Montag, 21. September 2015, 22:27 Uhr
LandFrauenverein Jeddeloh II

Jeddeloher Landfrauen machen Westerstede unsicher

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Jeddeloh II / Westerstede

Dreißig Jeddeloher Landfrauen wurden am 15. September von Erika Windeler, alias  "Mutter Gerken", ganz in altjüngferlichem Schwarzgrau mit freundlichem Hallo in der Hauptstadt des Landkreises Ammerland, in Westerstede, empfangen.

Anfang des 20. jahrhunderts war Mutter Gerken eine stadtbekannte Persönlichkeit. Sie trug täglich frühmorgens die Zeitung "Der Ammerländer" aus und zündete abends
- Westerstede hatte keinen Nachtwächter - die Straßenlaternen an.
Für uns Landfrauen  ist sie nun noch einmal auf die Erde beordert worden, um über die Zeit "vor unserer Zeit" aus Westerstede zu berichten.

Eines ihrer  Lieblingsthemen sind die kriegerischen Auseinandersetzungen der ostfriesischen Häuptlinge mit den Oldenburger Grafen des 15. und 16. Jahrhunderts. Immer mal zwischendurch ist von "Mutter Gerken" zu hören: das waren die Ostfriesen; die haben viel Elend über die Region gebracht. Sie sollen sogar versucht haben, den Kirchturm mit mehreren Ochsengespannen zu zerstören. Was Gott sei Dank nicht gelang.

Unser Rundgang begann mit dem "Wahrzeichen"  Westerstedes, der beeindruckenden St. Petri-Kirche mit dem 48 m hohen Turm, "kiek in't Land" genannt. Die Kirche wurde vor fast 900 Jahren als katholische Kirche gebaut, wurde dann aber mit der Reformation lutherisch. 1579 hielt zum ersten Mal ein  protestantischer Pfarrer die Predigt.
Im Innern finden unter anderem zwei Taufbecken, ein graziler Kirchstuhl, eine Triumphkreuzgruppe, mehrere Wandmalereien und ein historischer Flügelaltar unsere Aufmerksamkeit.
Noch etwas zu Gottesdiensten im 18. Jahrhundert: in der Außenmauer der Kirche sind zwei Eisenringe eingelassen, nicht etwa um dort Pferde anzubinden,  sondern um säumige Kirchgänger anzuketten und der Öffentlichkeit  vorzuführen. Wie viele Ringe bräuchte man wohl heutzutage?

Mutter Gerken berichtete auch aus der Franzosenzeit - ein relativ kurzes Intermezzo, das  1810 begann und 1813 zu Ende ging.
Nach dieser Zeit gab  es  in Westerstede 14 Bierbrauer und 2 Branntweinbrennereien; und von einer dieser Brennereien ging der große Brand vom 15. April 1815 aus.
50 Häuser und Stallungen gingen im Zentrum Westerstedes in Flammen auf, was für viele Bewohner zunächst natürlich  verheerende Folgen hatte, aber durch das entschlossene Handeln des Amtmanns Negelein ins Positive umgewandel wurde.
Durch den Neuaufbau entwickelte sich Westerstede im Laufe der Jahre wirtschaftlich mehr und mehr. Der Marktplatz konnte vergrößert werden und 1818 gab es erstmals 114 Marktbezieher, die dort ihre vielfältigen Waren verkauften.

Bis zur Errichtung des Rathauses Anfang des 20. Jahrhunderts stand an dieser Stelle der "Lindenhof", in dem Mutter Gerken beim  Tanzmeister Siems das Tanzen lernte. Der konnte zwar gut Geige spielen, aber mit der Grammatik hatte er "nichts am Hut". Seine Aufforderung zum Tanz begann so:
Ein, zwei, drei, vier. Mir ansehen!
Ran an die Dame,wieder weg von sie!

Weiter ging es vom Marktplatz mit der Skulptur "Oma Apen"  zur "Thalenweide", die der Familie des Gemeindevorstehers Thalen gehörte.
Hier wurden früher Tierschauen abgehalten. Im Jahr 1913 erwarb die Gemeinde Westerstede das Gelände. 1926 wurden zu Ehren des Carl Thalen Findlinge unter den alten Eichen platziert. Eine dieser Eichen steht noch heute, schöner und größer denn je. Getreu dem Ammerländer Motto "Ekenholt mookt stolt" galten die Waldbauern  mit großem Eichenbesitz als immens reich.

Während einer kleinen Pause bot Mutter Gerken uns einen Ammerländer Löffelteunk mit original Trinkspruch: ich seh di, dat freit mi.....an.
Für richtige Antworten oder kritische Nachfragen im Laufe des Spaziergangs verteilte sie Reichsmark-Geldscheine (die aber am Schluß wieder eingesammelt wurden).

Mutter Gerken gab auch einige Anekdoten über bekannte Persönlichkeiten aus "ihrer" Zeit zum besten, zum Beispiel über den Heimatdichter Wilhelm Geiler, der ihr einmal beim Laterneanzünden zu nahe getreten war oder über die Begegnung von Louis Busch vom " Hotel Busch" mit Großherzog Peter von Oldenburg.
Über die Skulptur der "Oma Apen" am Marktplatz gibt es ebenso eine kleine Geschichte wie auch 
über den  wohlhabenden Karl  Polak, dessen Wohnhaus die heutige Stadtbücherei beherbergt und Hermann Klimpel, dem Karl Polak finanzielle Hilfe leistete.
Wer den Rundgang einmal mitmachen möchte kann durch Mutter Gerken über diese Personen noch einiges mehr erfahren. An dieser Stelle davon zu erzählen würde den Rahmen sprengen, leider!
Zum Schluß hat die Gruppe noch das winzige alte Gefängnis angesehen, eine "Oldenburger
Hundehütte" bestaunt und im Eiscafe frisch gebackenen Apfelstrudel und guten Kaffee und Tee genossen.
Dieser humorvolle Stadtrundgang hat den Jeddeloher Landfrauen viel Spaß bereitet und sie können ihn unbedingt weiterempfehlen.

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