Freitag, 21. Oktober 2016, 13:50 Uhr
Grünkohl

"Gröönkohl"

3201
2
 

Gröönkohl sagte man auf Plattdeutsch zu dem Traditionsgericht, das nur heiß und sehr fettig auf den Tisch kam. Was man heute alles damit verbindet sind allerlei traditionelle und begleitende Veranstaltungen rund um das Grünkohlessen. Kohlfahrten machen den größten Anteil im Zusammenhang mit dem Kult-Essen aus.

Oldenburg / Ammerland

Was früher mit der Grünkohlzeit verbunden wurde, das waren ganz viele Arbeitsschritte, die letztendlich aber zu einem fertigen Produkt führten, das sich im Laufe der Jahre zu einer wahren Delikatesse wie ebenso zu einem Traditionsgericht gemausert hat.
Da war die frostige Witterung, die schon total anders roch und die Kälte legte sich im Sinne der Grünkohlanhänger wohltuend über diese krausen Kohlblätter. Erst wenn der Frost den Zuckergehalt freigesetzt hatte, dann war der Grünkohl in seiner besten Gebrauchsform zu genießen, denn erst jetzt ließen sich durch den Gefrierprozeß die Bitterstoffe verdrängen und das vitaminreiche Gericht fand immer mehr Freunde. Ohne die später vorhandenen Gefriergeräte mußte man schon geduldig warten bis der erste Frost übers Land zog. Heute muß man darauf keine Rücksicht mehr nehmen; den natürlichen Gefrierprozeß haben längst Techniken wie „Schockgefrieren“ übernommen.
Wobei ich erst kürzlich einen Artikel über Grünkohl entdeckte, der alle bisherigen Forschungsergebnisse scheinbar zur Seite stellte und demnach nur noch den Reifeprozess und eine kalte Jahreszeit vordergründig als zu beachtende Erntevorschrift aufführte. Weisen Forschungs-Leuten fallen dann sicher in einigen Jahrzehnten wieder andere Kriterien hinsichtlich des beliebten grünen Wintergemüses ein.
In den 50er Jahren gehörten ganze Wannen voll mit dem krausen, noch halbwegs gefrorenem Kohl ein paar Mal im Winter zur Vorbereitung auf deftige Mahlzeiten. Natürlich mußte er noch bearbeitet werden. Die harten Rippen und auch die sogen. „Strunken“ mußten entfernt werden bevor er in einem großen Topf zum Kochen landete. Viele behaupten, daß der Kohl mindesten 4 Stunden kochen muß, andere haben andere Garzeiten parat. Damals, so erinnere ich mich, war die Vorratshaltung dieses Gemüses, ebenso wie die anderer Lebensmittel, nur mit Hilfe von Einweckgläsern möglich, die dann schön säuberlich auf Borten in der Speisekammer plaziert wurden. Natürlich war das eine Möglichkeit, aber der frisch gehackte Kohl war eben die bessere Option.
Vielleicht hat man als Kind noch einen besseren Geruchssinn, denn ich fand immer, es hat damals im ganzen Haus bedenklich unangenehm gerochen.
Das Endergebnis versöhnte aber sogar mich, die ich mit deftigen Essen sonst nicht soviel am Hut hatte. Ich mag gar nicht dran denken, was mir Steckrüben, Graupensuppe und Ähnliches für unangenehme Momente beschert haben.
Grünkohl aber, dazu Kohl und Pinkel, ganz viel Speck und Kassler und nicht zu vergessen, die legendäre Hafergrütze als Bindemittel, gehörte mit all' diesen Zutaten zu einem Highlight in der ländlichen Küche. Und nur diese Zutaten bedingten den echten Grünkohlgeschmack. Alle weiteren Varianten lagen im Ermessen der Köche, die etwas anderes ausprobieren wollten, was bei einem echten Ammerländer aber sowieso keine Chance hatte.
Bei uns zu Hause sagte man zu den Würsten Kochwurst und Kohlwurst, wobei Kohlwurst mit dem Namen Pinkel einherging, aber……ich scheute mich immer das Wort auszusprechen wenn meine Muter mich zum Schlachter schickte . Ich habe immer bekommen was ich wollte obwohl ich die Bezeichnung Kohlwurst einsetzte: Ich bekam meine Pinkel, jedes Mal. Ich habe es auch nie wirklich geändert, auch wenn ich als Erwachsene später keine Probleme mehr mit der Bezeichnung Pinkel hatte. Also behielt ich es bei, bestellte Kohlwürste wenn ich Pinkel meinte und immer wurde es auch akzeptiert.
Bis zu dem Tag, als ein Verkäufer vor versammelter Kundschaft zu mir sagte als er meine Bestellung annahm: „Meinst Du Pinkel?“ Natürlich meinte ich die , aber jetzt wurde es richtig peinlich für mich, da ich das spöttische Grinsen um mich herum wahrnahm .
Das Wort Pinkel ist in der Herstellung früherer natürlicher Materialien begründet.
Grünkohl schmeckt immer zu Hause am besten und jede Familie im Oldenburgischen oder im Ammerland behauptet von sich, den besten Grünkohl der Welt kochen zu können. Das behaupte ich einfach auch mal von mir.

Leserkommentare (2)

Melden Sie sich bitte an um einen Kommentar abzugeben.
Passwort vergessen

Artikel schreiben



Bitte warten...
Schon registriert?
Melden Sie sich hier an! Passwort vergessen Anmelden
Noch nicht mit dabei?
Registrieren Sie sich hier! Registrieren

Von Lesern für Leser

Dieses Portal bietet allen Lesern die Möglichkeit, eigene Beiträge und Bilder zu veröffentlichen. Es handelt sich nicht um Beiträge der Nordwest-Zeitung, die Beiträge werden nicht vorab geprüft.

Feedback

Sie haben einen Fehler entdeckt oder einen Verbesserungsvorschlag? Schreiben Sie uns!

Suchen in der N@chbarschaft

Die Autorin