Freitag, 20. März 2020, 14:49 Uhr
Kriegsgefangene / Mahnmal / St. Petri-Kirche

Erinnerung an Weltkriegsgefangene

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Mahnmal an der Westersteder St. Petri-Kirche.

Westerstede An der Nordseite der Westersteder St. Petri-Kirche in einer kleinen Vorhalle und etwas im Schatten gibt es ein eher unbekanntes Denkmal. Viele haben es vielleicht noch gar nicht wahrgenommen, zumindest nicht bewusst. Und wenn doch, kennt man nicht unbedingt die mittlerweile schon länger zurückliegenden historischen Hintergründe.
Auf der hochrechteckigen Tafel sieht man eine Person und dahinter einen hohen Stachdrahtzaun. Der junge Mann steht in gebeugter Haltung, offenbar leidend, und mit den Händen fasst er über sich an den Zaun, wenn er sich nicht geradezu daran festhält. Zwei große Hände, man sieht auch noch die Gewandärmel, strecken sich dieser Szene von rechts her entgegen, anscheinend helfend. Die Inschrift über und unter der bildlichen Darstellung lautet: „Ich bin gefangen gewesen/und ihr habt mich nicht besucht“. Das verweist auf eine Stelle im Matthäusevangelium (Kapitel 25, Vers 43), wo es vollständig heißt: „Ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht besucht.“ (nach der Lutherbibel, Ausgabe von 1908). Der Satz ist Teil einer gleichnishaften Rede Jesu über das Jüngste Gericht.

Im Archiv der NWZ findet man drei Beiträge, die sich mit dem Denkmal beschäftigen, zwei aus dem Dezember 1951 und einem aus dem Jahr 2014.
Im „Ammerländer“ vom Dienstag, dem 11.12.1951 gibt es einen ausführlicheren Bericht über die Einweihung des Denkmals. Sie hatte am Nachmittag des vorhergehenden Sonntags stattgefunden, also am 9. Dezember. Gewidmet ist das Mahnmal den Gefangenen des Zweiten Weltkriegs, von denen aus der Sowjetunion viele damals noch nicht heimgekehrt waren. Die Initiative lag offenbar beim Verband der Heimkehrer und Vermisstenangehörigen (VdH). So waren auch zahlreiche Vertreter und Mitglieder dieses Verbandes anwesend, außerdem Honoratioren wie etwa Bürgermeister Post und Gemeindedirektor Groß. Vikar Hans von Seggern hielt eine geistliche Ansprache. Nach einer Rede des Landrats wurde die eichene Tafel enthüllt. Es gab weitere Reden. Der stellvertretende Kreisvorsitzende des VdH sagte u.a.: Wir sind dankbar über unsere Heimkehr, aber noch nicht glücklich, da noch so viele Kameraden in der Gefangenenschaft schmachten müssen“. Der Posaunenchor Hollriede gestaltete die Feier musikalisch.

Die Enthüllung „wurde auch vom Rundfunk Bremen aufgenommen“, heißt es außerdem in der Zeitungsausgabe. Eine Mitarbeiterin von Radio Bremen teilte allerdings auf Anfrage mit, dass sie im Archiv des Senders keinen entsprechenden Bericht gefunden habe, auch keine spätere Berichterstattung. Aus diesen frühen Jahren seien nicht alle gesendeten Produktionen noch vorhanden.

Am selben Wochenende fand übrigens ein ganzer Tagungszyklus des Kreisverbands des VdH statt. Dazu gehörten nicht nur die Denkmalseinweihung, sondern auch eine katholische Messe mit Pfarr-Rektor Schwenzfeier, eine evangelische Andacht und Gebetsstunde mit Kirchenrat Chemnitz und eine Versammlung in der Gaststätte „Traube“.

Am 29. Dezember 1951 berichtet der „Ammerländer“ noch einmal kurz über das Kriegsgefangenen-Mahnmal. Am Heiligen Abend hatten nämlich Unbekannte in Solidarität mit den Gefangenen bei dem Denkmal Weihnachtskerzen aufgestellt. Dieser Anblick mag damals manchen der Passanten auf der Kirchenstraße gerührt haben.

2014 beschäftigte sich die NWZ in einem Bericht aus der Reihe „Für sie nachgefragt“ mit dem Kriegsgefangenen-Denkmal. Man sprach aus diesem Grunde mit dem zu der Zeit 100-jährigen Hans von Seggern, der von 1951 bis 1958 in Westerstede als Vikar bzw. Pastor tätig war. Es bestätigte, dass er das Mahnmal eingeweiht habe und betonte, dass das Schicksal der Kriegsgefangenen ihm damals sehr am Herzen lag. Übrigens ging er 1958 als Militärpfarrer nach Paris.

Die letzten Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft kehrten erst 1955 nach Deutschland zurück. Man mag sich erinnern, dass das Schicksal dieser „Spätheimkehrer“ auch in dem 1954 spielenden Film „Das Wunder von Bern“ eine gewisse Rolle spielt.

Die kleine Vorhalle, in der sich das Kriegsgefangenen-Mahnmal befindet, gehört zu dem Sakristeianbau von 1907, dem bei weitem jüngsten Bauteil der Kirche. Vorher hatten sich hier lediglich überdachte hölzerne Treppen befunden, die zu Kirchenstühlen, quasi kleinen Emporen hochführten. Von diesen wiederum ist nur der so genannte von Seggerner Stuhl von 1702 noch erhalten, er ist heutzutage über den Sakristeianbau zugänglich.

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