Dienstag, 19. Mai 2020, 14:35 Uhr
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"Küstenwoche"

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Unmittelbar nach einer bedingten Lockerung der Sicherheitsvorschriften der Corona-Krise konnten wir in Cuxhaven-Duhnen erstmals ab 11. Mai 2020 in einem Appartmenthaus "eine Zeit der Erholung" verbringen.

Oldenburg / Ammerland Am regennassen Strand von Duhnen versuche ich zu ergünden, welche Kriterien an genau diesem morgendlichen Spaziergang mir „Lust auf mehr“ machen sollen. Nein, ich kann sie nicht finden, die tollen Motive, die meine Fotoreportage den Kick geben könnten. Dafür aber finde ich an der spärlich frequentierten Promenade ganz viele kleine Besonderheiten, immer schon dagewesen , immer schon gesehen, aber heute sehen sie im kargen spärlichen Licht des frühen Morgens irgendwie attraktiver aus als sonst. Ich muß kurz noch einige Gedanken zu Ende denken, bevor ich mich dann den leeren Bankreihen
zuwende, oben Sie erzählen ihre Geschichten von den leergefegten Urlaubsorten, von der Epedemie, die die Welt in Zwiespalt versetzt und von der kommenden Zeit, die hoffentlich bald wieder so sein wird wie früher. Spätestens jetzt habe ich eingesehen, daß weder Reichtum noch Macht in einer Phase der unabwendbaren Krankheiten Vorteile verschaffen, die Sicht auf die Krise ist aus jeder Perspektive beängstigend, da sind dann wohl alle wieder gleich, jedenfalls für eine kurze Zeit. Auch mir fehlen die entgegenkommenden Touristen und die spielenden Kinder im Sand, die fliegenden Drachen vermisse ich und noch ganz viel mehr. Heute sind es nur eine Handvoll Menschen, die uns mit ihrem freundlich zugerufenem „Moin“ vermitteln, daß auch sie sich über einen Gegengruß freuen würden. Natürlich, das machen wir doch, das gehört sich so , hier im Norden.
Norddeutsche sind einfach nicht stur, wie man immer behauptet, es ist schlicht und ergreifend ein Vorurteil, ein Mythos. Immer wieder fahren die riesengroßen Frachter vorbei, an der engsten Stelle bei der Kugelbake vorbei in Richtung Hamburg . Genau den gleichen Weg nehmen sie auch wieder zurück. Von der Kugelbake aus kann man auch noch ein Schiff der Serie „Mein Schiff“ sehen, hier liegt das Schiff „Mein Schiff 3“. Viele Besatzungsmitglieder der Schwesternschiffe (es gibt ganz schön viele) sind hier seit Wochen festgesetzt, um den gefürchteten Virus einzugrenzen. Nachdem ungefähr 600 Bedienstete zum 2. Mal negativ getestet wurden, konnten sie in dieser Woche per Charterflug in ihre Heimatländer geschickt werden. Eigentlich wollte ich das Schiff ganz aus der Nähe betrachten und fuhren mit dieser Absicht zur Alten Liebe nach Cuxhaven, wo das riesige „Boot“ vor Anker lag. Leider war alles so abgeschirmt, daß nur ein paar Tricks halfen, um wenigstens einige akzeptable Bilder zu bekommen.


An der Promenade finde ich auch noch das große Loch, fast am Boden des Weges, eigentlich ist es für Wasserabläufe nach starken Regenfällen gedacht, für mich ist es wesentlich mehr. Ich knie mich ohne Rücksicht auf meine Kleidung in den Sand und positioniere mein Kamera-Objektiv so vor das Loch, das mir mit seiner Rundung und dem richtigen Hintergrund weit draußen auf dem Meer ein traumhaftes Foto ermöglichen könnte. Ich muß mich sputen, sehe ich gerade, die kreischenden
Möven gedenken mein Bild zu durchqueren, das wäre dann noch mal ein Highligt. Ob es gelungen ist, sehe ich erst im Appartement auf dem PC, wenn nicht , muß ich weitersuchen nach einem lohnenden Motiv. Ich habe längst den Sand von meiner Hose geputzt und meinen Weg fortgesetzt. Komisch , ich habe gerade das Gefühl, alles was ich sehe und worüber ich zu recherchieren versuche, das macht mein Herz lebendiger und meine Seele frei von Zweifeln. Auch Regentropfen, die in der Pfütze Ringe bilden, auf Blütenblättern haften bleiben, sind Teile vom Ganzen.Genug philosophiert und genug Zeit auf der Promenade verbracht. Beim nächsten Mal habe ich dann wieder über Außergewöhnliches oder Gewöhnliches, vielleicht sogar über Kleinigkeiten zu berichten, aber auf jeden Fall werde ich sie hier an der Küste finden.Ein paar Tage bestimmt noch.
Im Gegensatz zu unserem vorjährigen Aufenthalt im gleichen Monat Mai war es die ganze Woche doch schon sehr viel kühler, eigentlich schon eher als „kalt“ zu bezeichnen. Mit der entsprechenden Kleidung aber darf das einem echten Norddeutschen aber nicht soviel ausmachen. Die Spaziergänge fallen zwar etwas kürzer und die Ruhepausen im Appartement etwas länger aus, dafür können aber auch gleich die Eindrücke und Bilder auf der Festplatte des „immer mitreisenden“ Laptops gespeichert werden. Die frische Luft ist wie immer erholsam und Balsam für die Haut, auch ist sie in den Lungen wohltuend zu spüren. Irgendetwas muß ja immer besorgt werden und so werden die Spaziergänge dann meistens an irgendeinem Einkaufstempel unterbrochen, wobei dann immer auch noch einige Extras , die so nicht geplant waren, in den
Einkaufswagen gelegt werden, aber was solls, das ist eben so, wahrscheinlich
bei allen Leuten. Dumm nur, daß man immer noch den Mundschutz nicht weglassen kann, es wäre zu gefährlich, aber so richtig atmen kann man auch nicht drunter.Nur, was die anderen können, das ist bei uns auch zu schaffen. An diesem Morgen sah ich dann auch die vielen Pferde auf der Weide neben der Hauptstraße wieder, sie waren so weit weg und ich hatte Zweifel, daß sie in die Nähe kommen würden. Aber…….als sie uns sahen, kamen sie ganz schnell angallopiert, eine tolle Abwechslung , dachten sie wohl. Denn zur Zeit war ihre Arbeit als Zugpferde vor den Wattwagen nicht gefragt, es finden noch keine Fahrten wieder statt. Also müssen sie mit den vorbeilaufenden Passanten zufrieden sein, die ihnen Streicheneinheiten und nette Worte mitbringen. Mein Respekt war heute morgen wohl etwas übertrieben, aber auch nicht wegzubeamen, deshalb fielen meine Streicheleinheiten heute etwas spärlicher
aus.
Fasziniert von den zweifarbigen Fliedersträuchern in Verbindung mit dem Goldregen dauerte der Aufenthalt an der Straße wieder einmal länger als er
sollte. Inmitten des Ortes Duhnen ist die kleine, fast unscheinbare, Kirche immer wieder ein beliebter Anlaufpunkt von uns beiden. Bei jedem Aufenthalt gehen wir rein, zünden zwei Kerzen an und manches Mal schon haben wir unseren schriftlichen Eintrag in dem ausliegenden Gästebuch hinterlassen. Es sind so viele Leute, die es ebenso machen und wenn man anfängt die Einträge zu lesen, dann findet man ganz viel Interessantes dabei, was dort alles geschrieben wurde. Wie immer, sind aber auch in den Büchern Einträge dabei, die dort eigentlich keinen Platz haben sollten. Es müssen sich inzwischen schon ganz schön viele Gästebücher angesammelt haben im Laufe der Jahre. Eine Kirche, größtenteils für Touristen als Geheimtip für diejenigen, die nach besonderen und historischen Dingen suchen, deren Geschichte man nachverfolgen kann. Meine Informationen gehen soweit, daß ich mich auf das Jahr 1953 berufen kann, in dem Jahr wurde die Kirche gebaut.
Aber wie schon gesagt, sie liegt etwas versteckt in der Nähe eines ebenfalls historischen Denkmals. Nicht unübersehbar, aber ohne Ortskenntnisse müßte man den Standort dieser kirchlichen Anlaufstelle wahrscheinlich erst erfragen.Ursprünglich war es eine Hofstelle, die im Jahre 1860 errichtet wurde und dann 1952 an die Kirche verkauft wurde. Das Jahr 1953 war dann die Umbaumaßnahme beendet und die Kirche konnte ihre Gäste empfangen. Auch in dieser Zeit werden wir unsere Kirche noch einmal besuchen und zum wiederholten Male unsere Kerzen dort anzünden, fast ein Ritual ist es im Laufe
der Jahre geworden.(Ergänzend muß ich jetzt beim Korrektur lesen noch hinzufügen, daß uns der Eintritt in die Kirche in diesem Jahr verwehrt wurde, wegen der Corona-Krise. Sie war zwar irgendwann für ein paar Stunden geöffnet, aber es war gerade nicht unsere Zeit. So war unser Vorsatz nicht durchzuführen). Ich habe übrigens das Gefühl, als wäre an diesem Sonntag der Ort mit ganz vielen hereinströmenden Touristen fast so voll wie vor der kritischen Zeit. Wenn man den Gesichtsausdrücken der Menschen an diesem Sonntag Glauben schenken darf, dann sind sie einfach nur froh, daß sie wieder hier sein können, „reingelassen in die Entspannungszone“.
Lediglich der Mundschutz bringt noch etwas an „ängstlichem Respekt“ ins Gesamtbild und natürlich die Warteschlangen an den Bäckereien, weil jeder die leckeren Müslibrötchen kaufen möchte? Nein, sicher nicht nur die, obwohl sie ganz besonders lecker sind und ich sie in dieser Art noch nirgendwo kaufen konnte. Sie sind absolut nicht billig, vielmehr , sie sind einfach überteuert mit 1E30, aber wir gönnen uns in dieser Zeit mal den Luxus, schließlich sind sie nicht mal größer als ein normales Brötchen, nur mit Maismehl gebacken. Ich bin sicher, daß man sie ähnlich in den Niederlanden bekommen könnte, da unsere Nachbarn viel mit Maismehl arbeiten. Und da werden sie ganz bestimmt nicht so teuer sein, nehme ich mal stark an, dann wissen kann ich es noch nicht. Zurück zum Tourismus, der , so scheint es, jetzt ungebremst weiter geht hier an der Küste, die Campingplätze organisieren je nach Aufkommen der Campingwagen ihre Stellplätze und die Kioske füllen ihre Bestände wieder auf. Die Unterkünfte sind noch auf reine Appartement-Nutzung angewiesen, aber auch die Hotels werden nicht mehr lange ihre Türen verschlossen halten. Wenn meine Prognose richtig ist, dann wird der Sommer doch noch „ein wenig“ erfolversprechend für den kleinen Küstenort. Ich wende mich wieder der Aussicht übers Meer zu und kann bei diesem klaren Wetter sogar den Turm von Neuwerk deutlich ausmachen, mehr noch, sogar die kleinen Fenster im Turm sind gut zu erkennen wenn ich mein Objektiv von der Kamera richtig einstelle.Und wenn ich dann ganz viel Phantasie einsetze und Gedanken übers Meer gleiten lasse, dann sehe ich auch sogar die gelben Wattwagen fahren, mit ganz viel Touristen bestückt. Aber das ist bislang noch eine Fata Morgana in meinem Wunschdenken.
Die ersten Mutigen stehen bereits bis zu den Knien im Wasser, mit oder ohne Stiefel ist der Schlick sowieso überall verteilt, mich wundert, daß denen da Draußen die Kälte nichts ausmacht. Der letzte Laden am Ende unserer Straße und auch am Ende unserer Zeit hier, ist der mit ganz viel „nicht zu gebrauchendem „ Schnickschnack und dennoch auch mit ganz vielen Dingen, die man so hier nicht erwartet hätte, für jeden etwas dabei, für jedes „Herzchen“ ein kleines Mitbringsel. Darüberhinaus habe ich dieses Mal sogar warme Kleidung, Schmuck und ortsbezogenes Porzellan in Form von Tassen, Becher, Teller gesehen. Von allen Dingen gefallen mir die ganz außergewöhnlichen hochwertigen Steine besonders gut, sie sind so unterschiedlich in Form und Farbe, auch in unterschiedlichen Größen, vom knopfgroßen Steinchen bis zum Baumstammgroßen Schmuckstein .Inmitten all‘ der Dinge steht eine uralte Registrierkasse, die man für 500 Euro verkaufen möchte. Ich schaue sie mir genau an und frage dann den Verkäufer, ob ich ein Bild machen kann, ich mag solche alten Dinge und freue mich über jedes neue Bild in meiner Sammlung. Man gestattet mir die Bitte und ich gehe
„fotografieren“.
Ich könnte noch lange hier verweilen und schauen, aber das ist das, worauf mein Bernhard überhaupt „keinen Bock hat“ und so reiße ich mich los, kaufe
nicht den superschönen Schal für 35 Euro, weil es sich ja auch nicht mehr lohnt und wir morgen nach Hause fahren, wo soviele Schals schon zusammengefercht in eine Schublade passen müssen, weil sonst kein Platz mehr da ist.Wir laufen noch mal am Deich lang, ich versuche es nun noch mal die Möven ins Bild zu bekommen, aber die sind wie immer zu schnell, bleiben nicht dort wo ich sie
haben will, schade. Ich schaue angestrengt, ob ich die Namen auf den vorbeigleitenden Schiffen erkennen kann, die in dieser Entfernung lautlos „ohne Ton“ vorbeihuschen.
Am Abfahrtstag, ein trüber Montag, ein 18. Mai 2020, wurde erst mal wie gewohnt gepackt, und gepackt…..! Als dann irgendwann alles fertig gepackt war, hatte ich wieder mal eine grandiose Idee, genau j e t z t wollte ich noch mal an den Strand, ich wollte etwas Sand mitnehmen für eine ganz bestimmte Flasche, das würde super aussehen. Genau das habe ich dann auch durchgesetzt, Bernhard ging den Schlüssel abgeben und ich somit an den Strand um Sand in die Box zu schaufeln, aus der ich vorher die Bratheringe rausgeräumt hatte. Einige Leute haben sicher gedacht „Da muß auch wohl ein Schaden vorliegen bei der Frau“. Nein, das glaube ich nicht wirklich, denn hier trifft man auf viele Menschen, manche etwas verrückter als andere. Die einen sagen so…….und die anderen? Aber dann bin ich schnell zurück ins Auto, es fing schon wieder an mit dem Nieselregen.


Auf dem Heimweg suchen wir dann schon mal das passende Appartement für die nächste Küstenfreizeit aus, wissen auch schon, daß die Waschmaschine jetzt schon in 1,5 Stunden sicher am Laufen ist und wir unseren Mittagskaffee schon wieder zu Hause trinken werden.

Nur noch ein Wort fehlt mir unter meinem Bericht von diesem Mai 2020

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