Donnerstag, 10. Januar 2019, 01:52 Uhr
Ein Traum wurde war / engagierter Tüftler und Bastler / Danke Sigurd

Trauer um Luftfahrttechniker Sigurd Sauer

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Am 2. Januar verstarb im Alter von 78 Jahren nach längerer Krankheit der Petersfehner Sigurd Sauer. Der ehemalige Werkstattleiter der technischen Uni Oldenburg engagierte sich im Berufsleben und danach für die Luftfahrttechnik.

Bad Zwischenahn / Oldenburg / Wilkenhausen Alle Menschen haben Träume und Wünsche. Auch der Petersfehner Sigurd Sauer hatte diese.

Am 2. Januar verstarb er im Alter von 78 Jahren.

27 Jahre war er Werkstattleiter der technischen Werkstatt für Forschung und Lehre an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg.

Als Anleiter begleitete er in dieser Zeit u.a. die Arbeitsgemeinschaft Aerodynamik „Jungforscher“ und ihren Lehrer Wolfgang Unger des Gymnasiums Graf-Anton-Günther, GAG, in Oldenburg.

Im Jahre 2000 wurde die Arbeitsgemeinschaft beim Wettbewerb „Jugend forscht“ auf Bundesebene durch den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder im  Bundeskanzleramt mit dem 4. Platz ausgezeichnet.

„Mit hohen handwerklichen Anforderungen an sich selbst und seine Lehrlinge, mit seinem besonderen Charme, hat er begeistert und motiviert,“ würdigen die „Jungforscher“ und ihr Lehrer Wolfgang Unger im Nachruf das Engagement von Sigurd Sauer.

Als er in den verdienten Ruhestand ging, hatte er nicht nur einen Traum, sondern auch einen Lebenstraum.

Diesen verwirklichte er in seiner Hobbywerkstatt am Bussardweg in Bad Zwischenahn-Petersfehn.

Er baute anhand von Originalzeichnungen die „Bachstelze“ nach.

Dabei handelte es sich um einen sogenannten Tragschrauber.

In mühevoller Kleinarbeit tüftelte Sauer 15 Jahre lang, schweißte, fräste, schraubte anhand der Originalkonstruktionspläne und baute den Tragschrauber, offizielle Bezeichnung FA 330 – Bachstelze - nach.

Konstrukteur war im 2. Weltkrieg Diplomingenieur Paul Klages.

Er entwickelte die „Bachstelze“ Anfang der 40er-Jahre im Werk Achgelis & Co.GmbH in Delmenhorst – Hoykenkamp.

Im Juli 1942 erfolgte die erste Erprobung.

Ca. 200 der Tragschrauber wurden gebaut, 50 davon wurden danach auf deutschen U-Booten als Aussichtsplattform und Beobachtungsposten eingesetzt.

Aufbewahrt wurde der Tragschrauber in zwei Torpedorohren.

Durch die eingebauten Schnellverschlüsse war er in 5 Minuten einsatzbereit.

Im Einsatzfall wurde der Tragschrauber an einem Schleppseil in ca. 300 Meter Höhe über dem U-Boot eingesetzt.

Nachdem sich der Pilot auf den Freistuhl gesetzt hatte, wurde der Drehflügel durch Abspulen eines Andrehseiles auf ca. 70 Umdrehungen pro Minute gebracht.

Bei einer Fahrgeschwindigkeit des U-Bootes von etwa 30 Stundenkilometern erhöhte sich die Umdrehung des motorlosen Rotors auf rund 150 Umdrehungen pro Minute.

Der motorlose Tragschrauber hob ab.

„Für mich war der Originalnachbau eine große und spannende Herausforderung!“, betonte Sigurd Sauer nach Vollendung seines Werkes.

Für Filmaufnahmen des NDR reiste 2005 sogar Fliegerlegende Erich Kühl aus Bayern an.

In den letzten Kriegsjahren war er Chef des Sonderkommandos 330 der Luftwaffe.

Er brachte den Matrosen das Starten und Landen auf den U-Booten bei.

Kühl bescheinigte damals Sigurd Sauer 2005 „sehr gute deutsche Wertarbeit“.

2008 hatte Sigurd Sauer die große Ehre, sein Werk, den Originalnachbau der „Bachstelze“ als Kufen-Version auf der ILA (Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung) auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld zu präsentieren.

Auch der Edewechter Thomas Kossendey, damals CDU-Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Ammerland / Oldenburg und parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung, besuchte den Stand von Sigurd Sauer, zeigte sich beeindruckt und lud die Familie Sauer mit Anhang zu einem persönlichen Besuch nach Berlin ein.

Im Oktober 2008 traf er sich mit dem Ehepaar Sauer, Tochter Silvia und Schwiegersohn Andreas Sobolewski in seinem Büro.

Danach erfolgte eine Führung durch das Ministerium, ein Besuch der Gedenkstätte Deutscher Widerstand des 20. Juli 1944 und eine Führung durch die Gebäude des Bundestages.   

Nach der ILA 2008 verfeinerte Sauer sein Werk.

2010 präsentierte er die „Bachstelze“ erneut auf der ILA mit Fahrwerk als Windenstart an Land.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen das Engagement von Sigurd Sauer für das Hubschraubermuseum Bückeburg und das Nordholzer Aeronauticum.

Bereits 2002 fertigte Sauer für das Nordholzer Aeronauticum den Nachbau des Maschinengewehrs L61 im Maßstab 1:1 an.

Ausgestattet waren damit u.a. Luftschiffe.

2011 rüstete Sauer zwei Ausstellungsstücke, zunächst einen sogenannten Gyrocopter und dann einen sogenannten zweisitzigen Cloud Dancer II mit funktionsfähigen Instrumenten für das Hubschraubermuseum Bückeburg nach.

Am 2. Januar dieses Jahres verstarb der Petersfehner im Alter von 78 Jahren nach längerer Erkrankung.

Wenige Wochen vor seinem Ableben ging am 12. Dezember 2018 sein größter Traum in Erfüllung.

Der Luftfahrttechniker Sigurd Sauer wollte „seine Bachstelze“ noch fliegen sehen.

Herzliche Aufnahme fanden seine Frau Waltraut, die gesamte Familie, die ihn immer unterstützt haben, und er auf dem Sportflugplatz Hatten und bei dem Diplomingenieur und Leichtflugzeugkonstrukteur Anno Claus Mentzel.

An diesem Tag schrieb Sigurd Sauer dann selbst Luftfahrtgeschichte.

Hier konnte er sein Lebenswerk nicht nur unterbringen, sondern auch fliegen sehen.

„Ich wollte die „Bachstelze“ fliegen sehen, dank der Unterstützung meiner lieben Frau Waltraut, meiner Familie, den Verantwortlichen für den Flugplatz Hatten und dem Leichtflugkonstrukteur Anno Claus Mentzel wurde im Dezember 2018 durch Herrn Mentzel versucht, „meine Bachstelze“ fliegen zu lassen“, so Sigurd Sauer im Beitrag der Sendung DAS des NDR vom 30.12.2018.

Nach einem Anschauungsunterricht im Haus der Familie Sauer versuchte der Startwagen, den motorlosen Tragschrauber in die Luft zu ziehen.

Erfolglos.

Mit einem anderen Fahrzeug gelang es dann.

„Aufgeben gilt nicht!“ sagte damals Mentzel.

„Ich habe das, was ich wollte, erreicht! Die Bachstelze fliegt!“, kommentierte Nachbauer Sigurd Sauer wenige Tage vor seinem erwarteten Tod den erfolgreichen Versuch.

Das er, seine Frau und seine Familie gerührt waren und Freudentränen in den Augen hatten, dürfte selbstverständlich sein.

Am Donnerstag, 10. Januar, findet um 12:00 Uhr in der Kirche zu Petersfehn, Mittellinie, die öffentliche Trauerandacht für Sigurd Sauer statt.

Die Urnenbeisetzung des 78-Jährigen erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt im engsten Familienkreis.

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