Mittwoch, 22. Dezember 2021, 15:48 Uhr
Berliner Platz / Städtebau / Architektur der 1960er-Jahre

Vergängliche Modernität

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Eine Oldenburg-Aufnahme aus dem Jahr 1965. - Insbesondere das NWZ-Archiv, die Artikelserie „Oldenburg gestern und heute“ und die Alt-Oldenburg-Website geben Aufschluss über die Geschichte der auf dem Foto zu sehenden zeittypischen Gebäude.

Oldenburg / Westerstede In diesem Artikel soll eine private Aufnahme eines Westersteders aus dem Jahr 1965 näher vorgestellt werden. Sie zeigt den Parkplatz zwischen dem Hallenbad am Berliner Platz und der Mühlenstraße, umgeben von modernen Neubauten der 1960er-Jahre, typisch für den Städtebau dieser Zeit. Heutzutage hat sich aber schon wieder alles geändert. Die Gebäude sind entweder abgerissen oder z.T. stark verändert. Sogar der Straßenname Berliner Platz ist verschwunden, er ist sozusagen „fortgewandert“. Einzig die Lambertikirche links oben im Hintergrund ist so geblieben, aber sie steht entfernt von diesem Bereich und soll deswegen hier nicht das Thema sein.

Links sieht man einen Teil des 1960 eingeweihten Hallenbades am Berliner Platz. In der Serie „Oldenburg gestern und heute“ hat sich die NWZ mit diesem Bau beschäftigt. Dieser Bericht hat auch Eingang gefunden in das zweite Sonderheft zu der Artikelreihe (Seite 13 f.). Das neue Hallenbad wurde zum Teil gepriesen, zum Teil als Schandfleck angesehen. Fast eine ganze Seite widmete am 1. Juli 1960 die NWZ in den Oldenburger Nachrichten dem Hallenbad zu seiner Eröffnung . (Auffindbar im NWZ-Archiv). Dort ist von „Schwimm-Operette“ die Rede, von einem „Juwel im Kranze aller gemeinnützigen Bauten“, von „zweckmäßiger Schönheit“. Immerhin werden aber auch „Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten“ erwähnt.
Schon 2001 musste das Bad wegen baulicher Mängel geschlossen werden. Und am 4. August 2007 vermeldete die Nordwest Zeitung, dass der Abriss des Hallenbades Berliner Platz abgeschlossen sei. Zunächst entstand hier ein Parkplatz mit 208 Stellplätzen, der Anfang Oktober des Jahres freigegeben wurde (so eine kurze Zeitungsnotiz vom 4.10.2007, ebenfalls im NWZ-Archiv).

Hinter dem Hallenbad ist der Bau der Zentrale der Landessparkasse zu Oldenburg (LzO) und rechts davon derjenige der Bremer Landesbank und der Staatlichen Kreditanstalt zu sehen. Diese Gebäude wurden nach und nach in den Jahren 1961/62 eingeweiht und bezogen. In Zusammenhang mit dem Bau der Landesbank und der Kreditanstalt lobte man unter anderem damals den künstlerischen Gestaltungswillen, die ausgewogene und klare Fassade und die beständige Schönheit. Und Erwähnung fand in einem der Berichte auch die 3 Tonnen schwere Tresortür des LzO. (Siehe NWZ vom 14.10. und 5.12. 1961 sowie vom 5.6.1962).
Doch auch hier hat es große Veränderungen gegeben. So war Ende Juli 2009 der Abriss „der alten LzO-Zentrale am ehemaligen Berliner Platz“ voll im Gange. Am 29. des Monats titeln die Oldenburger Nachrichten der NWZ „Bagger knabbert jetzt am Vorstands-Trakt“.
Natürlich musste dazu erst einmal die LzO-Zentrale ein neues Domizil finden. Zusammen mit ihr zog auch der Straßenname „Berliner Platz“, einst gelegen zwischen dem Hallenbad und dem Schloss, an den neuen Standort beim Bahnhof um. Die Reste des alten Berliner Platzes, die nicht vom neuen Einkaufszentrum Schlosshöfe überbaut wurden, sollten nun offiziell zum Schlossplatz gehören (NWZ, Oldenburger Nachrichten 23.5.2008).
Das Hochhaus der damaligen Bremer Landesbank und Staatlichen Kreditanstalt steht zwar noch, wurde aber umgebaut und den Schlosshöfen angepasst. In dem umgebenden Baukomplex mit Einkaufszentrum und Kaufhaus geht es heutzutage doch recht unter.

Unverkennbar wegen des Schriftzuges, aber auch wegen der für typischen Kachel-Fassade ist das Warenhaus Horten. Als das Foto entstand, war es noch ganz neu. Im Januar 1965 war Richtfest (NWZ, 16.1.1965), und die Eröffnung fand schon am 15. Juni des Jahres statt. Am Folgetag erschien dazu im Anzeigenteil der Zeitung ein großer werbender Bericht, in dem das neue Kaufhaus und sein Angebot ausführlich beschrieben werden.
Eine der „Hortenkacheln“ ist Bestandteil der Sammlung des Oldenburger Stadtmuseums, wie man auf dessen Internetseite erfährt. Der Architekt Helmut Rohde habe die Hortenkachel um 1961 entworfen, also nur etwa vier Jahre bevor der Oldenburger Bau entstand .
Heutzutage befindet sich in diesem Gebäude „Galeria Kaufhof“. Die markanten Kacheln sind verschwunden, die Fassade ist somit stark verändert.

Ganz rechts am Bildrand sieht man einen Teil des neuen Fernmeldeamts. Der Bau ist 1963 fertig geworden. Er ersetzte den letzen Teil der alten Mühlenstraßenbebauung (siehe dazu zum Beispiel die Website Alt-Oldenburg.de). Die Inbetriebnahme des neuen Fernmeldeamts war für viele Bürger persönlich spürbar. Sie bekamen nämlich neue Telefonnummern. Darüber berichtete die NWZ am 5. Oktober des Jahres. Dort heißt es: „Die Nummern-Änderung ist das Zeichen dafür, daß die modernen Anlagen im Fernmeldeamtsneubau am Berliner Platz ihre Arbeit aufnehmen.“ Das Gebäude steht noch, hat aber eine veränderte Fassade.

Das Einkaufszentrum „Schlosshöfe“ nimmt nun einen großen Teil der Fläche zwischen dem einstigen Berliner Platzes bzw. dem Schlossplatz und der Mühlenstraße ein. Baubeginn war am 21.1.2009. Kurioserweise war man offenbar teilweise schon im zweiten Stock, als am 22. September des Jahres endlich zur offiziellen Grundsteinlegung kam. Eröffnet wurde das Zentrum dann am 16. März 2011. (Siehe NWZ vom 10.9. und 23.9.2009 und vom 17.3. und 7.4.2011)

Oft schmerzlich beklagt wird der Verlust dessen, was den 60er-Jahre-Bauten weichen musste:
Da sind zum einen die alten Häuser der Mühlenstraße. Am 5. August 1961 stellen die Oldenburger Nachrichten zwei Aufnahmen der Mühlenstraße einander gegenüber, eine von 1961, eine von 1958, bevor der Abríss begann. Den, wie es in dem Bericht heißt, „zeitvergessenen Altstadt-Charakter“ der einstigen historischen Bauten wünscht sich sicherlich mancher für die Mühlenstraße zurück, auch wenn sie damals 1958 sicherlich nicht alle im besten Zustand waren. Heutzutage nach dem Bau der Schlosshöfe ist die Mühlenstraße ein überaus hässlicher Ort, eine Straßenschlucht, in der man sich nicht lange aufhalten möchte. Auf der Alt-Oldenburg-Website kann man sich anschauen, wie die Straße früher einmal aussah.
Und zum anderen ist da das alte Kaufhaus Hitzegrad später Merkur an der Ecke Ritter-/ Mühlenstraße, das vorher an der Stelle des Horten-Gebäudes stand. Es wurde um das Jahr 1913 in einem Baustil zwischen Jugendstil und Neuer Sachlichkeit errichtet und war von damals bemerkenswerter Größe. Auf der Alt-Oldenburg-Website wird beklagt, dass man beim Abriss 1965 den architektonischen Wert nicht erkannt habe. Das NWZ Sonderheft Oldenburg gestern und heute (jetzt Teil 1) widmet sich ebenfalls auf Seite 20 diesem Bau.

So wurde letzlich historisch Bedeutendes für eine doch sehr vergängliche Modernität geopfert. In Bezug auf das neue Schwimmbad meinte offenbar damals der Stadtbaurat Neidhardt, dass es sich dafür gelohnt habe, ein Opfer zu bringen. Das mag man bezweifeln.

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