Ein englisches Grafenhaus mit holländischer Prägung.
Per Schlickschlitten die mächtigen Säulen zum Neumarkt transportiert.
Varel
Das im Jahre 1806 erbaute Haus am Neumarkt hat bis heute in Varel kein Gegenstück.
Das Gebäude passt sich ähnlich dem britische Grafenhausstil an, dennoch ist auch eine holländische Prägung deutlich zu erkennen. Leider wird dieses Gebäude zu wenig im Augenschein genommen.
Sehr wahrscheinlich war der Baumeister dieses Gebäudes ein Holländer. Die Handelsbeziehungen des Bauherrn, dem Reederer Jürgen Lübbers, zu den Niederlanden können diese Vermutungen nur erhärten. Schon sein Großvater, der Schiffer Lübbert Jürgens ( man beachte den typischen Wechsel in der alten friesischen Namensgebung!) war hier am Neumarkt ansässig. Sein Sohn, der Schiffer Gerd Lübbers, ließ 1806 die nur fünf Fuß vor dem Hause stehenden Linden etwas weiter nach dem Neumarkt verpflanzen und mußte sich deswegen mit der gräflichen Kammer auseinandersetzten. Zu dieser Zeit war die Neumarktstraße mit Linden besetzt und die Bewegung war üblich ungepflastert.
Jürgen Lübbers ließ 1806 das neue Haus errichten, die Baustoffe wurden mit den eigenen Schiffen herangeführt.
Die pompösen Säulen die Heute noch den Eingangsbereich prägen, wurden damals auf Schlickschlitten mühselig vom Hafen herbefördert. Da die Straßenbefestigungen nicht überall in Pflasterungen ausgelegt waren, dürfte es ein schwerwiegendes Unterfangen gewesen sein.
Die großen, weiten und breiten Kornböden des Hauses zeigten den bedeutenden Getreidehandel des Besitzers. Nur mit zusätzlich verstärkten Zwischendecken war das Lagern der großen Menge Korn hier möglich.
Der erste Besitzer Jürgen Lübbers hatte einen Sohn, Kaufmann Ernst Lübbers aus Bremen. Der trat 1836 mit Graf Charles Anton Ferdinand v. Bentinck, wegen des Ankaufes der Besitzung, in die Verbindung. So kam das Haus in die Sphäre des berüchtigten Bentickschen Erbprozess.
Für den geringen Preis von 6000 Talern konnte Graf Charles die schöne Besitzung, die über 64 Hektar groß war, 1863 erwerben.
Von den Bentickschen Erben kaufte 1875 der Bierbrauer und Gaswirt Bernhard Gramberg das Haus, den Stall und den Garten zum Preis von 8000 Talern.
Von ihm ging der Besitz auf die Familie König über. Heute wird hier ein Bettenhaus und Tagungshaus geführt, es gehört zum Hotel Friesenhof am Neumarkt. Das Haus mit dem geprägten Familiewappen sollte man unbedingt in aller Ruhe mal beschauen.
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