Freitag, 19. August 2011, 12:18 Uhr
Reise / Urlaub

Mit dem Zug von Kiew auf die Krim

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Sommerurlaub am Schwarzen Meer

Oldenburg  Reges Treiben herrscht auf dem Bahnhof Kiew Pass. (Passagierbahnhof) auch an diesem Sommerabend  noch um 20 Uhr. Tausende Reisende hasten ihren Nachtzügen entgegen, die noch am Abend die ukrainische Hauptstadt in Richtung Krim, Odessa, Moskau, andere ukrainische und russische Städte, aber auch Richtung Berlin verlassen werden. Für viele stehen jetzt Zugreisen von acht bis über dreißig Stunden bevor. Uns zieht es auf die Krim, nach Misschor in der Nähe von Jalta. Das bedeutet ca. 800 km in 15 Stunden Fahrzeit bis Simferopol für einen Fahrpreis von umgerechnet etwa 21 € im Liegewagen.
 
Bevor wir den Zug betreten, stehen uns aber noch zwei Hindernisse bevor: Der äußert niedrige Bahnsteig und die gestrenge Zugbegleiterin. Ohne gültige Fahr- und Platzkarte gewährt sie niemandem Zutritt und damit sie dies allein gewährleisten kann, ist auch nur eine Tür des Waggons zum Einsteigen geöffnet. Dieses Ritual findet an allen zwanzig Waggons statt, denn jeder Waggon hat seinen eigenen Zugbegleiter. Nachdem sie uns Einlass gewährt hat, gilt es die Koffer über die steilen Trittstufen in eine Höhe von ca. 1,20 m zu wuchten. Nachdem auch diese Prüfung absolviert ist, erwartet uns im Zug große Hitze, denn die Klimaanlage in unserem Liegeabteil mit 4 Plätzen wird erst nach der Abfahrt in Betrieb gesetzt. Wie unser Zug sind die meisten Fernzüge der Ukrainischen Eisenbahn (UZ) ordentlich ausgestattet und entsprechen durchaus westeuropäischem Standard. Typisch sind dabei die im Gang und in jedem Abteil vorhandenen Teppiche.
 
Behäbig setzt sich um 20.21 Uhr die unendlich wirkende Schlange von Waggons in Bewegung. Wir verlassen langsam das Zentrum der lebhaften Metropole mit ihren drei Millionen Einwohnern. Nach etwa fünf Minuten empfinden wir die Innentemperatur als angenehm. Wir teilen uns das Abteil mit einer jungen ukrainischen Mutter und ihrer etwa 10-jährigen Tochter. Sprachprobleme gibt es nicht, da meine Partnerin sowohl fließend russisch als auch ukrainisch spricht. Noch sitzen wir alle auf den unteren Liegen und sehen die Vororte Kiews an uns vorüberziehen. Nun werden allmählich die Liegen für die Nachtruhe vorbereitet, denn auch die Sonne beendet langsam ihr Tagewerk.
 
Am nächsten Morgen zieht an uns die unendlich weite Landschaft der südlichen Ukraine mit ihren Dörfern vorbei. Über Cherson geht die Fahrt Richtung Krim. Ziemlich pünktlich erreichen wir Simferopol um 11.06 Uhr. Unser Zug fährt nach Aufenthalt weiter nach Sewastopol. Für uns geht uns nun per Taxi weiter nach Misschor, ca. 15km westlich von Jalta gelegen, um dort unseren Urlaub am Schwarzen Meer zu genießen.
Wir zahlen pro Person etwa 6 Euro im Mercedes Sprinter-Taxi für eine Strecke von ca. 110 km.
 
In Misschor haben wir ein kleines Appartement gemietet, das auf dem Gelände eines Sanatoriums liegt. Die sogenannten Sanatorien stammen noch aus den sowjetischen Zeiten und hatten den Charakter von Erholungsheimen. Heute entsprechen Sie eher  Hotels, wobei einige Zimmerkategorien durchaus noch den Charme der Sowjetunion versprühen, viele aber westlichem Standard entsprechen und diesen preislich teilweise bereits überholt haben.
 
Das Appartement liegt direkt an der Steilküste und wir genießen vom Balkon einen traumhaften Ausblick auf den ca. 30 m tiefer liegenden Strand und das Schwarze Meer. Und auf der anderen Seite blicken wir steil bergauf zum Gipfel des Aj Petri (1234m).
Das Strandleben beginnt bereits früh morgens gegen acht Uhr. Mit westlichen Urlaubsgepflogenheiten wird es daher schwierig eine der überdachten Holzliegen auf der Strandpromenade zu ergattern, man ist halt zu spät dran. Der Strand besteht aus groben Kieselsteinen und es bedarf einiger Übung, um elegant ins Wasser zu gelangen. Das Wasser hat die angenehme Temperatur von ca. 25 Grad, jedoch stören bei ungünstiger Strömung gelegentlich viele Quallen.
Um etwa 13 Uhr wird es ruhig am Strand, denn die meisten Sanatoriumsgäste begeben sich zum Mittagessen und wir kommen uns wie in der Nebensaison vor. Aber ab ca. 15 Uhr erscheinen fast alle wieder zur zweiten Halbzeit am Strand.
Misschor ist vom Tourismus geprägt, wobei hier überwiegend gut verdienende Ukrainer und Russen ihren Urlaub verbringen. Deutsche Gäste treffen wir hier nur zwei Mal, deren Partner waren allerdings auch Einheimische.
 
Direkt am Meer erstreckt sich ein Park, der zum Spazierengehen einlädt und in dem sich etliche Restaurants und Cafes befinden, die einheimische Speisen und Getränke zu günstigen Preisen anbieten. Wer die absolute Ruhe sucht, ist hier allerdings am falschen Ort, Einheimische und Gäste suchen hier eher gute Unterhaltung auch mit lauter Musik. Zu empfehlen sind auf der Krim die sogenannten Cafes, die bei uns eher einfachen Restaurants entsprechen, gutes Essen bieten, aber deutlich preiswerter als die Restaurants sind. In den kleinen Urlaubsorten empfehlen sich dringend russische Sprachkenntnisse, z.B. sind alle Speisenkarten nur auf russisch geschrieben. In den großen Hotels in Jalta kommt man aber auch mit Englisch weiter.
 
Die Krim lädt nun nicht nur zum Badeurlaub ein, sie hat auch kulturell und landschaftlich viel zu bieten. Zu empfehlen ist z.B. ein Bootsausflug an der Küste entlang Richtung Jalta und Gursuf. Das Schwalbennest, die Zwillingsfelsen und die Tschechow-Bucht sind nur einige der Sehenswürdigkeiten.
Und Jalta war auch wegweisend für die deutsche Geschichte. Im Liwadija-Palast fand die Konferenz von Jalta statt. Weltbekannt ist das Foto mit Stalin, Churchill und Roosevelt im Italienischen Garten. Dort treffen wir auch auf viele westeuropäische Touristen, die mit dem Kreuzfahrtschiff den Hafen von Jalta angelaufen haben. Sehenswert in Jalta sind aber auch die lebhafte Strandpromenade und die Alexander Newskij Kathedrale.
 
Jeder Urlaub geht einmal zu Ende und so finden wir uns 12 Tage später nachmittags wieder am Bahnhof Simferopol ein, um den Nachtzug nach Kiew zu besteigen.  Pünktlich um 16.26 Uhr setzt sich der Zug mit seinen 22 Waggons in Bewegung, gezogen von einer in Tschechien gebauten Doppelelektrolok der Baureihe ChS7.  Die gut ausgestatteten Waggons unseres Zuges verfügen auch schon über geschlossene WC-Systeme und eine trotz hoher Außentemperatur sehr gut wirkende Klimaanlage.
 
Wir verlassen die Halbinsel Krim in Richtung Saporoschje. Bei Zwischenhalten wird unser Zug von Einheimischen umringt, die Obst und getrockneten Fisch zum Kauf anbieten. Auf der Weiterfahrt blicken wir wir auf riesige Felder mit Sonnenblumen, die überhaupt kein Ende zu nehmen scheinen. Die gelben Felder und der blaue Himmel lassen uns sofort an die gelb-blaue Flagge der Ukraine denken, obwohl bei der Flagge eigentlich der blaue Himmel über gelben Kornfeldern gemeint ist. Weiter geht die Fahrt nach Kiew. 
Am frühen Morgen serviert uns der Zugbegleiter Tee (für ca. 50 Cent pro Glas). Wie wir im Gespräch erfahren, hat er Erfahrungen mit Deutschland und Österreich gemacht, da er fünf Jahre lang auf den Strecken von Kiew nach Berlin und  Wien eingesetzt war und seinen zweijährigen Militärdienst bei der Roten Armee im damaligen Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) absolviert hatte.Wieder äußerst pünktlich erreichen wir nach 15 Stunden Fahrt den Bahnhof Kiew um 7.41 Uhr.

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