Die abgängige Historie eines Ortes
Ein Kommentar zum Abriss der Edewechter Kornbrennerei
Edewecht
Nun ist es wieder soweit, ein weiteres Stück Edewechter Historie wird dem Erdboden gleichgemacht: die altehrwürdige Kornbrennerei steht als nächstes auf der Abschussliste im Angesicht von Profit und Spekulation. Ortsbildprägende Gebäude sind in Edewecht wie nirgendwo sonst durch Bauwut und Maklerlobby verschwunden - mit der Folge eines eklatanten Identitätsverlustes, gesichtslos, einfallslos, alles ersetzt durch kalt wirkende Profanbauten, wie es die Zeichnung für das geplante Wohn- und Geschäftshaus an der Hauptkreuzung zum Entsetzen aller schon offenlegt. Edewecht nie wieder was es einmal war, nur noch Tummelplatz architektonischen Wildwuchses, zersiedelt, verbaut, verkorkst. Die Liste mutwillig abgängigen kulturellen Erbes ist erschreckend lang und traurig. "Unser Dorf soll schöner werden" findet hier nicht statt, der toristische und ideelle Werteverlust ist unwiederbringlich und letztendlich sinkt für uns alle die Lebensqualität in Edewecht.
Das jüngste Beispiel hierfür ist der Abriss der alten Bäckerei Springer, dem wirklich allerletzten Zweiständerhaus entlang der Hauptstraße, eines der letzten Stückchen bäuerlichen Kulturguts. Oder die bonbonfarbene Fassadenverschandelung des Hauses Fahrschule Schuler. Wie es anders sein kann, zeigen die restaurierten und neu gebauten Gebäude neben Heinje (oder das WC-Haus an der Combimühle).
Die Kornbrennerei, als Baudenkmal ausgewiesen, degradiert durch den bisherigen Eigentümer zum reinen Spekulationsobjekt, wird gnadenlos über viele Jahre dem Verfall preisgegeben. Die allseits bekannte Vorgehensweise, bis eine Sanierung wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. So lange, bis die Untere Denkmalschutzbehörde ohnmächtig den Abriss genehmigt und sich letztdendlich selbst überflüssig macht.
Leider fehlt es auch und vor allem dem Gemeinderat an Willenskraft und Phantasie für Edewecht und dem Erhalt seines Ortsbilds tätig zu werden. Wieder einmal wird der bauhistorische kulturelle Wert eines Gebäudes vollkommen verkannt! Immerhin zeigen sich alle von einer derartigen Kompetenz um festzustellen, dass eine Sanierung wohl nicht mehr lohne, was dann komme, scheint egal. So sieht keine Politik mehr aus, das ist Gleichgültigkeit gegenüber Bürgerwillen und Willfährigkeit gegenüber Spekulantentum, Planungsbüros und Architekten.
Der Kornbrennerei als ganz zentrales Gebäude hätte einer Teilauslagerung des Rathauses dienlich sein können, z. B. für Besprechungs- und Fraktionsrüume oder Archiv und/oder als neues "Haus der Begegnung" mit entsprechendem Veranstaltungsraum. Die Restaurations- und Sanierungskosten tragen sich schließlich voll und ganz durch den Wegfall des geplanten Rathausanbaus (EUR 900.000,--) und dem Verkauf des (häßlichen!) Hauses der Begegnung. Gelder aus der Städtesanierung, nunmehr für ein öffentliches Gebäude, kämen hinzu. Von einem "Sanierungsstau" kann daher keinerlei Rede sein. Der Rat hätte Zustimmung auf breitester Ebene gefunden! Richtung Marktplatz mit angeschlossenem Boule- und Spielplatz, Sitzgelegenheiten, einer möglichen gastronomischen Einbeziehung des Schützenhofs usw. Ein Ort mit Flair für die Zusammenkunft von Jung und Alt.
Dass ferner geplant ist, durch den Abriss die Rathausstraße zu verbreitern und somit noch mehr Verkehr zu den Billigmärkten über den Marktplatz provoziert wird, ist vollkommen unbegreiflich. Beim (theoretischen) Abriss der Kornbrennerei (und auch noch jetzt!) hätte der Verkehr (wie derzeit) "sanft" um den Marktplatz herumgeführt werden können und der Marktplatz wäre ein wirklicher Ort der Ruhe geworden und nicht verkehrsdurchflutet mit Lärm und Abgasen, Busverkehr. Ein Marktplatz für den Alltag, für Ältere und Kinder, wie in anderen Orten üblich, und nicht nur für Festtage.
Leserkommentare (0)