Zwischen Gestern und Heute
Etwas von der Vergangenheit bleibt für immer:In Geschichten, Gedanken und in Worten.
Oldenburg
Die Gegenwart und die Zukunft sind aufgebaut auf das Erbe der Vergangenheit, vielmehr auf die Vergangenheit als Grundsubstanz.
Gedanken- und Schriftgut haben in ihrer Vielfältigkeit weit mehr zu bieten als Bilder und Worte, sie bestätigen die zukunftsorientierte Entwicklung von vielen Generationen, geben Kenntnisse zur Weiterentwicklung und setzen sich mit detaillierten Entwicklungsprozessen auseinander.
So macht es durchaus Sinn den Erzählungen und Erinnerungen zuzuhören, die uns unsere ältesten Mitmenschen erzählen, vielleicht auf Befragen, aber sicherlich auch so manches Mal aus der Situation heraus. Es sind so wertvolle Berichte und man sollte mindestens Block und Bleistift dabeihaben, damit sie festgehalten werden können.
Aber auch eine Begebenheit, eine Redewendung oder ein Geräusch legen Bilder und Gedanken frei und das Aneinanderreihen von frühen Erlebnissen ist wertig genug um sie alle aufzuschreiben, für Menschen, die später mal froh sind unser Wissen nachlesen und das geistige Erbe übernehmen zu können.
So gaben mir vor kurzem die riesigen Strohballen auf den Feldern einen Anstupser, um mein Zeitfenster aufzumachen, das die 50- und 60er Jahre betrifft.
In unserem knapp 100 – Seelen-Dörfchen, in dem ich aufwuchs, bestand die Bewirtschaftung zum Broterwerb zu hundert Prozent in der Landwirtschaft, die von allen Einwohnern mit mehr oder weniger großem Maschinenpark betrieben wurde. Egal wer gerade Hilfe gebrauchte, hier wurde gegenseitig ausgeholfen .
Dann standen im Spätsommer die Männer und Frauen auf der rosafarbenen Dreschmaschine, sie verrichteten ihre harte Arbeit unter der gleißenden Sonne, schweißnaß; man sah ihnen die Erschöpfung an. Aber sie gaben nicht auf bis die letzte Garbe gedroschen war. Ich war ungefähr 9 oder 10 Jahre alt und mir ist dieses Bild immer im Kopf, wannimmer ich das Wort Dreschen höre.
Man darf dabei nicht vergessen, daß die meiste Arbeit schon vor dem Dreschen in das Korn-Ernte-Projekt eingebracht wurde. Das Korn mußte gemäht werden, zu meiner Zeit schon mit Maschinen, wobei aber die Endstücke vorweg mit der Sense in Form gebracht wurden, damit dann die Maschine das Korn ohne Probleme richtig schneiden konnte.
Die vielen Strohgarben, die pro Person an so einem Tag gebunden wurden, konnte man sicher nicht an den Finger beider Hände abzählen, es waren unzählige, die danach – meistens ca. 5 Garben – gegeneinanderstehend stabil zum Trocknen aufgestellt wurden. Sie sahen aus wie Indianer-Tipis, dachte ich damals und sie boten seltsamerweise für uns Kinder lustige Verstecke beim Spielen in der Nähe der harten Arbeit der Eltern.
Dann erst kam die Dreschmaschine zum Einsatz und das gemahlene Korn übernahm ein ortsansässiger Bäcker, der im Gegenzug sogenannte Brotmarken ausgab, womit die Leute dann ihr Brot übers Jahr abholen konnten.
Für unser Dorf war es die Bäckerei Ripken in Augustfehn II, die heute schon in 4. Generation am Autobahnzubringer im Gewerbegebiet ihr Hauptgeschäft führt. Mit vielen Filialen in verschiedenen Orten hat sich der Bäckereibetrieb in den vergangenen Jahrzehnten einen klanghaften Namen gemacht.
Damals gab es den kleinen Laden an der Stahlwerkstraße mit der kanalseiten Eingangstür. Ich weiß es wie heute, denn oftmals mußte ich auf dem Heimweg von der Schule auch solche Brotmarken einlösen . Damals war es die 2. Generation und ich nannte die Inhaber Tante Gerda und Onkel Johann, so wie es alle taten. Mein Großvater hatte in den Anfangsjahren seinem Freund, dem Gründer der Bäckerei mit einem Handkarren zur Seite gestanden bei der Auslieferung von Backwaren, denn mangels anderer Fahrmöglichkeiten nach dem 1. Weltkrieg mußte alles irgendwie organisiert werden.
Wenn man die Bäckerei betrat, dann gab es den Laden an der rechten Seite und dort lagen große Bleche mit Butterkuchen, dunkle und weiße Brote und vieles mehr. Auch sogenannte Schaumkuchen (Baisers) habe ich in guter Erinnerung .
Wenn es dann zum Spätsommer die ersten Roggenstuten gab, dann mußte man sich schon beeilen, denn die waren – wie heute immer noch – sehr gefragt.
Wenn man im Gegensatz zu früher, die großen Strohballen auf den Wiesen betrachtet, dann ist das eigentlich kein Vergleich mehr mit der harten Arbeit von früher. Für alles gibt es Maschinen, die Ballen werden sogar in Plastik verpackt, sodaß auch der Regen ihnen nichts mehr anhaben kann . Für die Landwirte hatte die Ernte früher oberste Priorität v o r allen sonntäglichen Gebräuchen und sogar vor den üblichen Familienfesten.
Und trotzdem hatten die Menschen früher auch Spaß bei der Arbeit und es gab so manches Erlebnis, wovon ich noch meine Mutter berichten hörte.
Das Untereinander-Aushelfen bescherte den Leuten auch immer wieder neue Einsatzplätze, an denen sie dann auch beköstigt wurden. So gab es bei dem einen den besten selbstgebackenen Stuten und der andere spendierte seinen Arbeitern selbstgezüchteten Honig . Da hatte man schon seine Favoriten was das tägliche Frühstücks- oder Vesperbrot betraf . Das war natürlich auch von großer Wichtigkeit an solchen Tagen.
So zieht das Jahr mit der Zeit der goldenen Ähren wieder ein Stück weiter. Nicht mehr lange und das Herbstlaub wird die Reste des Sommers bedecken, der in diesem Jahr den Menschen mit besonders hohen Temperaturen begegnete.
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