Der Spiegel zeigt den Weg.
Eine berufstätige Frau heute
Ofenerdiek
Der Tag war lang und anstrengend gewesen. Viele Gespräche und Diskussionen wurden in der Sitzung geführt um das neu geplante Bauprojekt des Stadthafens von Oldenburg. Als einzige Frau unter sieben Männern hatte ich an diesem Tag meine Position ausgebaut, mit klaren Worten und Argumenten meinen Standpunkt verteidigt. Ich fühlte jetzt auf dem Weg in die Tiefgarage wie die Anspannung von mir abfiel, mein Herzschlag ruhiger wurde. Die Tiefgarage war nur wenige Meter vom Bürogebäude entfernt und führte durch eine Ladenzeile mit vielen Schaufenstern.
Interessiert blieb mein Blick an einem Modehaus mit der neuen Kollektion für das Frühjahr hängen. Da stand ich, es war eineSpiegelwand und präsentierte mir ohne einen schönen Hintergrund meine Erscheinung wieder. Wie gebannt schaute ich mich an. Die Erinnerung an gestern Abend prasselte auf mich nieder. Wie lange hatte ich mich in meinem Schlafzimmer aufgehalten für diesen wichtigen Termin heute. Ich erinnerte mich daran das ich, erschöpft vom vielen An- und Ausziehen einen unzufrieden stellenden Entschluss gefasst hatte. In dieser Zeit verpasste ich die ZDF Nachrichten und die Tagesschau war schon bei dem Wetter angelangt. Das Ergebnis sah ich jetzt vor dem Spiegel dieses Modehauses. Der Mantel war für meine Größe zu lang, die Hose fand ich plötzlich zu kurz und statt der Absatzschuhe hätten die Lederstiefeletten besser ausgesehen.
Nachdenklich betrat ich das Parkhaus, in dem sich noch einige Kollegen aufhielten. Auf der Fahrt nach Hause ließ ich noch einmal die letzte halbe Stunde an mir vorüberziehen. Mein Hochgefühl des beruflichen Erfolges trat durch die zufällige Begegnung mit dem Spiegel in den Hintergrund.
Wie würde mein Alltag aussehen, wenn ich morgens aus der Dusche kommend zielsicher zu meinem Schrank gehen könnte und die Freiheit hätte, jedes meiner Kleidungsstücke anzuziehen? Ganz nach Lust und Laune, ohne Einschränkung.
Meine Fahrt war beendet. Langsam ging ich auf das Haus zu und blickte auf die Fenster meiner Wohnung. Ich schloss auf und ging in das Wohnzimmer. Es war so ruhig hier, der helle Ahornfussboden glänzte im Licht der Wandlampe. Der zweite Raum war mein Schlafzimmer. Am Fenster stand mein Sessel und darauf häuften sich die Blusen, Hosen und Jacken von gestern Abend.
Mein Bewusstsein zu mir selbst war auf der Strecke geblieben und ich hatte zugelassen, das mein beruflicher Erfolg ganz oben stand. Die Tage und Abende waren vorprogrammiert, verliefen bis auf wenige Aussnahmen immer gleich.
Morgen ist Samstag und ich werde wieder nach langer Zeit den Wochenmarkt besuchen. Die Gerüche wahrnehmen, sie tief einatmen, Gemüse aussuchen und mir mit allem Zeit lassen. Mein Bewusstsein wieder schärfen, nur das Beste für mich selbst wollen. Meine Vorräte entrümpeln um nur noch das zu haben was gut für mich ist. Dieser Abend hat mich aufgerüttelt aus meiner Eintönigkeit und ich wusste plötzlich, das dieses Ereignis welches in meinem Lebenslauf gar nicht erscheinen würde, wichtig gewesen war. Vergessen würde ich diesen Abend nur mit mir selber nicht.
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