Montag, 10. Juni 2013, 23:11 Uhr
Hochwasser Katastrophe / Boizenburg / Lauenburg

Hochwasserkatastrophe - nicht glotzen, anpacken war hier gefragt

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Genau das haben wir und viele andere Menschen am Sonntag, den 09.06.2013 getan: angepackt.

Oldenburg / Boizenburg Boizenburg - Genau das haben wir und viele andere Menschen am Sonntag, den 09.06.2013 getan: angepackt. Was sind schon insgesamt vier Stunden Autofahrt gegen die Hilfe bei einer drohenden Hochwasserkatastrophe?  Zudem hat meine Freundin Verwandte in Boizenburg, die bei diesem Hochwaser erstmals betroffen sein könnten. Da fällt es leicht loszufahren, anstatt aus Fernsehen, Radio oder Zeitung zu erfahren, wie brisant die Lage auch in Boizenburg wird. Erst sah es aus, als wenn das Hochwasser eine Rekordhöhe erreichen würde. Am Samstag kam die Entwarnung und am Sonntag, den 09.06.2013, dann doch wieder die Meldung über eine Rekordhöhe. Da wir innerlich immer unruhiger wurden, entschlossen wir uns, so schnell wie möglich nach Boizenburg zu fahren, um aktiv zu helfen. Bis kurz hinter Adendorf bei Lüneburg kamen wir gut vorwärts, doch dann fuhren sie vor uns: Menschen, die nichts besseres zu tun hatten, als zu gaffen und mit ihrer Fahrweise nicht nur uns, sondern vor Lauenburg auch Fahrzeuge des THW zu behindern. Zeitweise fuhren sie unter fünfzig km/h, obwohl hundert hier erlaubt waren. So war unsere Ankunft in Boizenburg zwar später als geplant, dafür gelangten wir durch eine Radiomeldung schnell an unseren Einsatzort. In der Kiesgrube Menneke (OT Vier) wollten wir mithelfen, die benötigten Sandsäcke zu füllen. Am Eingang zur Kiesgrube erfuhren wir von einem Mitarbeiter des THW, dass noch Hilfe benötigt wird. Vom zugewiesenen Parkplatz aus liefen wir zusammen mit unserem Neufundländer zum Einsatzgebiet in der Kiesgrube. Wir waren aufgeregt, angespannt und es war uns etwas mulmig zumute. Als wir dann ganz oben auf einer Anhöhe der Kiesgrube hinunter in das Arbeitsgebiet schauten, wurde uns ganz anders. Erst wollte ich sogar ein Foto machen, doch bei dem Anblick lief mir stattdessen eine Träne herunter. Es sah aus wie in ein Lager in einem Katastrophengebiet, nur ein Einsatzleiter mit Karten fehlte. Überall sahen wir große Sandhaufen, wo Menschen wie die Ameisen Säcke abfüllten. Unzählige bereits fertig gestapelte Paletten mit Sandsäcken standen herum und warteten auf ihre Abholung. Mehrere Pavillons waren zum Schutz vor der Sonne aufgebaut, während andere Menschen ohne Sonnenschutz an einer Maschine zum Sand abfüllen arbeiten. Lkws kamen von oben herunter gefahren oder fuhren befüllt mit Kies oder Sandsäcken wieder die Anhöhe hinauf. Der Himmel war wolkenlos und es waren um die 24 Grad im Schatten, als ein Kieslaster zu uns hochfuhr und trotz vorsichtiger Fahrweise eine riesige Staubfahne hinter sich herziehend. Dort ein Gabelstapler, der zu einem Laster Paletten transportierte, dort ein großer Schaufelbagger, der die Sandhaufen auffüllte. Als wir nach unten liefen wurde der Lärm lauter, Schaufeln wirbelten Sand durch die Luft, um die Maschine, Trichter oder direkt Sandsäcke zu füllen. Unten angekommen sahen wir einige Stände, an denen Pause war, weil der Nachschub mit Paletten stockte. Ja, es fehlte an Paletten und eine Sandabfüllmaschine hatte noch keinen Strom. Doch mit fehlender Organisation hatte dies nichts zu tun. Eine bevorstehende Hochwasserkatastrophe kann man nicht bis ins letzte Detail organisieren, schon gar nicht, wenn so viele freiwillige Helfer kommen, um mit anzupacken. Bei den Hilfsorganisationen ist bekannt mit wie viel Leuten und welchem Material diese anrücken. Die privaten freiwilligen Helfer kommen einfach, mit oder ohne Schaufel oder mit Autos und Anhängern, deren Größe unbekannt ist, sie melden sich nicht bei den Meldestationen, sondern einfach irgendwo. So war es auch in der Kiesgrube. Nachdem genügend Helfer dort waren wurden diese zu anderen Einsatzzielen eingeteilt. Dies musste jedoch erst einmal alles neu organisiert werden. So gab es auch für uns erst nichts zu tun, doch das änderte sich schnell. Als ein Gabelstapler mehrere Säcke verlor, kam mein erster Einsatz. Die herabgefallenen Sandsäcke mussten erneut auf einer Palette gestapelt werden. Kurz danach durfte ich dank meiner Größe ganz vorne in einer Menschenkette Sandsäcke auf einen kleinen Laster hieven. An diesem Ort arbeitete eine Gruppe der freiwilligen Feuerwehr Neu Gülze / Zahrensdorf mit der motor-getriebenen Sandsackfüllmaschine, die Strom hatte. Ich nahm mir eine Schaufel und füllte zusammen mit einem Helfer der freiwilligen Feuerwehr die Sandsackfüllmaschine mit Sand. Er war bereits mehrere Stunden im Einsatz an diesem großen Sandhaufen, der zwischendurch von dem großen Schaufelbagger immer mal wieder Nachschub erhielt. An der Maschine stand ein weiterer Helfer, der den Sand in Säcke abfüllte. Die leeren Säcke übergab ihm bereits geöffnet meine Freundin. Während er den gefüllten Sandsack über eine kleine Menschenkette zum Sammelstandort beförderte, schaufelten wir weiter Sand in die Maschine. Zunächst machten wir nur wenige Pausen, um so viele Sandsäcke wie möglich zu füllen. Am Nachmittag spürte nicht nur ich, dass die Kräfte langsam nach ließen und so wurden die Pausenabstände immer kürzer. Nach den ersten Stunden Arbeit wurde ich gefragt, ob ich abgelöst werden wollte und obwohl mir meine Hände trotz inzwischen erhaltener Handschuhe weh taten, machte ich weiter. Mein Helfer neben mir war schließlich schon viel länger am Schaufeln. Die Arbeit machte Spaß und wir arbeiteten wie die übrigen Helfer auch, in einem tollem Team. Jeder Handgriff saß und wenn die Maschine mal stockte, wurde der Sandstau schnell behoben. So wurde die Anzahl unserer gefüllten Säcke schnell immer größer, obwohl diese zunächst ständig abgeholt wurden. Wir hatten den Vorteil, Säcke ohne Palette zu packen, die z.B. für das Krankenhaus in Boizenburg benötigt wurden. Inzwischen gab es so viele Säcke in der Kiesgrube, dass einige Helfer mutmaßten, dass diese bereits nach Lauenburg verbracht werden. Unterstützt wurde die Annahme dadurch, dass einige Fahrzeuge noch mehr Zeit benötigten, bis diese zurück kamen. An Verpflegung mangelte es uns nicht. Es gab heißen Tee, genügend Wasser oder Saft und am Nachmittag bekamen wir sogar Eis. Als der Staub in der Kiesgrube immer unerträglicher wurde, kam ein Feuerwehrfahrzeug und "löschte" den Boden mit Wasser ab. Während der Arbeit gab es kaum Zeit zum nachdenken, doch in den Pausen spürten wir die beklemmende Stimmung. Zunächst hatte man die Befürchtung, dass unser großer Neufundländer vielleicht im Weg sein könnte. Stattdessen legte er sich jedoch in den Schatten eines Feuerwehrzeuges oder nahm ein Schlammbad in einer kleinen Wasserstelle. Genau dieses Schlammbad wie der Hund selbst, sorgten in den Pausen für die nötige Abwechslung, um keinen allzu trübsinnigen Gedanken nachzuhängen. Kurz vor Feierabend verließen wir die Gruppe, um dann Verwandte zu besuchen. Die Helfer der freiwilligen Feuerwehr bedankten sich bei uns, obwohl sie es waren, die am nächsten Tag hier weiter arbeiten werden. Wir waren nur zwei kleine Helferlein im großen Gefüge einer Helfergemeinschaft wie ich sie bisher noch nicht erlebt hatte. Es wird sonst zu Recht sehr viel über Facebook geschimpft, an diesen Tagen ist Facebook aber offenbar eine wertvolle Hilfe, denn viele privat angereiste Menschen hätten sonst wohl nicht in die Katastrophengebiete gefunden. Die Verwandten wussten nicht, dass wir bereits den ganzen Tag in Boizenburg sind und freuten sich umso mehr. Die Stimmung war auch hier bedrückt, doch gab es gute Gespräche und viel Hoffnung, da die Deiche in und um Boizenburg Zentimeter um Zentimeter erhöht wurden. Als wir spät abends nach einer Ortsbesichtigung zu Fuß nach Hause fuhren, waren die Deiche bereits über acht Meter hoch. Auf dem Weg nach Lauenburg sahen wir Helfer, die versuchten eine Deichlinie zu retten und wir bekamen Angst, dass die Brücke bereits gesperrt sein könnte. Glücklicherweise war diese frei und völlig aufgewühlt fuhren wir nach Hause nach Bad Zwischenahn. Unterwegs begegnete uns noch ein langer Konvoi von Feuerwehrfahrzeugen aus dem Landkreis Diepholz, die sich ebenfalls auf der Rückfahrt befanden. Zu Hause angekommen blieb uns nichts weiter übrig, als zu hoffen, dass die Deiche halten und Boizenburg nicht überflutet wird, wie all die vielen Gebiete die bisher im Norden und Süden Deutschlands nicht so viel Glück hatten.
Fotos auf:
http://www.mein-bad-zwischenahn.de/Fotos/Album-ansehen_3832/

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