Freitag, 23. November 2018, 11:52 Uhr
Rückschau / Selbstreflexion / Zukunft

Zwischenbilanz der BI Dangast

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Nach 6-jährigem Engagement für Dangast: Die BI Dangast nahm sich Zeit, um über sich selbst und ihr Wirken zu reflektieren. Auf den Stammtisch-Treffen entstand aus lebhafter Diskussion folgende Zwischenbilanz.

Varel / Dangast Zwischenbilanz der BI Dangast

Wer sind wir?      

Wir alle sind Dangast tief verbunden. Dem Dorf mit seinem besonderen Flair, am Jadebusen mit Tide und Wattenmeer auf einem Geestrücken gelegen, mit seiner großartigen Künstler- und Bädertradition. Viele sind hier geboren, andere haben sich hier sesshaft gemacht. Alle haben und suchen hier Heimat. Das gilt auch für viele Kurgäste, Zweitwohnungsinhaber, Camper und vor allem für die Mitbürger aus Varel und seinen Ortsteilen.
Vor 6 Jahren wurde das tourismus-technokratische Konzept des Herrn Taddigs vorgestellt. Ungläubiges Entsetzen ging um im Dorf.
In der Bürgerinitiative fanden wir uns zusammen, um uns gegen diese Umgestaltung des Dorfes zu wehren.

Was wollten wir?

Die Bürgerinitiative hat dem Taddigs-Plan  ihr touristisches Leitbild eines „sanften Tourismus“ entgegengestellt (siehe home-page der BI: dangast-bi.jimdo.com). Schwerpunkte dieses Konzeptes sind, die Erlebbarkeit der einzigartigen Natur in und um Dangast weiter zu stärken, den Gesundheitstourismus um die fossile Sole auszubauen, den freigeistigen Flair unseres Dorfes zu pflegen und Dangast als Künstlerort auch für zeitgenössische Kunst weiter zu entwickeln.

Die BI hat Pläne entworfen, das nunmehr abgerissene Kurzentrum Deichhörn mit seinem Herzstück, der fossilen Sole, zu renovieren und zu erweitern. Dabei  hat sie auch die notwendigen Finanzierungsmöglichkeiten aufgezeigt. Selbstverständlich sollte der Kurpark mit seinem wertvollen Feuchtbiotop als grüne Lunge des Dorfes, als Freiraum, Spielstätte und als Ruhezone für Menschen sowie als Habitat vieler zum Teil seltener Pflanzen und Tiere mit seinem wertvollen Feuchtbiotop, erhalten bleiben.

Im Zuge der Erarbeitung eines touristischen Leitbildes konnten wir zurückgreifen auf die Ergebnisse einer 3 jährigen intensiven Tätigkeit des Arbeitskreises Dorferneuerung. Das Programm Dorferneuerung ist von der EU aufgelegt und war von der Stadt gewünscht. Viele Bürger hatten sich daran aktiv beteiligt.
                                                           
Welche Schritte haben wir versucht?

Wir haben das oben skizzierte touristische  Leitbild für Dangast erarbeitet und daraus abgeleitete Alternativen zum Taddigs-Konzept – auch unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit – in die öffentliche Diskussion gestellt.

Mit Unterschriftensammlungen gegen die Taddigspläne, Veranstaltungen, Flugblatt-Aktionen, Kunstaktionen wie z.B. „Dangast hat Gesicht“, Einmischung in die Wahlkämpfe, haben wir unsere Anliegen in die Öffentlichkeit  und den Rat getragen.

Über 100 differenzierte Einwendungen gegen die Bebauungspläne wurden von Bürgern eingereicht.

Mit einem Antrag im Rat zur Durchführung einer Bürgerbefragung zu den Taddigs-Plänen und die Initiierung eines Bürgerbegehrens , wollten wir Varels  Bürger darüber entscheiden lassen, wie sie zu der vorgesehenen Umgestaltung von Dangast stehen.

Im von der Stadt eingerichteten Arbeitskreis, der von einem Mediator geleitet wurde, haben wir für unser touristisches Konzept geworben.

Wir haben über Artikel in der regionalen und überregionalen Presse sowie im NDR-Format „Jetzt reicht´s!“ unsere Anliegen auch über Varel hinaus verbreiten können.

Als wir jedoch realisieren mussten, dass wir mit den bisherigen Möglichkeiten erfolglos blieben, reichten wir Klagen vor den Verwaltungsgerichten ein.

Was haben wir erreicht?

Eine Diskussion über unseren Leitbildentwurf,  selbstverständlich bevor die einschneidenden Maßnahmen in Dangast realisiert werden, wurde von der Mehrheitsfraktion im Rat vehement abgelehnt.                                                                                                                                 

Der Geist und  die im Arbeitskreis (AK) empfohlenen  Maßnahmen der Dorferneuerung wurden seitens der Ratsmehrheit ignoriert. Die mehrheitlich beschlossene Auflösung des AK aus Protest wurde nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen wurde die Dorferneuerung instrumentalisiert, um eine touristische Maßnahme zu (ko-) finanzieren (Schnupper-/Hundestrand).
                                                        
Eine Bürgerbefragung unter der Regie der Stadt Varel wurde durch die Ratsmehrheit ohne viel Federlesens abgelehnt; ein Bürgerbegehren verhindert, obwohl das Quorum mit 2800 Unterstützern schnell erreicht war. Gegen die Nichtzulassung des Bürgerbegehrens klagten drei Bürger vor dem Verwaltungsgericht. Unmittelbar vor dem Termin schloss die Stadt den Kaufvertrag mit dem Investor ab und entzog damit der Klage die Grundlage.

In dem von der Stadt eingerichteten Arbeitskreis wurde nicht ergebnisoffen diskutiert. Tatsächlich war dieser Arbeitskreis eine Akzeptanzveranstaltung für den Taddigs-Plan. 

Bei der Bürgermeisterwahl erzielten die drei Bewerber, die sich klar gegen den Taddigs-Plan positioniert hatten, die Mehrheit. Leider behauptete sich dann jedoch in der darauf folgenden Stichwahl knapp der bisherige Amtsinhaber gegen den von der BI unterstützten unabhängigen Kandidaten.

Die letzten Kommunalwahlen haben die Mehrheitsverhältnisse im Rat zwar deutlich verschoben, eine hauchdünne Mehrheit der Befürworter des Taddigs-Planes  von SPD, CDU und BBV blieb jedoch erhalten. Immerhin schafften zwei Bewerber aus den Reihen der BI den Einzug in den Rat.

Die über hundert Einwendungen gegen den Bebauungsplan Deichhörn-Nord wurden monoton über Textbausteine oder als „zur Kenntnis genommen“ beantwortet. Mündlich wurden alle Einwendungen in noch nicht einmal einer Stunde pauschal abgelehnt.

Die Eröffnung der Klagen vor den Gerichten zog sich quälend lange hin, während die Bebauung des bisherigen Kurparks weiter voranschritt. Schließlich wurde das Normenkontrollverfahren als Schlüsselverfahren für die weiteren Klagen eröffnet und vom OVG in Lüneburg negativ beschieden. Die BI sei für eine Verletzung des Deichrechtes, wie es durch die Bebauung innerhalb der Deichschutzzone unseres Erachtens vorliegt, nicht klagebefugt. Andere von uns monierte „Merkwürdigkeiten“ z.B. in der Wertbestimmung des Grundstückes, Mängel im Ausschreibungsverfahren, Zusagen des Investors für den Erhalt des Kursaales u.a. wurden juristisch als nicht angreifbar dargestellt.
Wir mussten die bittere Erfahrung machen, dass eine Voraussetzung  zum Rechtbekommen, verfügbare finanzielle Mittel sind, die weit in den fünfstelligen Bereich reichen. Um höhere Instanzen anzurufen würde sich die Summe im ungünstigen Fall noch einmal erheblich erhöht haben. Dieses Risiko konnten wir unseren Spendern nicht zumuten, weswegen wir das OLG-Urteil akzeptieren müssen und die anderen Klagen zurückgezogen haben.

Ein von Mitgliedern der BI initiiertes Ermittlungsverfahren  gegen Bürgermeister und Kurdirektor wegen des Verdachtes auf Untreue, wurde von der Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich eingestellt.  

Zusammenfassend müssen wir feststellen, dass es uns nicht gelungen ist, weder auf der politischen noch auf der juristischen Ebene, die Bebauung des Kurparkes zu stoppen. Obwohl wir viel positive Resonanz für unsere Anliegen in der Öffentlichkeit verspürten und immer noch verspüren, gelang es uns nicht, eine Mehrheit der Vareler Bürger zu erreichen.  Viele Vareler Bürger ließen sich verunsichern durch die Behauptung, dass „die Dangaster“ eine Sonderrolle spielen wollen und dass Dangast der Stadt Varel finanziell auf der Tasche liege. Richtig ist, dass  durch die touristische Wertschöpfung mindestens die Summe des Defizites des Eigenbetriebs Kurverwaltung ausgeglichen wird und der Tourismus mit immerhin 1157 errechneten Vollarbeitsplätzen (Prof. E. Schmoll) zu den bedeutendsten Wirtschaftszweigen unserer Stadt zählt.

Wie geht es weiter?

Die BI besteht weiter. Die Bebauung des früheren Kurparkes schreitet weiter voran und somit auch die weitere Siedlungsverdichtung, die Belastung durch den Verkehr, sowie der Verlust von natürlichen Räumen.

Die Reaktion unserer Mitglieder auf die Erfolglosigkeit unseres langjährigen Kampfes gegen das Taddigs-Konzept reicht von Resignation und Rückzug  aus Bürgerengagement und dem politischen Bereich bis hin zu aktivem Weitermachen im Sinne von „retten was zu retten ist“.

Alle bindet uns die gemeinsam erlebte Trauer, aber auch Zorn und Entsetzen über die urbane Bebauung, welche Resortcharakter hat, sowie die hautnah erlebte Umgestaltung von Dangast hin zu Event- und Massentourismus. Uns bindet die gemeinsam erlebten Ohnmachtserfahrungen gegenüber einer festbetonierten Mehrheitsfraktion aus SPD, CDU und BBV, an der sowohl 
Argumente als auch emotionales Verständnis für die Anliegen der BI abprallen.
Schließlich eint uns der gemeinsame Kampf  für die Besonderheit und Schönheit unseres Dorfes, aber auch die Enttäuschungen  über die Demokratie- und Transparenzdefizite in unserer Stadt sowie über die hohen Hürden in unserem Rechtssystem. Insofern ist mit der BI eine basisdemokratische Bürgergemeinschaft entstanden, die ihr  soziales Miteinander weiter leben wird und das Geschehen  im Dorf mitbestimmen will.
Schon lange fordern wir, die Kuhle mit dem Feuchtbiotop unbebaut als Naturraum, Ruhe- und Rückzugsraum sowie Potentialfläche für spätere Generationen zu erhalten. Das kann allerdings nur gelingen, wenn diese Forderung auch von Parteimitgliedern an der Basis, den Naturschutzverbänden und aktiven Bürgern mitgetragen wird, um auf die noch  kommenden  Ratsentscheidungen einzuwirken.
Und wir werden  die immer noch vorhandenen Schön- und Einzigartigkeiten unseres Dorfes, aus denen sich das Gefühl „Heimat“ generiert, weiterhin zu schätzen wissen und zu schützen versuchen.

Die BI trifft sich weiterhin regelmäßig an jedem 1. Und 3. Dienstag des Monats im Strandcafé, Edo-Wiemkenstr. 59 um 19.00 Uhr.

Weitere Informationen auf unserer homepage: dangast-bi.jimdo.com 

 

                                                                                                               19.11. 2018

 

 

 

 

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