Freitag, 28. Juni 2013, 14:03 Uhr
Menschen

Kindheitserinnerung

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Es wäre schön wenn es eine Selbstverständlichkeit wäre, den Älteren in der Familie ihren Platz am Tisch des Hauses zu erhalten.

Oldenburg Zuerst - oder auch ausschließlich - bekam meine Großmutter früher zu lesen, was ich in meinen Gedanken entstehen ließ,  an kleinen Geschichtchen oder auch ansatzweise an Gedichten. Anfang der 50er-Jahre war ich knapp acht Jahre alt.  Schon damals habe ich , sobald ich lesen und schreiben konnte, alles dokumentiert, was mich so berührte im Alltag. Manches ließ sicherlich auch die unfertige Satzfindung einer Achtjährigen deutlich erkennen. Trotzdem bedeuteten die Zeilen für meine Großmutter mehr als man heute nachvollziehen kann, zumal sie körperlich gehandicapt war und auch nicht gut sehen konnte. Ich saß dann zu ihren Füßen auf einer sogenannten -Kieke-, die zu der Zeit in vielen Haushalten vorhanden war.(ein fast rechteckiger Kasten aus Holz, der teilweise auch beheizbar war).

Wenn ich wieder mal eine Geschichte gefunden hatte, dann las ich sie ihr vor. Mich berührten traurige Geschichten schon sehr, aber sie erschienen mir sinnvoller zu sein als die lustigen.Ich  fand damals, sie sagten etwas aus, man konnte aus dem Erzählten etwas mitnehmen.

Ich weiß es wie heute, ich las ihr auch mal eine Geschichte vor, die handelte von einer -irdenen- Schüssel,(irden- aus Ton vielleicht) so war sie beschrieben, und diese Schüssel wurde dem Großvater  in der Geschichte hingestellt, damit er  daraus an einem entfernten Eßplatz seine Mahlzeit bekommen sollte.

Die jüngeren Leute , sprich: Kinder und Enkelkinder, hatten ihn vom Tisch verbannt, weil er aufgrund des Alters nicht mehr so korrekt den Löffel zum Mund führen konnte und vieles danebenging.

Meine Großmutter und mich hatte die Geschichte lange beschäftigt und wir hatten darüber gesprochen, wie herzlos Menschen sein können.

Ich habe immer darüber nachgedacht welches Ende die Geschichte damals hatte, aber ich konnte mich nicht mehr erinnern.

In der Nordwest-Zeitung lese ich immer die plattdeutschen Geschichten, so war es vor ein paar Tagen auch. An diesem Tag fand ich auch das Ende meiner Geschichte, die ich irgendwann in den 50-er Jahren gelesen hatte. Ich hatte sie nicht wirklich gesucht, aber -wunderbar- dachte ich, jetzt weiß ich wieder wie sie ausgegangen ist. Sie hat mich w i e d e r  berührt, genau wie damals.

Demjenigen, dem das Talent des Schreibens in die Wiege gelegt wurde, der hat das größte Gut der Welt geerbt. Man kann sich alles von der Seele schreiben, viele Reisen mit eigenen Worten für immer festhalten, Trauer und Fröhlichkeit bewältigen.

Damals, als ich anfing mit meinen Geschichten , da war ich acht Jahre alt, genauso alt wie meine Ur-Enkelin heute. Man sieht die Kleine nie ohne Block und Stift, immer versucht sie Geschichten zu schreiben, so wie :

-Das Einhorn-

Ein Mädchen sah ein Einhorn, das Einhorn lief weg. Das Einhorn kam zurück und beide gingen zusammen nach Hause!

Schon in dieser kleinen Passage steckt eine Botschaft, die der Kleinen wichtig war: Es muß ein Happy End geben, damit keiner traurig zurückbleibt.

Und da fällt mir auch wieder die Geschichte von der -irdenen - Schüssel ein:

Für jeden Menschen sollte es ein Happy -End geben mit dem er leben kann, keiner sollte sich -zur Seite gedrängt- fühlen. Die ?alten Menschen? in unserer Gesellschaft haben uns das Leben und viele Möglichkeiten gegeben. Das sollten wir niemals vergessen, denn jeder von uns wird irgendwann auch diesen -Rückentwicklungsprozeß- erfahren und auf Hilfe angewiesen sein müssen. Es wäre schön, wenn es eine Selbstverständlichkeit wäre, den Älteren in der Familie ihren Platz am Tisch des Hauses zu erhalten.

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