Samstag, 09. März 2024, 16:11 Uhr
St. Johannes Hospital / Ergebnis der Arbeitsgruppen / Gerüchte im Netz

So soll die Zukunft am St. Johannes Hospital aussehen.

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Die Arbeitsgruppen, die an der künftigen Gestaltung der klinischen Versorgung in Friesland gearbeitet haben, legen ihre Arbeitsergebnisse vor. Cornelia Papen und Uwe Cassens von der Wählergemeinschaft KLARE KANTE stellen vor, ordnen ein und fragen nach.

Varel / Zetel / Bockhorn Die Entscheidung naht. Am 11. März wird der Aufsichtsrat der Friesland-Kliniken das Ergebnis der Arbeitsgruppen beraten, die an der Zukunft der beiden Standorte Varel und Sande gearbeitet haben. Was soll auf Varel und das St. Johannes Hospital zukommen? Die Wählergemeinschaft Klare Kante informiert und fragt nach. 

 Arbeitsgruppe Zentrale Notaufnahme:

 Die Zukunft der Zentralen Notaufnahme ist für die Menschen in Varel und der näheren Umgebung von besonderem Interesse. Die Wählergemeinschaft Klare Kante tritt dafür ein, die Notaufnahme täglich rund um die Uhr („24/7“) geöffnet zu halten.
Wir haben gehört, dass die Arbeitsgruppe, die sich mit der Zentralen Notaufnahme beschäftigt hat, dies weder personell noch finanziell für darstellbar hält.
Die Arbeitsgruppe macht geltend, die Inanspruchnahme der Zentralen Notaufnahme sei in Varel so gering, dass eine 24/7 Versorgung kritisch zu sehen sei. Sie rät weiter: „Patienten mit echten akuten medizinischen Problemen sollten lieber direkt in der Notaufnahme in Sande vorstellig werden.“

Wir fragen:
In welchem Zeitraum wurde der spärliche Bedarf an Notfallversorgung statistisch erhoben? Dass in den vergangenen Monaten mit den zermürbenden Debatten um die Zukunft des Hauses und der Station die Zahlen rückläufig waren, darf niemanden verwundern.

Wir fragen weiter:
Welcher Patient mit akut auftretenden und unklaren Beschwerden ist eigentlich dazu in der Lage, selbständig zu entscheiden, ob für die Behandlung seines Beschwerdebildes Sande zuständig ist, oder ob Varel behelligt werden darf?

Die Arbeitsgruppe empfiehlt folgende Öffnungszeiten: „Sinnvoll und personell umsetzbar erscheint nur eine Notfallpraxis, die werktäglich und evtl. auch an Wochenenden und Feiertagen von 8.00 – 16.30 / 18.00 Uhr geöffnet hat … Außerhalb dieser Zeiten könnte eine pflegerische Besetzung vorgehalten werden als Anlaufpunkt für fußläufige Patienten, die telemedizinisch unterstützt werden“.
Wir haben großen Respekt vor Ausbildung und Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger. Es bedeutet keine Diskreditierung ihrer Arbeit, wenn wir ärztliche Präsenz in der Zentralen Notaufnahme für unabdingbar halten. Stattdessen empfiehlt die Arbeitsgruppe, die Pflegekräfte telemedizinisch zu unterstützen. Dazu wird die Zusammenarbeit mit dem Telemedizinzentrum des Klinikums Rechts der Isar in München angestrebt.
In Zeiten auszubauender Digitalisierung ist das sicherlich ein interessanter Ansatz. Aber selbst innerhalb der Arbeitsgruppe wurde der telemedizinischen Versorgung große Vorbehalte entgegengebracht. Außerdem wurde in der Arbeitsgruppe die Sorge geäußert, es werde in Varel zu wenige Patienten und damit zu wenig Arbeit für die Zentrale Notaufnahme geben.

Wir vermuten:
Angesichts der Tatsache, dass die Notaufnahmen in den umliegenden Kliniken am Limit arbeiten und zumindest zeitweise des Ansturms kaum noch Herr werden, ist die Befürchtung, in Varel werde es zu wenig Arbeit geben, kaum nachvollziehbar. Auch Landrat und Aufsichtsratsvorsitzender Ambrosy hatte in einem Artikel des „Gemeinnützigen“ (8.3.2024) von „angeblich überfüllten Notaufnahmen“ gesprochen. Wir weisen darauf hin: Es gibt keine „angeblich überfüllte Notaufnahmen“. Wir widersprechen vehement dem durchsichtigen Versuch, die Situation in den Notaufnahmen schön zu reden.

Ein erhellendes Licht auf die Stimmung innerhalb der Ärzteschaft wirft die abschließende Einschätzung der Arbeitsgruppe: Die chirurgische Notfallversorgung sei bis Ende Juni noch sicherzustellen. Danach wäre Unterstützung aus dem Team der unfallchirurgischen Assistenzärzte aus Sande notwendig. Aus diesem Team sei allerdings niemand bereit, sich in Varel einsetzen zu lassen. Wir haben gehört, die Arbeitsgruppe ziehe das Fazit: „Zusammenfassend konnte in dieser Arbeitsgruppe wenig Aufbruchsstimmung oder Bereitschaft für Veränderung gesehen werden.“

Arbeitsgruppe Frauenklinik:

Gynäkologie und Geburtshilfliche Abteilung sollen in Varel bleiben und weiterentwickelt werden.
Die Krankenhausreform des Bundes sieht für den künftigen Klinikbetrieb die Einführung von „Leistungsgruppen“ vor. Die Vareler „Gyn-Geb“ soll mit diesem Status ausgestattet werden. Zwar sind für das Krankenhauswesen die Bundesländer zuständig, aber es zeichnet sich ab, dass Niedersachsen dem Beispiel von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz folgen und Leistungsgruppen einführen wird.
Nun bindet der Gesetzgeber an die Leistungsgruppen bestimmte Voraussetzungen: Damit der Gyn-Geb in Varel dieser Status zuerkannt wird, muss das Vareler Krankenhaus eine Innere Abteilung, eine Chirurgie und eine Intensivstation nachweisen. Das dürfte schwierig werden, nachdem man all diese Abteilungen geschlossen hat.
Nach unseren Recherchen sind diese Voraussetzungen zwingend am Standort selbst vorzuhalten. Dass es in Sande entsprechende Expertise und Fachlichkeit gibt, ist nicht relevant.
Das ist ja auch leicht nachvollziehbar: Schlimme Vorstellung, eine akut auftretende bedrohliche Situation könne erst nach einem Transport über 20 Kilometer behandelt werden.
Für die Zuerkennung des Status „Leistungsgruppe“ fehlen in Varel die Voraussetzungen. Deshalb hat nach Ansicht der Klaren Kante die Gyn-Geb am St. Johannes-Hospital keine Perspektive.

Die Arbeitsgruppe Frauenklinik kommt zu dem Ergebnis, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine stationäre Frauenklinik in Varel möglich sei.
Wir hörten: Eine fachärztliche internistische Versorgung rund um die Uhr (24/7) sei in Varel möglich, wenn außerhalb der werktäglichen Arbeitszeiten die internistische Versorgung durch das Zentrum für Innere Medizin aus Sande sichergestellt sei.

Wir fragen:
Wird außerhalb der werktäglichen Arbeitszeiten medizinische Unterstützung aus Sande in Varel vor Ort sein?
Falls das nicht geplant ist: Wie soll mit plötzlich auftretenden akuten Situationen umgegangen werden, wenn außerhalb der Geschäftszeit ein Notfall eintritt?

Arbeitsgruppe Ambulantes Operationszentrum:

Das Ambulante Operationszentrum wird sicherlich ein Highlight am St. Johannes Hospital. Wir begrüßen das Ergebnis der zuständigen Arbeitsgruppe sehr. Es soll keine Mäkelei sein, wenn wir auch hier fragen: Was geschieht mit Menschen, die nach einer ambulant durchgeführten Operation zu Hause feststellen, dass ein medizinisches Problem behandelt werden muss, und die Notaufnahme nicht mehr geöffnet ist?  

Geriatrie:

Ein besonders trauriges Kapitel in der Umstrukturierungsgeschichte ist das Schicksal der geriatrischen Abteilung in Varel. Das Alters-Trauma-Zentrum der Friesland Kliniken, insbesondere der Standort Varel, genoss einen exzellenten Ruf. Die Schließung der Geriatrie in Varel bedeutet unter anderem, dass die Zertifizierungsgesellschaft „Cert-IQ“ sowie die AUC (Akademie der Unfallchirurgie) über den Vorgang informiert werden müssen. Damit wird aller Voraussicht nach das bestehende Alters-Trauma-Zertifikat ungültig, und ein neuer Zertifizierungsprozess muss eingeleitet werden.

Dass das erste standortübergreifende Alters-Tauma-Zentrum in Niedersachsen auf diese Weise liquidiert wurde, ist ein unersetzlicher Verlust für den Standort Varel und vor allem für die alt gewordenen Menschen, die ein solch exzellentes Angebot in ihrer Nähe wussten.

Alles das haben wir gehört.

Zu guter Letzt:
Im Interview mit dem „Gemeinnützigen“, das am 8.3.2024 veröffentlicht wurde, trat die Geschäftsführung der Friesland-Kliniken Gerüchten im Netz entgegen. Landrat Ambrosy versicherte, all diesen Gerüchten sei nachgegangen worden, und keines davon habe sich bestätigt.
Zu dem, was die Wählergemeinschaft Klare Kante veröffentlicht hatte, gehörte unter anderem der Todesfall nach Rettungswagen-Irrfahrt sowie die Abweisung einer Patientin.

In den vergangenen Monaten haben sich Menschen an uns gewandt, die uns von entsprechenden Erfahrungen berichtet haben. Jeder Fall ist verifizierbar. Insbesondere der Tod einer Infarkt-Patientin ist kein Gruselmärchen, sondern Fakt.
Der Hinweis des Landrats, in einem solchen Fall würden Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln, ist eine kaum zu fassende Fehlinformation. Die Polizei ermittelt, wenn Anzeige erstattet wird. In diesem Fall aus dem Dezember 2023 wurde keine Anzeige erstattet. Schockierte Angehörige und trauernde Menschen haben in der Regel alles andere zu tun, als Anzeige zu erstatten.

Uns ist durchaus klar: Solche Vorwürfe müssen belegbar sein. Aber wir wünschen uns auch Verständnis dafür, dass wir in der Öffentlichkeit keine Namen nennen. Das Vertrauen derer, die uns ihre Geschichte erzählt haben, wollen wir nicht enttäuschen. Andererseits gibt es ein hohes öffentliches Interesse an Klarheit.

Das ist ein Konflikt, den wir zurzeit nicht auflösen können.

 



 

 

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