Montag, 13. Januar 2014, 00:08 Uhr
Shanty-Chor Oldenburg

Der Shanty als Weltkulturerbe

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Aber, was ist eigentlich ein Shanty?

Oldenburg Die International Shanty and Seasong Association (ISSA) hat einen bemerkenswerten Plan. Der Shanty soll in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen werden. Der Weg dahin ist jedoch lang und ebenso anstrengend wie manche Seemannsarbeit an Bord. In Deutschland führt er über die Aufnahme in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes, die von den Bundesländern vorgeschlagen wird und über die Weiterleitung an die UNO entscheidet der Bund. Für Niedersachsen hat im November 2013 der Vizepräsident der ISSA, Heiko Hillmer, zugleich Organisator beim Shanty-Chor Oldenburg, eine entsprechende Bewerbung in Hannover vorgelegt (die NWZ berichtete). Ähnliche Wege werden zeitgleich in den Niederlanden und Großbritannien beschritten.

Da viele der oft begeisterten Zuhörer bei Shanty-Festivals und Konzerten selbst nur weinig über die Ursprünge und Bedeutung der vorgetragenen Shantys wissen, ist es sinnvoll hierzu mal eine generelle Information zu vermitteln.
Shantys sind Arbeitslieder, die auf größeren Segelschiffen etwa ab dem 15. Jahrhundert, mit einer besonderen Blütezeit im 19. bis  Anfang des 20. Jahrhunderts . Seeleute waren sehr abergläubisch. Sie sangen ihre Arbeitslieder nur an Bord, nie an Land. Sie befürchteten, das bringe Unglück und belegten den Shanty an Land mit einem ungeschriebenen Tabu.

Das Singen im Rhythmus der Arbeit sollte die Kräfte bündeln und auch dazu beitragen, die sehr harte Arbeit körperlich und seelisch besser durchzustehen.

Einer der Matrosen war der Shantyman, der Vorsänger. Er verstand die Kunst, mit oft selbst ergänzten Texten, laut und rhythmisch Lieder mit einem Refrain zu singen. Der Refrain wurde von der Mannschaft mitgesungen, wobei im Rhythmus zur Arbeit mit voller Kraft gezogen, gehoben oder gelaufen wurde.

Die Shantys wurden selbstverständlich alle a' cappella gesungen. Instrumente konnte man nicht einsetzen; an Bord wurde jede Hand zur Arbeit benötigt.

Schnell wurden die Shantys Gemeingut auf den Schiffen. Die Texte ließen sich die Shantymen einfallen, sie wurden schnell von Schiff zu Schiff überliefert. Die Melodien  kamen jedoch meist von Land. Sie stammten häufig von Volksliedern,  Soldatenliedern, z.B. aus dem amerikanischen Bürgerkrieg oder auch von worksongs der Sklavenarbeiter Nord -, Mittel - und Südamerikas, die ihre Lieder beim Verladen in den Häfen sangen. Die Texte wurden verändert und hier und da auch mal die Melodie. Das macht den Shanty, im Vergleich zum herkömmlichen Volkslied, so einzigartig.

  Da die Arbeiten nicht immer gleich lang waren, musste der Shantyman sich immer wieder neue Strophen einfallen lassen und frei improvisieren. Gesungen wurde, bis die Arbeit fertig war.Die Lieder handeln von Frauen an Land, von Meerjungfrauen und anderen
Seemannsträumen, von Aberglauben, großen Tragödien oder mutigen Abenteuern.

Sie erzählen von Heimweh, dem freien Leben auf See oder sie beklagten die schlechten Bedingungen an Bord: die harte Arbeit, die mangelhafte Versorgung, den schlechten Koch oder die oft brutalen, unmenschlichen Seeoffiziere und Kapitäne.

Die Sprache der Shantys ist vornehmlich Englisch; oft in einer weder sprachlich noch politisch korrekten Ausdrucksweise. Die „Sänger“ konnten häufig weder lesen noch schreiben. England und Amerika hatten zu dieser Zeit die größten Flotten, deren Mannschaften durch Ausfälle und Verluste während der Fahrten in fremden Häfen immer wieder aufgefüllt werden mussten. Die Besatzungen und ihre Sprachen wurden so stetig internationaler; die tägliche Kommandosprache aber blieb Englisch.

Es gibt eine kleine Menge holländischer, plattdeutscher oder auch französischer Shantys, die aber meist aus Umdichtungen entstanden sind.

Allgemein unterscheiden sich die Shantys in drei Gruppen:

  Shantys an Gangspill und Pumpen  (capstan and pump) – `stamp and go´ Shantys

 Mit einem Gangspill oder einer Windlass brachte man viel mehr Kraft auf die Leinen. Man konnte ein Schiff an die Pier ziehen, den Anker lichten, das Schiff beladen oder löschen. Es war oft eine langwierige, monotone Arbeit. Die Matrosen liefen um das Spill herum, vornübergebeugt gegen die Spaken drückend.

Je länger die Schiffe auf See waren, umso undichter wurde die Außenwände, denn sie waren zu der Zeit im Wesentlichen  aus Holz gebaut. Aber auch durch schwere See wurde Wasser in den Schiffsraum gespült. Stundenlang bewegten die Matrosen die Pumpen in harter Arbeit und endlosem Rhythmus auf und nieder.

 
Shantys zum bewegen der Segel (halyard) –

`heave and haul´ Shantys

  Die großen Drei - oder Viermaster hatten Dutzende unterschiedliche Segel verbunden und beweglich durch das hunderte Meter Taue und Leinen umfassende laufende Gut. Alles hatte seine spezielle Funktion und Wirkung auf die Bewegung des Schiffes. Zum Setzen, Fieren oder Brassen wurden, je nach Segelgruppe, stets eigene Shantys angestimmt. Je schwerer die Arbeit war, umso langsamer wurde der Rhythmus des Shantys.

Lieder für die Freizeit - Pollershantys (forebitters)

Die Forbitters sind Lieder, die von den Besatzungen in der Freizeit gesungen wurden, also keine Arbeitslieder. Der Ursprung dieser Lieder ist aber der gleiche wie beim Shanty. Über diese Lieder gewannen die vielen Nationalitäten an Bord eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Unterhaltung und Entspannung nach getaner Arbeit. Zu diesen Liedern wurden auch einfache lnstrumente wie Geige, Gitarre, Harmonika, Banjo oder eine Trommel gespielt. Diese Freizeitlieder kamen auch an Land und wurden oft zu maritimer Folklore, Schlagern oder Tanzliedern.

Nachdrücklich sei abschließend darauf hingewiesen, dass die schöpferische Arbeit an Texten, Melodien, Rhythmen und Strukturen, häufig entstanden aus improvisierten Situationen, von einem hohen Maß an Kreativität und Musikalität zeugt. Die Möglichkeit der Äußerung von Menschlichem, mehr als dem der puren Arbeitskraft allein, hatte eine entlastende, oft gar lebensrettende Wirkung auf die Schiffscrew und ihre einzelnen Seeleute. Wie sagt der berühmte britische Seeheld Horatio Hornblower bei C.S. Forester einmal: „ Nicht die Arbeit, der Shanty formt die Mannschaft.“

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