Der Astronom Friedrich Tietjen aus Garnholt – Teil 1
Ungewöhnliche Karriere eines Ammerländer Bauernsohnes im 19. Jahrhundert – Spuren in Westerstede, frühe Jahre und Karrierebeginn
Westerstede / Garnholt / Dangast
Wenn im 19. Jahrhundert der Sohn einer Ammerländer Bauernfamilie, statt den Hof zu übernehmen, erfolgreich eine wissenschaftliche Karriere einschlug, so war das sicher kein alltäglicher Werdegang. Genau das hat der 1832 in Groß Garnholt bei Westerstede geborene Friedrich Tietjen geschafft.
Im Westersteder Stadtbild gibt es sogar noch einzelne Spuren von ihm. Da ist vor allem die nach ihm benannte Tietjenstraße. Sie befindet sich im nach dem 2. Weltkrieg entstandenen Wohngebiet auf dem Halstruper Esch. Am Straßenschild ist auch kurz erklärt, um wen es sich bei dem Namensgeber denn handelt. Das weiß sicherlich ohne Weiteres nicht mehr jeder. In der südlichen Ecke des städtischen Friedhofs hat sich außerdem noch sein beeindruckendes Grabmal in Form eines Obelisken erhalten, da wo auch weitere Mitglieder der Garnholter Bauernfamilie ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Direkt daneben sieht man den Grabstein des Garnholter Hausmanns Johann Diedrich Tietjen (1836-1908) und seiner Ehefrau, vermutlich ein Bruder des Astronomen.
Tietjens Elternhaus musste Anfang des 20. Jahrhunderts Nachfolgebauten weichen. Immerhin gibt es im Westersteder Stadtarchiv ein altes Foto von dem malerischen Ammerländer Bauernhaus. Der kleine Friedrich besuchte zunächst die Dorfschule in Hüllstede, die sich damals im Bereich der heutigen Adresse Langebrügger Straße 48 befand. In der Hüllsteder Dorfchronik wird das Gebäude beschrieben. Die Garnholter Schule entstand erst 1903. Der Junge fiel offenbar damals schon wegen seines Rechentalents und seines Interesses für den Sternenhimmel auf. Der Wunsch seiner Eltern Johann Friedrich und Helene Tietjen war es jedoch, dass er in der Landwirtschaft blieb.
Im Alter von 20 Jahren ermöglichten sie ihm aber doch noch den Besuch der höheren Bürgerschule in Oldenburg, um das Abitur zu erreichen. Es folgten Studienvorbereitungen in Braunschweig und ein Studium der Astronomie, Mathematik und Physik in Göttingen. Danach war er in Berlin in der Sternwarte tätig, wurde dort 1865 erster Assistent des Direktors („erster Observator“). Ein Jahr zuvor hatte er bereits den Doktortitel erlangt.
Ein besonderer Auftrag führte ihn aber auch wieder in die alte Heimat zurück. Im Jahre 1866 hatte er nämlich die Gelegenheit, im Rahmen eines großen Vermessungsprojektes, der mitteleuropäischen Gradmessung, in Dangast Arbeiten durchzuführen. An diese umfangreichen Messungen erinnert dort nahe dem Strandcampingplatz (Auf der Gast 40) noch ein kleiner Sandsteinpfeiler. Er ist mittlerweile mit einem schützenden Pavillon, der von der Künstlerin Jana Hackerova gestaltet wurde, und mit einer Infotafel versehen. Der Stein wurde einmal versetzt. Der originale Messpunkt, von dem Tietjen und sein Assistent Wiedfeldt aus ihre Arbeiten ausführten, deren Genauigkeit übrigens ausdrücklich gelobt wird, ist ein paar Meter entfernt auf der Straße mit einer Plakette gekennzeichnet.
Die alten Berichte über die mitteleuropäische Gradmessung kann man mittlerweile auch im Internet finden und herunterladen, wenn man möchte. In demjenigen über das Jahr 1866 (Seite 22 bis 26) ist die Errrichtung und die Beschaffenheit des Steinpfeilers genau beschrieben. Die dort erwähnte Inschrift „Station Dangast der mitteleuropäischen Gradmessung – 1866“ ist noch vorhanden. Man erwarb dafür damals ein kleines Areal „von einem Grundstück des benachbarten Klostermann'schen Hofes“. Um den Pfeiler herum baute man ein hölzernes Observatorium, das drei Jahre später wieder abgebrochen wurde.
Fortsetzung folgt.
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