Samstag, 16. Februar 2019, 16:31 Uhr
Jugenderinnerungen

Die alte Ocholter Mühle

1856
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Erlebnisbericht von Fritz Gertjejanßen, einem alten Ocholter

Ocholt
Anfang der 1980er Jahre haben wir einen größeren n Bericht über die „ Ocholter Windmühle „ im Arbeitskreis  „Ocholt lädt ein“ gemacht, der viel Beachtung fand.

Fritz Gertjejanßen, ein alter Ocholter, der jetzt in Oldenburg lebt ( er ist heute 90 Jahre alt), schickte mir damals vor 35 Jahren, so Friedrich Wilh, Henning, diesen Brief:

Es muß 1943 gewesen sein, wir wohnten im Bahnwärterhaus „ Posten 24a „ an der Straße  nach Apen ( heute Westring Familie Bünnemeyer)  kurz vor dem Bahnübergang. Die Zeiten warenschon schwieriger geworden und man versorgte sich mit  Lebensmitteln möglichst aus dem eigenen Garten und eigenem Stall. Wir machten jedes Jahr ein bis zwei Schweine fett, die mit Abfällen,  Kartoffeln und  Mehlabfällen aus der Mühle in der Nachbarschaft gefüttert wurden. Meine Mutter ging auch sehr oft in die  „ Schwaak-Wischen“ (heute Siedlung Alte Schwaak „) um dort Disteln zu stechen, die dann zusammen mit den Kartoffeln gedämpft und verfüttert wurden.

Die Mühle hatte schon ihre Flügel verloren und auch der Außenumgang (Galerie) war schon entfernt, aber sonst warf sie noch gut intakt.

Als ich eines Tages ein bisschen Mehlabfall aus der Mühle holte, sprach mich der Besitzer, Gerhard Hobbie, genannt „ Hobbje Gerd“ oder auch „Hobbje Aka“ an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, ihm  bei der Arbeit zu helfen. Meine Eltern hatten nichts dagegen und so wurde ich der  erste Helfer in der Mühle. Zu dieser Zeit wurde auch die Bäckerei betrieben und Gerd Hobbie war teils in der Bäckerei und teils in der Mühle beschäftigt. Außerdem half ihm noch  „ Onkel von Lindern“, der im 1. Weltkrieg am Kopf verwundet worden war und dort eine Silberplatte eingesetzt bekommen hatte, man konnte ihn deswegen nicht zur Wehrmacht einziehen.

Die  Haferflockenzeit hatte gerade begonnen. Gerd Hobbie war ein Tüftler und er hatte die entsprechenden Maschinen gekauft. Diese Maschinen wurden in der relativ engen Mühle zusätzlich  zum noch vorhandenen Mahlgang aufgestellt und über Transmissionen angetrieben. Das Ganze funktionierte ausgezeichnet. Im folgenden möchte ich den Weg vom angelieferten Hafer bis zur Haferflocke einmal erzählen:

Von weit breit kam die Bevölkerung , (auch ich war als Kind damals schon per Ackerwagen von Roggemoor in der Ocholter Mühle) um dort Hafer gegen Haferflocken einzutauschen, im  Verhältnis100 Pfund Hafer im Rohzustand gegen 45 Pfund Haferflocken bester Sorte.

Der angelieferte Hafer wurde auf der Diele des Bauernhauses neben der Mühle gesammelt. Zeitweise lagerten dort solche Mengen, daß die vorhandenen Maschinen sie nicht laufend abarbeiten konnten, es wurden Nachtschichten eingelegt. Der unbehandelte Hafer musste zunächst getrocknet werden. Dazu wurde er eingesackt, auf Ackerwagen verladen, meistens waren es zwei Wagen, gezogen von zwei „Hafermotoren“ zur „Dröganstalt „ nach Westerstede gebracht. Dort wurde der Hafer auf große Feinlochbleche ausgebreitet und mittels heißer Luft und Ventilator getrocknet. Das Ganze dauerte etwa zwei Stunden und stank fürchterlich. Beim Einsacken des getrockneten Hafers musste man sehr schwitzen! Aber die Fahrt nach Hause war dann wunderschön! Man konnte zwischen den warmen Säcken sitzen und sich die Gegend angucken. Übrigens, meistens führte „ Hinrich sien Hermann“ diese Fahrten durch. Der noch warme Hafer wurde in der Mühle abgeladen und sofort in den  Elevator-Trichter geschüttet. Der Bandelevator brachte den Hafer  auf den zweiten Boden in einem Behälter, sofort wurde jetzt die Schälmaschine eingeschaltet, natürlich alles elektrisch. Das Haferkorn wurde zwischen rotierenden Silizium-Karbidscheiben
(wie Schleifscheiben) von  seine harten Aussenhülle , der „ Pelle“ befreit. Der Hafer lief also vom zweiten Boden in einen Sack im Erdgeschoss. Mit dem Kettenaufzug wurden die Säcke wieder auf den dritten Boden geholt und in den Trichter der Reinigungsmaschine gekippt. Die Reinigungsmaschine bestand aus einem Ventilator, der alles was leicht war, vom Korn wegblies. Das Korn gelangte in eine  Drehtrommel  mit vielen winzigen Einbuchtungen. Durch die  Dreh-

bewegung  wurde es mitgenommen und fiel nach einer halben Umdrehung in eine
in die Trommel hineinragende Rutsche und von dort in den Sack. Das war dann die Hafergrütze, entweder grob oder fein, jenachdem wie eng  oder wie grob man die Schälmaschine eingestellt hatte.  Die Grobgrütze wurde im Sack wieder nach oben auf den zweiten Boden geholt und in den Trichter für die Flockenmaschine gekippt. Das war eine Maschine,  die aus zwei gegenläufig sich drehenden Stahlwalzen von ca. 30 cm Durchmesser bestand. Zwischen diesen Walzen gerieten die Haferkörner und wurden, je nach eingestelltem Druck, mehr oder weniger zur Flocke gequetscht. Man erkennt, dass viel Maschineneinsatz, aber auch Handarbeit nötig war, um Haferflocken herzustellen.
Der Mahlgang der Mühle wurde noch im Originalzustand betrieben, als Antrieb
diente allerdings ein Elektromotor. Die Mahlsteine, ca. 2,50 m im Durchmesser,
waren voll mit Holz umkleidet. Der obere Stein drehte sich und konnte über hölzerne Hebel mit Ausgleichsgewichten sehr leicht verstellt werden, so daß man grobes oder feines Mahlgut erhalten konnte.

Wir hatten in der Zeit viel zu tun. Ich habe dort insgesamt etwas  drei Jahre jeden Nachmittag nach der Schule und manchmal sogar nachts gearbeitet. Weitere Helfer in der Zeit waren: August Tholema, Werner Oeltjen, Heinz Gerdes und Robert Schmidt. Wir waren ein prima Team und haben viel Spaß gehabt. Wir  verdienten drei Mark für den Nachmittag. Nach dem Krieg, vor der Währungsreform, hatte ich insgesamt 1800,-- Mark zusammengespart. Dafür konnte ich mir dann zwei Fahrraddecken  kaufen ! ! !

Über eine Begebenheit möchte ich noch berichten:
Heinz Gerdes und ich waren an einem Tag auf den zweiten Boden. Wir hörten plötzlich ein Brummen von Flugzeugen und gingen zur  Seitentür, um hinaus-
zuschauen, Zwei Flugzeuge im Tiefflug kamen direkt auf uns zu, Höhe ca. 50 m. Das sind  „Engländer „ rief Heinz. Ich sagte: Das kann ja nicht sein, ich wette mit dir um 20 Pfennig. Wir sausten  die steilen Holztreppen nach unten und liefen nach draußen.  Wir sahen wie die Flugzeuge eine weite Kurve flogen und wieder zurück-
kamen. Plötzlich konnten wir sehen, wie unter dem Rumpf der Flugzeuge sich die
Bombenklappen öffneten. Inzwischen erkannten wir auch die englischen Hoheitsabzeichen, und schon fielen die Bomben. Durch die hohe Geschwindigkeit und den tiefen Flug der Flugzeuge  entstand eine Wirkung wie beim Stein, den man flach auf das Wasser wirft. Die Bomben berührten den Boden und stiegen wieder hoch. Sie berührten nochmals den Boden und erst jetzt explodierten sie.
Das war an der Bahn nach Leer nach dem Straßenübergang.  Das Haus von Hermann Stindt ( jetzt R. Bümmerstede) war fast abgedeckt. Weitere Bomben fielen in  „Brünjes Wisch“ , dort wo jetzt die Siedlung  ist. Der Dreck und die Splitter sausten durch die Luft und wir hatten schnell Deckung genommen.

Die Arbeit in der Mühle war schwer, wir konnten uns jedoch auf diese Weise etwas Geld verdienen und vor allen Dingen auch Erfahrung sammeln , Wir saßen sozusagen an der Quelle und hatten mit vielen Menschen Kontakt.

Es war eine schöne Zeit ! – So schrieb Fritz Gertjejanßen –

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