Mittwoch, 21. November 2018, 11:22 Uhr
ich hatte Glück

Karl Prezek sprach über seine russische Kriegsgefangenschaft

1976
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"Ich habe viel Glück gehabt"

Oldenburg / Rastede / Wardenburg Passend zum Volkstrauertag konnte der Bürgerverein Etzhorn sein 90-jähriges Mitglied Karl Prezek dazu bewegen, im Vereinsheim des Schützenvereins Etzhorn, an seine Kriegsgefangenschaft zu erinnern. 

Karl wurde 1944 als 16-Jähriger gemustert. Er wurde der Revision Hermann Göring, Forstmeister, zugeordnet. Am Vormittag prägte der Arbeitsdienst den Tagesablauf, am Nachmittag die Wehrübung. Die Ausbildung erfolgte an neuen Waffen. Karl wurde an die Ostfront versetzt. Bei einem Großangriff wurde er im Spähtrupp mit einem Durchschuss am linken Oberschenkel verletzt. 

Nach dem Kriegsende, welches die Soldaten gar nicht mitbekommen haben, wurden die Gefangenen mit einer 5-Tages-Zugfahrt (sie konnten im Güterwagen nur stehen oder auf dem Boden sitzen) nach Auschwitz gebracht. Das weitestgehend geräumte Konzentrationslager war mit 45.000 Kriegsgefangenen völlig überfüllt. Da der Platz für eine Unterkunft bei weitem nicht reichte, schliefen die Gefangenen auf der Straße. Da Karl verletzt war, wurde er bei drei Arbeitsgruppen in die 3. Gruppe eingeteilt. Die Arbeit beim IG-Farbenwerk in Auschwitz war nicht einfach. Die Beinwunde entzündete sich, der Verband bestand aus Papier.  

Später wurde Karl in das vorherige Vernichtungslager Birkenau verlegt. Hier wurden bis zu 10 Gefangene unmenschlich in frühere Pferdeboxen eingeteilt. Der Alltag war bei begrenzter Verpflegung hart und gnadenlos. Karl musste in einem Bergwerk (700 m unter Tage) arbeiten. Die dort Tätigen bekamen statt 220 g Brot pro Tag 110 g mehr. Aber die Gefangenen erhielten auch Unterstützung durch polnische Bergarbeiter, was bei Strafe eigentlich verboten war.  

Ende 1946 konnte Karl Prezek auf einem Zettel von einem Zementsack geschrieben Kontakt zu seinen Eltern aufnehmen. Erst 1949 erfolgten die ersten „Entlassungswellen“. Karl war Ende Februar 1949 in einem Entlassungslager unter russischer Führung untergebracht. Mit fast 21 Jahren hatte er mit 45 kg ein zu geringes Körpergewicht, denn man musste zur Entlassung mindestens 50 kg. wiegen. Als sich die Gefangenen zur Gewichtserhöhung Steine in die Taschen stecken, wurde nur noch nackt gewogen. Ende August 1949 kam mit einen Körpergewicht von 49 kg. die für ihn freudige Nachricht, dass er in ein Lager nach Dessau entlassen werden konnte. Mit einem Zug über Hannover kam er mit drei Mitgefangenen endlich nach Oldenburg und wurde hier in einem Heim für Heimkehrer in Bahnhofsnähe aufgenommen. 

Nach der Schilderung seiner Erlebnisse sprach Karl Prezek den Oldenburgern seinen herzlichen Dank aus, dass er nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft hier so gut aufgenommen wurde. 

Vielleicht hatte Karl Prezek auch deshalb in den schweren Jahren seiner Jugendzeit so viel Glück, weil die Russen und später auch die Polen in der jüngeren deutschen Generation nicht die Hauptkriegsgegner sahen und deshalb mit den jungen Menschen doch humaner umgingen.

Autor Gustav Backhuß-Büsing, Bürgerverein Etzhorn
Fotos Heike Dexter, Bürgerverein Etzhorn

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