Samstag, 01. Juni 2013, 16:39 Uhr
Ausflüge

Sie liegt fast am Weg: Die Stadt Winschoten, NL

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Die Oldenburger lieben ihre Partnerstadt Groningen und die  Einwohner Groningens bekunden mit vielen Aktivitäten in und um Oldenburg, daß sie ebenso fühlen.

Oldenburg . Die Freundschaft der beiden Städte ist in den vergangenen Jahrzehnten auch sehr gewachsen. Dazu trägt der regelmäßige Buslinienverkehr  mit dem Public-Express bei, eine direkte Verbindung von Oldenburg nach Groningen und umgekehrt. Beide Städte profitieren von ihren gegenseitigen Besuchen und unterstützen sich zunehmend in den  Ausbildungs- und Arbeitsbereichen.

Man fährt nach Groningen, um Kunst zu begreifen, um die Stadt kennenzulernen oder auch nur , um legendäre Plätze wie das Pannekokenship am Schuitendiep  in Groningen zu besuchen und die in allen Varianten angeboten Pannekoken zu essen, die  teilweise auch gewöhnungsbedürftig sind, mit Speck und Sirup. Natürlich gibt es sie auch mit Kirschen und Sahne  und noch soviel Sorten mehr. Viele spezielle Pfannkuchenrezepte kommen hier auf die blankgescheuerten Holztische. Es ist einfach Kult.

 Man erreicht Groningen in 1,5 Stunden Fahrzeit von Oldenburg aus mit dem Auto und es bietet neben Spielbank- und Shopping-Erlebnisse noch eine Menge mehr.

Da sind noch die Markttage, die sich schon im Wesentlichen von denen in Deutschland abheben,  die Angebote in den Sportanlagen und die kulturellen Veranstaltungen.

Wer im Umkreis von Groningen auch mal andere Städte und Dörfer kennenlernen möchte, der muß nicht lange suchen, es gibt soviele Orte, die es unbedingt auch wert sind, daß man einfach mal Halt macht und auf Erkundungstour geht.                        

Von Oldenburg aus ist Winschoten nur  mit 1 Stunde  Fahrzeit und korrekt 97 km Wegstrecke  zu erreichen  und liegt ca. 12 km von der Grenze zu Deutschland entfernt. Winschroten – so ähnlich sprechen es die Niederländer aus.

Seit meinem 16. Lebensjahr verbindet mich eine tiefe angenehme Freundschaft mit dieser Stadt, gelegen an der Abfahrt Nr. 47 der Autobahn  A 7 nach Groningen.

Damals hatte ich selbst natürlich noch keinen Führerschein als wir mit Freunden unterwegs waren und eher durch Zufall Winschoten entdeckten. Die Autobahn war noch nicht vorhanden und es gab eine alte Strecke über Nieuwe Schans , durch alle Dörfer, jedes für sich mit riesigen Landstellen und Höfen ausgestattet. Wenn im Winter die breiten Gräben neben der Straße mit einer festen Eisdecke überzogen waren, dann sah man hunderte von Schlittschuhläufer  ganz nebenbei ihre Wettkämpfe austragen.

Als ich dann mit 18 Jahren den Führerschein und ein Auto besaß , von da an fuhren wir mehrmals im Monat nach Winschoten. Die Mode war den Deutschen  zeitlich ein Jahr im voraus und auch sonst lockte die Stadt mit anderen Eindrücken, Gerüchen und ganz viel anderen Produkten, die man gerne mal ausprobierte. Zwar waren es nicht die Preise, die attraktiv waren, die unterschieden sich nicht soviel von unseren, aber es war halt ein anderes Land, das besondere Flair des „Nicht-Alltäglichen“.

So gab es bei uns zu Hause auch eine extra Geldbörse mit Gulden. Man mußte ja noch das Geld tauschen und da wir sowieso immer hinfuhren lohnte es sich schon, die nicht verbrauchten Gulden zu behalten bis zum nächsten Einkauf.

 Auf dem Weg nach Hause , diesseits der Grenze, liegt die Ortschaft Bunde und da kaufte man dann noch ein, was man vielleicht in Winschoten nicht bekommen hatte.

Das Gute war hier in den Läden in Bunde, sie hatten zwei Ladenkassen, man konnte mit Gulden und auch mit DM bezahlen.

 In der Zeit, als noch Grenzkontrollen angesagt waren, konnte man nicht immer die Fahrzeiten so  genau planen wie heute, denn es kam schon mal vor, daß die Autoschlangen an der Grenze  ein paar Kilometer ausmachten und da hieß es dann „Warten“ bis man dran kam. Das konnte mitunter dauern.

Das war dann schon ärgerlich wenn die Zeit sowieso knapp bemessen war und man Spätnachmittags noch schnell mal zum Einkaufen rüberfahren wollte.

Eine Zeitlang , als in Deutschland schon die Sommerzeit eingeführt war, gab es diese in den Niederlanden noch nicht und somit konnte man , wenn alles glatt lief, schon eine Stunde mehr zum Einkaufen einplanen oder sich etwas länger in einem Gastraum der „urigen“ kleinen Konditoreien aufhalten, die  m. E. den „besten Kuchen“ herstellen. Kuchen mit Marzipan, „petit fours“ in allen Varianten und ganz „lekker“ Taarten bieten sie an. Bei der Verlockung ist eine „kleine kulinarische Sünde“ dann auch nicht mehr  abwendbar.

Auch die Niederländer führten dann schon recht bald die Sommerzeit ein und alles war uhrzeitmäßg wieder gleich.

In den frühen 60igern sah es wohl bei allen in finanzieller Sicht nicht so rosig aus. Man konnte sich keine großen Urlaube in anderen Ländern leisten und so war man immer wieder dankbar über so einen kleinen grenzüberschreitenden Ausflug, der eben auch ein Stückchen „Ausland“ vermittelte.

In Winschoten waren damals nur ganz wenige Deutsche anzutreffen, eine Handvoll vielleicht, kein Vergleich mit heute. Das liegt wohl auch daran, daß früher nicht so viele Leute ein Auto besaßen und nicht einfach rüberfahren konnten. Außerdem lag die Stadt damals doch eher etwas außerhalb der  landläufigen Wegstrecke und wurde somit auch weniger angefahren.

Die Stadt hat sich stetig entwickelt und grandiose Bauprojekte geschaffen, derzeit bringt man gerade ein großes Objekt in Form eines Kulturcentrums zu Ende, auf dem Platz wo das abgebrannte „De Klinker“  zu vielen Veranstaltungen einlud.

Parallel zur Stadt Winschoten, an der anderen Seite der Autobahn gelegen, hat man große flächendeckende Wohnlandschaften, mit kleinen Seen und akzentsetzenden Merkmalen geschaffen. „De blauwe Stad“  wird mit fortführenden Erweiterungen zum Landschafts- und Häuserbau-Projekt  der Superlative und wird sicher noch viel von sich Reden machen.

Winschoten , die Stadt , die in den 60er Jahren noch mehr als heute ein klein wenig mit einem englischen Touch behaftet war, wie mir schien. Die Musik war vorwiegend Englisch und in der Sprache fand man außer der Muttersprache sowieso viel Englisch, aber auch französiche Bezeichnungen für Dinge waren früher wie heute im ganzen Land zu finden. Natürlich wurde auch viel Deutsch gesprochen, jeder beherrschte ein wenig dank der grenznahen Lage, wobei es umgekehrt eher etwas karger aussah, sonst hätte man in all den Jahren schon perfekt die Landessprache unserer Nachbarn beherrschen müssen. Aber nein,  w i r    begnügen uns mit Kleinigkeiten wie „tot ziens“ (Auf Wiedersehen) und ähnliche aussagekräftige Bezeichnungen.

Natürlich verstehen wir eine ganze Menge, denn jeder von uns versteht ja auch das sprachlich ähnlich gelagerte Plattdeutsch. Ein paar Kilometer weiter zur Küste hin, im sogenannten „Friesland“, da hätte man dann erhebliche Verständigungsschwierigkeiten, das „Friesische“ ist eine Sprache für sich , ähnlich wie das Saterländisch  in Niedersachsen.

In Winschoten gab es die aktuelle Musik immer zuerst, damals noch auf Venyl, man fand einfach alles in den großen Plattenläden, von denen damals schon einige  vor Ort waren.

Wir wurden zum Allerheiligen Markt eingeladen  und waren auf den Wochenmärkten zu Hause. Schließlich in der Weihnachtszeit begrüßte uns auch der „Swarte Piet“ mit seiner Mannschaft, wenn er durch Winschotens Straßen zog.

Es gab kein nachkriegsbezogenes Verhaltensmuster uns gegenüber, jedenfalls ließ man es uns , zumindest in Winschoten selbst, nicht spüren.

Viele Jahre später trat ich einmal ganz gewaltig ins Fettnäpfchen. Wir waren wieder mal zum Einkaufen hingefahren und  waren auf geschlossene Läden getroffen. Nur ein Gartencenter am Rande der Stadt hatte geöffnet, verkaufte Blumen und bewirtete uns in der Cafeteria.

Ich wollte von der Bedienung wissen, welchen Feiertag man heute habe und was er bedeute.

Das hätte ich wahrscheinlich besser nicht fragen sollen, die Antwort fiel ziemlich schroff aus als sie vom „Befreiungstag“ berichtete. Aber unsere Bestellung hat sie trotzdem ausgeführt!

Vor Kurzem wollte ich unbedingt mal wieder die alte Landstraße von Nieuwe Schans aus nach Winschoten fahren. Die Fahrt dauerte ganze 25 Minuten (12 km), aber sie hat mir trotzdem Freude bereitet.

In Erinnerungen schwelgend  erkannte man das eine oder andere Merkmal der alten Straße wieder, bewunderte wieder einmal die gigantischen Höfe und es fielen uns sofort wieder einige Anekdoten ein.

Damals , vor fast 50 Jahren, war „Holland“ wie es im Volksmund genannt wird, das einzige  Gebiet, daß man schnell und ohne viel Ausgaben auch mal mit dem Moped erreichen konnte. So waren auch meine Cousins dabei und waren mit ihren motorisierten Untersätzen zum Zelten gefahren. Sie berichteten über phänomenale Feten und viele Freundschaften sind damals geknüpft worden. Ein Cousin von mir, der schon seit 45 Jahren in den USA lebt, der bekommt heute noch glänzende Augen, wenn wir von dieser Zeit reden, so beeindruckend war nicht nur die Zeit damals, sondern auch ganz extrem Winschoten als  die „besondere Stadt“

 

Beim Durchfahren der Dörfer, die an der alten Landstraße gelegen waren, fielen die  gehäuften Verkaufs-Schilder auf , meistens an den großen Höfen.Ich weiß nicht, warum sie hier alle verkaufen wollen, es  entstehen sogar neue Häuser an dieser Straße, sodaß davon augegangen werden kann, daß die Straßenführung beibehalten wird. Es mag einen anderen Grund gehabt haben,  aber den habe ich nicht erfahren.

Wir fahren heute  auch noch oft nach Winschoten, zwar nicht mehr ganz so oft wie früher, aber die kleine Stadt hat nichts eingebüßt von ihrem Charm, von ihren Gerüchen und von ihrer freundlichen Art mit uns „Nachbarn“ umzugehen.

Da wir alle mehr an Wohlstand und an neuen Dingen orientiert sind, hat sich das  Wow-Gefühl der frühen 60iger verflüchtigt, es ist mehr  Normalität eingetreten seit an der  Grenze  nur noch bedarfsmäßig Kontrollen stattfinden.

Aber immer noch klingen die Glocken der vielen Kirchen anders in unseren Ohren, immer noch sind wir gerne dort und immer noch ist der Käse ganz besonders „smakelijk“ wenn er direkt in Winschoten gekauft wurde.

 

Anmerkung: Ich habe hier über meine eigenen Eindrücke, von früher und von heute berichtet. Es kann durchaus sein, daß andere Personen ganz andere Erkenntnisse gesammelt haben, die sich von meinem Bericht auch sicherlich abheben können, aber so wie ich hier berichtete, so habe ich persönlich es empfunden.

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