Ringelgänse auf Neuwerk und ganz viel Natur
Es gibt viel zu sehen in Deutschland, man muß nur mit offenen Augen durchs Leben gehen.Schon in 1,5 Std. ist man an der Nordsee. Ich war gerade dort, in Cuxhaven-Duhnen und auch auf Neuwerk
Oldenburg
Für mich war es das überragendste Erlebnis seit Jahren, die Fahrt mit den Wattwagen von Cuxhaven-Duhnen zur vorgelagerten Insel Neuwerk, 3 qkm gr0ß. Sie hieß früher einmal Nige O und der Leuchtturm wurde im Jahre 1310 als ältestestes Hamburger Gebäude fertiggestellt . 1814 wurde das Leuchtfeuer in dem Turm eingebracht und ist auch heute noch funktionsfähig.
Die Wattwagen brauchen für die Entfernung ca. 1,5 Stunden Fahrzeit bis der alte Leuchtturm besichtigt und sogar bestiegen werden kann.
Die festen Einwohner der kleinen Insel werden die Zahl 40 wahrscheinlich nicht wesentlich übersteigen, denn irgendwie ist das ständige Leben hier sicher nur interessant für alteingessene Inselbewohner, die mit der Gewohnheit - hier zu leben- vertraut und aufgewachsen sind. Für mich ist der Moment der Wahrnehmung der Eindrücke und der Schönheit der Insel eine Bereicherung.Vielleicht eine Nacht zum Ausruhen, aber so sehr viel Möglichkeiten mehr, um meine gewohnten Lebensbedingungen fortzuführen, habe ich für mich nicht realisieren können.
Die Inselbewohner, auf der seit 1969 wieder unter hamburgischer Flagge registrierten Insel, leben schon lange nicht mehr von der Landwirtschaft .(Zwischenzeitlich gehörte Neuwerk mal kurzfristig zu Niedersachsen) Bei der Bestreitung des Lebensunterhaltes hat der Tourismus – wie auch sonst überall in Deutschland – den Löwenanteil. Ungefähr einige 100erte Touristen werden über den Tag verteilt in den Sommermonaten die Insel besuchen, vermute ich mal, und die Übernachtungsgäste , die in einigen üblichen Pensionen oder aber in dem angebotenen „Heuhotel“ übernachten können, die kommen noch dazu. Und dann gibt es auch noch die Jugendherberge und ich kann nachvollziehen, wie herrlich das hier für die Kinder und Jugendlichen sein muß. Diejenigen, die so eine Freizeit wahrnehmen konnten und können, denen wird das Erlebte tief in ihre Erinnerungen einbrennen.
Soviel schon mal vorweggenommen.
Zuerst einmal befinden wir uns im Verbund mit 6 Wattwagen und somit insgesamt 12 Pferden erst am Anfang des Weges durch das Watt, der sicherlich manches Mal einen anderen Verlauf nimmt als vorher geplant.Das Watt ist eben nicht als normale Landstraße zu verstehen, auch bei Ebbe nicht.
Es birgt soviel Eindrücke, verbunden mit dem entspannenden Sound der Vogelwelt, die mit ihrem großartigen Chor von reiner Natürlichkeit dieser Wattenfahrt die Stimmung schenken Überall ein Tschirpen und Pfeifen und Summen, und natürlich das erschreckte Flattern, mit dem sich mache Vögel ganz schnell auf sichere Luftwege begeben.
Jedes Tier, jeder abgezeichnete Fußdruck im feuchten Watt ist ein Teil eines Ganzheitsystems, das sich mit der im Moment noch mit der schemenhaft dargestellten Silhouette der kleinen Nordseeinsel Neuwerk , zu einem riesigen Bild vereint.
Schon jetzt vermittelt das „mitten-Drin-Sein“ in der Natur ein wohliges „Freisein-Gefühl“ in Körper und Seele, man möchte die Zeit einfach mal anhalten in diesen Stunden.
Die sog. „Pricken“ , die als Abgrenzung den Weg markieren, sehen irgendwie aus wie lange, in die Erde gesteckte umgekehrte Strauchbesen . Bei Bedarf , wenn sie zu zerfleddern drohen, werden sie immer mal wieder ausgetauscht, denn daran orientiert man sich in den Kreisen der Wattüberquerer, sei es mit den Wattwagen, als Reiter oder einfach als Fußgänger, wobei Fußgänger wohl schon mit 2 ,5 Stunden Gehzeit rechnen müssen. Sie müssen also gut planen, um den Ebbe-Flut-Zyklus optimal nutzen zu können.
In Notfällen gibt es für die Wattwanderer die in erreichbaren Abständen aufgestellten Rettungsinseln, die entsprechend der Flut über Stufen zu erreichen sind und in denen, so schätze ich mal grob, ca. 10 Personen – wenn man denn zursammenrückt – Platz haben könnten. Solche Zufluchtsorte werden immer mal wieder dankbar angenommen, sie sind absolut lebensrettend.
Wenn die Fahrt in den gelben Wattwagen , die pro Wagen ca. 9 Personen aufnehmen können, schon einen Höhepunkt des Ausfluges ausmacht, so gesellt sich die kleine Nordseeinsel mit ihren Sehenswürdigkeiten kokett dazu.
Es gibt viel zu sehen für diejenigen , die interessiert daran sind. Aber wer auch immer solche Ausflüge bucht, diejenigen werden ihre speziellen Interessengebiete in der Natur eingebunden wissen, da bin ich mir sicher.
Wenn man natürlich alles in einer Stunde verinnerlichen möchte, dazu ist die Zeit einfach zu kurz, da muß man dann schon mal anders planen.
Aber heute war es eben nur eine Stunde, nicht genügend Zeit um einem Kennenlernen die nötige Tiefe zu geben.
Immerhin habe ich dennoch für mich persönlich ein paar besondere Momente bildlich festhalten und mit nach Hause nehmen können.
Tiere geben immer ganz besondere Bildmotive her und der große Platz, auf dem sich die Pferde gerade von der Wagenfahrt ausruhen durften, der bot mehr als interessante Momente.
Zwei Tiere fielen mir besonders auf, offensichtlich ein Paar, mit den Köpfen aneineandergekuschelt standen sie regungslos , nur sich selbst fühlend. Dieser Anblick rührte mich sehr und zu gerne hätte ich gewußt, was man sich von „Pferd zu Pferd“zuflüstert. Vielleicht waren sie ja auch nur müde und stützten sich gegenseitig?
Ich glaube aber lieber an die „Paar-Version“, ist halt romantischer.
Es gab einige schöne Wanderwege, aber da nicht soviel Zeit war konnte die 3 Quadrat-Kilometer große Insel nicht gänzlich erkundet werden. Es blieb gerade mal Zeit, um die Stufen des Leuchtturms emporzusteigen und den Blick über die unendliche Weite des Wattenmeeres gleiten zu lassen . Später auf einer Wiese sahen wir bestimmt über 1000 Nonnengänse. Sie legten hier ihre Rast- und Ruhephase vor ihrem Weiterflug regelmäßig ein.
Inwieweit das von den Insulanern gutgeheißen wird, darüber kann ich leider nichts sagen, aber ich könnte mir vorstellen, daß es nicht unbedingt Vorteile bringt wenn die Tiere hier in der Größenordnung campieren.
Die Wiese war schwarz, so dichtgedrängt saßen die Gänse dort . Ich mußte über die Ansammlung ein wenig lächeln: „Fast wie bei einem Open-Air-Popkonzert“ ohne Musik.
Auf dem Rückweg wurde es dann schon arg kühl und man freute sich, daß die dicke Jacke dabei war.
Auch wenn die harten Wagenbänke für den ein- oder anderen nicht wirlich bequem waren, das Erlebnis entschädigte für alle körperlichen Mißempfindungen.
Während die Abendsonne sich in dem schlickigen Meeresboden spiegelte und beim Zurückblicken die Spuren der Fuhrwerke deutlich hervorhob, wurden die Schatten im Watt immer länger und dunkler.
Der gleichmäßige Rhythmus der Laufgeräusche der Pferde bekam je nach Vorhandensein des Wasservorkommens einen hörbaren Nebenton und die Gangart wurde wesentlich langsamer.Wenn dann die schwierigen Wegphasen wieder für einen Moment überwunden waren, dann klangen die Schritte fester, anders, ja fröhlicher wollte man meinen, und es ging auch wieder flotter voran.
Ich hörte die Pferde ihre Nüstern aufblähen, hörte sie wie erleichtert ausschnaufen , so als hätten sie damit eine Last abgeworfen. Die Fahrt mußte ganz schön anstrengend für die Tiere sein, denn als ich sie auf Neuwerk berührt hatte, da spürte ich wie verschwitzt die Tiere waren, meine ganze Hand war naß gewesen.
Langsam holte uns auf dem Heimweg eine riesige Wolkenwand ein und sie drohte damit, einen ziemlichen Regenguß über uns auszuschütten . Die Kutscher trieben die Pferde zu einer schnelleren Gangart an, soweit es denn möglich war.
Ganz viel Wegstrecke lag nicht mehr vor uns, in der Ferne sah man schon die Kugelbake, das Wahrzeichen von Cuxhaven , dort wo die Elbe in die Nordsee fließt, dort hat die Bake seit mehreren 100 Jahren ihren Dienst als Orientierungshilfe für die vorbeifahrenen Schiffe getan und tut es heute noch. Ca. 80.000 Schiffe passieren diese Stelle im Jahr.
Dem Ziel ziemlich nahe hatten wir die dunklen Wolken fast auf gleicher Höhe. Jetzt mochte niemand mehr so richtig zurückschauen, vorne ging es weiter.
„Zurückliegendes“ , so kommentierte dann auch gleich eine Dame neben mir, „ das kann einem nicht mehr aus der Fassung bringen, es bleibt Vergangenheit, keiner kann es ändern, nur die Zukunft ist wichtig. Also nach vorne schauen“.
Recht hatte sie. Vor uns war es immer noch ziemlich hell , aber wir konnten die Nässe förmlich spüren, der wir wohl nicht mehr entkommen konnten, wie es schien.
Ganz lange dauerte die Fahrt nicht mehr. Der Kutscher erzählte noch hier und da ein paar Weisheiten vom Watt mit dem Hinweis, daß ja auch alles im Netz zu finden sei und alle schienen auch damit vertraut zu sein. Wie schnell das geht, dachte ich,
Vor einer Stunde noch waren die Electronics vollkommen perdu und jetzt war plötzlich ohne das Netz keine umfassende Information mehr möglich.
Viele viele Tausend Wattwürmer hatten ihre Hügelchen aufgeworfen und schienen sich im ganzen Watt ausgebreitet zu haben. Wir durchfuhren ihren Lebensbereich und ich stellte mir gerade vor, wie gigantisch groß wir auf die kleinen Lebewesen wirken mußten, hatten sie Ängste oder was empfanden sie beim Durchdonnern der vielen Wagen?
Oder nahmen sie die Begegnungen mit den Menschenmassen als normal an?
Ich hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn jetzt, in diesem Moment, waren wir am Ziel angekommen.
Der Regen lag noch immer auf der Lauer, man hatte uns und die Pferde also verschont.
Die Pferde, die einmal pro Tag diesen Job machen mußten, wurden abgespannt und versorgt und in ihre Ställe zurückgebracht.
Wir alle, die Touristen, die die Fahrt mitgemacht hatten, wir bedankten uns nicht nur bei den Kutschern für das wunderschöne Erlebnis im norddeutschen Wattenmeer.
Während wir jetzt im Regen in unsere Unterkunft liefen dachte ich noch:“Warum in die Ferne schweifen…….“, so heißt es doch in einem Vers, aber dennoch, manchmal ist es in anderen Ländern halt angenehm wärmer als in Deutschland, und interessante Dinge gibt es auf jedem Erdteil zu finden, wenn man offen ist für alles was auf der Welt so passiert.
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