der verschiedenen Verpflichtungen des Eigentümers eingetragen. Ferner konnten eingetragen werden: eine Hypothek bis zu 1150 Goldmark für das Siedlungsamt, wenn auf besonderen Antrag eine Bürgschaft übernommen werden soll, dann noch eine Hypothek bis zu 3900 Goldmark für ein Baudarlehn, eine Hypothek bis zu 2900 Goldmark für ein Meliorationsdarlehen (also für die Bodenverbesserung) sowie eine Hypothek bis zu 2800 Goldmark für ein Landsiedlungsbaudarlehn.
Das Siedlungsamt übergab so das Eigentum schrittweise und sorgte gleichzeitig für eine ordentliche Besiedlung. Darlehen und Freijahre boten in den ersten Jahren Unterstüzung, so daß wie andere Höfe, diese Stelle erfolgreich besiedelt wurde und auch noch heute im Familienbesitz ist.

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